Selektive Chancen an den Anleihemärkten

Der Marktkommentar zu Anleihemärkten von Ariel Bezalel und Harry Richards, Investment Manager für festverzinsliche Wertpapiere bei Jupiter Asset Management

Wir rechnen in diesem Jahr mit einer weltweiten Verlangsamung des Wirtschaftswachstums. Inzwischen ist das zwar die allgemeine Marktmeinung. Wir haben dies aber bereits frühzeitig antizipiert und sind vor allem der Ansicht, dass die Anleihenmärkte das Ausmaß des bevorstehenden Abschwungs noch nicht vollständig eingepreist haben. Die Makrodaten sind zwar nach wie vor recht gut, die BIP-Wachstumsraten in vielen Regionen der Welt solide und die Arbeitsmärkte robust. Viele Frühindikatoren deuten jedoch darauf hin, dass dies nicht von Dauer sein könnte.

Hinter uns liegt ein Jahr, in dem die Geldpolitik extrem gestrafft wurde. Da die Wirkung steigender Zinsen mit einer Verzögerung von zwölf bis 18 Monaten spürbar wird, dürfte das Wachstum in den kommenden Monaten entsprechend schwächer ausfallen. Tatsächlich sind die Einkaufsmanagerindizes in vielen Regionen der Welt zuletzt gesunken. Interessant ist dabei der besonders ausgeprägte Rückgang der Auftragseingangsindizes.

Außerdem ist das Geschäftsvertrauen der CEOs, das wichtig für die Entscheidungen der Unternehmen zu Investitionen und Neueinstellungen sein kann, sehr gedämpft. Die Konsumenten sehen sich in vielen Ländern mit sinkenden Reallöhnen und steigenden Kreditkartenschulden konfrontiert, was auf die Stimmung drückt. Der Konsum, der etwa 70% des BIP in den USA ausmacht, sollte daher im weiteren Verlauf des Jahres genau beobachtet werden. Die verschärften Finanzkonditionen führen zu einem Rückgang der Aktivitäten auf den Wohnungsmärkten und in den meisten Regionen sinken die Preise deutlich.

Die Inflation geht zurück – werden die Zinsen folgen?

Den jüngsten Daten zufolge scheint die Inflation, der Schrecken aller Anleiheanleger, inzwischen nachzulassen. Die Kostendruckinflation geht zurück. In China und den USA sind die Erzeugerpreise im Jahresvergleich rückläufig, der Druck in den Lieferketten nimmt ab und die Frachtraten geben stark nach. Die Rohstoffinflation verlangsamt sich, da die Preise in vielen Segmenten der Rohstoffmärkte weniger stark steigen oder sogar sinken. Im Zuge des Rückgangs der Hauspreise dürften auch die Wohnkosten, die rund ein Drittel des US-Verbraucherpreisindex ausmachen, fallen. Zeitnähere Indikatoren der Mietpreisinflation wie die Marktmieten waren im Monatsvergleich zuletzt rückläufig.

Sollten die Kostendruckinflation und die Rohstoffpreise wie erwartet nachgeben, werden die Zentralbanken ihren geldpolitischen Kurs ändern. Wir halten es nach wie vor für gut möglich, dass die US-Notenbank (Fed) die Zinsen in der zweiten Jahreshälfte 2023 senkt – in dem Fall dürfte es zu einem weiteren Rückgang der Staatsanleiherenditen kommen. Darüber hinaus könnten Risiken für die Finanzstabilität oder ein Anstieg der Arbeitslosigkeit zu einem schnelleren geldpolitischen Kurswechsel führen.

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Die rückläufigen Hauspreise, der dritte Punkt in unserem Inflationsausblick, stimmen uns sehr positiv in Bezug auf Staatsanleihen, vor allem aus den USA, Australien, Neuseeland und Südkorea, wo wir mit deutlich niedrigeren Renditen rechnen und Potenzial für attraktive Gesamtrenditen sehen.

Selektive Anlagechancen

Während wir insgesamt von einem schwächeren Wachstum bzw. einer Rezession in vielen Regionen der Welt ausgehen, sehen wir an den Kreditmärkten selektive Anlagechancen, sowohl bei Investment-Grade- als auch bei Hochzinsanleihen aus Industrieländern. Insbesondere im High-Yield-Bereich sehen wir insgesamt gute Ertragsaussichten für erstrangige, besicherte Anleihen aus defensiven Sektoren wie Telekommunikation, Gesundheit und Basiskonsumgüter. Durch die jüngste Volatilität haben sich unserer Ansicht nach interessante Anlagemöglichkeiten bei Bankschuldtiteln eröffnet. Außerdem sehen wir einzelne unternehmensspezifische Chancen in den Bereichen Gaming und Kreuzfahrtgesellschaften.

Wir sind zwar davon überzeugt, dass ein schwächeres Wachstum die Zentralbanken zu einer Abkehr von ihrer restriktiven Geldpolitik veranlassen wird und dass bessere Zeiten für Anleiheanleger bevorstehen. Wann es so weit sein wird, lässt sich jedoch nicht sagen. Aus der Vergangenheit wissen wir allerdings, dass sich die Renditen nach einem Kurswechsel der Zentralbanken in der Regel sehr schnell und sehr stark bewegen. Dankenswerterweise werden die Anleger aktuell „fürs Warten bezahlt“, da sie nach dem letztjährigen Renditeanstieg eine so attraktive Verzinsung erhalten wie seit vielen Jahren nicht mehr.

Die historische Perspektive

Obwohl wir 2023 mit einem besseren Umfeld für Staatsanleihen rechnen, sind die Aussichten für die Credit Spreads unsicherer. Tatsächlich könnte es mit der Abschwächung des gesamtwirtschaftlichen Umfelds zu einer weiteren Spreadausweitung oder -volatilität kommen, vor allem im High-Yield-Bereich.

Damit könnte sich die traditionell negative Korrelation zwischen Staatsanleiherenditen und Spreads wieder durchsetzen. Davon sollte eine diversifizierte Barbell-Strategie (Hantel-Strategie), wie wir sie mit unserem Ansatz verfolgen, profitieren. Wir glauben nicht nur, dass Kreditanleger aktuell fürs Warten bezahlt werden, sondern meinen auch, dass Staatsanleihen sowohl Potenzial für positive Anlageerträge als auch eine wichtige Absicherung gegen eine höhere Volatilität an den Kreditmärkten bieten können.

Richards (li.) und Belazel

In Verbindung mit einer sorgfältigen Kreditauswahl zur Vermeidung von Zahlungsausfällen und dauerhaften Kapitalverlusten, kann unser Asset-Allocation-Ansatz – vor allem in Phasen einer höheren Volatilität an den Kreditmärkten – helfen, attraktive risikobereinigte Renditen zu generieren.

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