TERRAGON: „Selbstverständlich, dass auch ich mein Möglichstes beitrage“

Die TERRAGON AG hatte am Montag eine Stundung der anstehenden Zinsen in Anleihe 2019/24 ersucht. BondGuide sprach daher zeitnah mit CEO Dr. Michael Held.

Herr Dr. Held, wie kommt es zu der überraschenden Bitte an die Anleihegläubiger um Stundung der kommenden Zinszahlung?
Wie der gesamte Immobiliensektor hat die TERRAGON Gruppe mit einer Reihe externer Einflussfaktoren zu kämpfen. Im Wesentlichen sind dies pandemiebedingt verlängerte Projektlaufzeiten sowie massiv gestiegene Bau- und Rohstoffkosten mit der Folge erhöhter Eigenkapitalanforderungen der Bankpartner im Rahmen unserer Projektfinanzierungen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Bei unserem Neuprojekt in Duisburg werden kurzerhand Baukostensteigerungen von mehr als 10 Mio. EUR erwartet. Davon sind allein rund 2,2 Mio. EUR auf die um 80% gestiegenen Stahlpreise zurückzuführen.

Also kumulierte Probleme?
Während jede dieser Herausforderungen für sich gesehen bei einem einzelnen Projekt beherrschbar ist, hat das kumulierte Auftreten dieser Entwicklungen bei einer Reihe von unseren Projekten jedoch zu einem unvorhergesehenen Liquiditätsengpass geführt. Insgesamt ergibt sich ein außerplanmäßiger Liquiditätsbedarf für laufende Projekte von rund 6,5 Mio. EUR, der von der TERRAGON Gruppe ohne Zugeständnisse der bestehenden Gläubiger aktuell nicht gedeckt werden kann.

Sie haben erst Ende Januar den Verkauf eines großen Projekts in Hamburg an die Aachener Grundvermögen vermeldet. Haben Sie da denn keinen Liquiditätszufluss generiert?
Die Kaufpreiszahlung und damit die Realisierung des Projektgewinns erfolgen wie üblich erst bei Übergabe des Projektes im Jahr 2024. Die bestehende Fremdfinanzierung sieht aber auch in diesem Projekt Zahlungen an TERRAGON für erbrachte Leistungen vor. Hier gibt es allerdings aktuell Verschiebungen von Auszahlungen auf erbrachte Leistungen durch die Bank, um die Baukostenentwicklung abzuwarten.

Anleihe 2019/24

Welches sind die konkreten Probleme bei den weiteren Projekten, die den zusätzlichen Liquiditätsbedarf ausgelöst haben?
Es sind vor allem die folgenden vier Projekte, die die kurzfristig auftretende Liquiditätslücke ausgelöst haben:

Projekt Berlin-Regattastraße: Hier sollte die planmäßige Übergabe des Projektes im 4. Quartal 2021 stattfinden. Aufgrund der seit dem 4. Quartal 2021 massiv auftretenden Omikron-Corona-Variante und dadurch fehlenden Baukapazitäten haben sich die Fertigstellung und Übergabe des Projektes nun deutlich verschoben und sollen im November 2022 erfolgen. Das heißt unser Eigenkapitalrückfluss und der Ertrag können erst später als geplant realisiert werden.
Projekt Duisburg-Welkerstraße: Hier kam es zu einer deutlich verspäteten Baugenehmigung aufgrund ebenfalls pandemiebedingt fehlender Ressourcen auf Seiten der Stadt. Bei planmäßiger Baugenehmigung wäre dieses Projekt durchfinanziert und aktuell mitten in der Bauphase. Durch das veränderte Risikoverhaltens der Bank wurden hier die Eigenkapitalanforderungen erhöht und erfordern somit ungeplante Liquidität.
Projekt Wilhelmshaven-Virchowstraße & Dortmund-Lindemannstraße: Auch bei diesen beiden Projekten steht der Abschluss der Finanzierung unmittelbar bevor. Die erhöhten Eigenkapitalanforderungen der Banken aufgrund der Unsicherheiten der Baukostenentwicklung erfordern auch hier aktuell zusätzliche Liquidität.

TERRAGON bezeichnet sich selbst als Marktführer im Bereich Service-Wohnen für Senioren mit einer Projektpipeline von über 800 Mio. EUR. Haben Sie sich etwa ein wenig übernommen mit der Anzahl und Größe ihrer Projekte?
TERRAGON ist seit über 25 Jahren am Markt und hat über 2.500 Wohneinheiten realisiert. Wir sind und bleiben anerkannter Marktführer im Service-Wohnen für Senioren und wir sind nach meiner Überzeugung auch weiterhin ein geschätzter Partner bei institutionellen Investoren. Denn unser Geschäftsmodell ist intakt. Der demographisch bedingte Alterungsprozess der deutschen Bevölkerung wird, insbesondere durch die Baby Boomer Generation, die jetzt ins Rentenalter kommt, eine weiter steigende Nachfrage – mindestens bis ins Jahr 2040 – nach zeitgemäßen Wohnangeboten für Senioren nach sich ziehen. Die aktuelle Krisensituation ist tatsächlich durch das gleichzeitige Auftreten verschiedener exogener Entwicklungen entstanden, die größtenteils pandemiebedingt sind und durch den Ukraine-Krieg in Form von weiteren Rohstoff- und Baukostensteigerungen verstärkt wurden.

Sie bleiben weiterhin überzeugt?
Insgesamt sind wir der festen Überzeugung, dass wir sehr attraktive Projekte in unserer Pipeline haben, die von der Projektgröße und der Einnahmensicherheit von den Investoren gesucht werden und damit erhebliche Erlöse auch für die Rückzahlung der Anleihe realisieren werden. Das haben unsere Verkaufserfolge in der Vergangenheit klar bewiesen.

Sie beteiligen sich selbst über Ihre Beteiligungsgesellschaft Held Beteiligungen GmbH mit einer Liquiditätsspritze von 2,4 Mio. EUR: Das ist aller Ehren wert. Gibt es weitere Gläubiger, die einen Beitrag leisten?
Ja, ich denke das ist selbstverständlich, dass ich hier mein Möglichstes beitrage, um das Unternehmen in dieser temporär schwierigen Phase zu unterstützen, um die insgesamt sehr guten Perspektiven unserer umfangreichen Pipeline nicht zu gefährden. Durch unsere langjährigen Geschäftsbeziehungen unterstützen uns andere Gläubiger ebenfalls durch großzügige Stundungsvereinbarungen.

Welche Gegenmaßnahmen konnten Sie ergreifen, um die Krise zu meistern und künftig nicht mehr in diese missliche Situation zu geraten?
Zunächst haben wir Maßnahmen ergriffen, um bei unserem Leuchtturmprojekt Berlin-Regattastraße die Fertigstellung im Jahr 2022 zu beschleunigen. Darüber hinaus planen wir Kaufverträge mit Forward-Funding-Vereinbarungen für die Projekte Wilhelmshaven – Virchowstraße und Duisburg – Welkerstraße bis zum dritten Quartal 2022 abzuschließen, die uns von Bankfinanzierungen unabhängiger machen. Das Projekt Dortmund-Lindemannstraße wollen wir in einer Projektpartnerschaft umsetzen, die wir bereits in Angriff genommen haben.

Wie stellen Sie sicher, dass Sie die gestundeten und künftigen Zinsen sowie die Tilgung der Anleihe am Ende der Laufzeit leisten können?
Wir erwarten ausreichende Liquiditätszuflüsse bis Jahresende in Höhe von rund 10,3 Mio. EUR. Der gestundete Zins zuzüglich der vorgesehenen Kompensation und der ab Kupontermin auflaufende Zins werden aus diesen Zuflüssen bestritten. Die Rückzahlung der Anleihe planen wir wesentlich aus dem erwarteten Vorsteuerergebnissen der Projekte Hamburg-Hafencity, Duisburg-Welkerstraße und Wilhelmshaven-Virchowstraße in Höhe von rund 36 Mio. EUR umzusetzen.

Was müssen Anleihegläubiger jetzt konkret tun?
Wir bitten die Anleihegläubiger sich für die erste Anleihegläubigerversammlung, die vom 23. bis 25. Mai 2022 als Abstimmung ohne Versammlung stattfindet, anzumelden und ihre Stimme abzugeben. Die Anmeldung muss bis Freitag, den 20. Mai eingehen. Alle erforderlichen Formulare, also Anmeldeformular, Stimmabgabeformular und Depotbescheinigung mit Sperrvermerk, werden auf unserer Website unter terragon-ag.de/investor-relations/anleihe veröffentlicht. Sollte die Beschlussfähigkeit nicht erreicht werden, wird umgehend zu einer zweiten, dann in Präsenz abgehaltenen Anleihegläubigerversammlung eingeladen, die voraussichtlich Mitte Juni stattfinden würde. Wir möchten uns bei allen Anleihegläubigern schon jetzt für ihre Unterstützung in dieser temporär schwierigen Lage unseres Unternehmens bedanken.

Herr Dr. Held, ganz herzlichen Dank, dass Sie kurzfristig Zeit hatten für Rede und Antwort.

Interview: Falko Bozicevic

Um Gläubiger ausführlich über die Hintergründe und die geplanten Maßnahmen zu informieren, lädt der Vorstand alle Anleihegläubiger ein, an einem Investoren-Webcast am Donnerstag, den 5. Mai 2022, um 14:00 Uhr (MESZ) unter https://www.webcast-eqs.com/terragon20220505 teilzunehmen.