Nur Taten zählen: Risiko- und Ertragserwartungen an Assetklassen

Weil Taten mehr sagen als Worte, glaube ich, dass sie sich am besten an meinen Portfolios ablesen lassen. Von Rob Almeida, MFS

Am häufigsten fragt man mich nach meiner Einschätzung der Inflation. Aber dann folgen auch schon Fragen zu meinen Risiko- und Ertragserwartungen für die einzelnen Assetklassen.

Dennoch schätze ich solche Fragen. Die meisten Strategen, die ich kenne, managen nämlich selbst kein Vermögen. Sicher haben manche Portfolioverantwortung, aber viele kenne ich nicht. Für mich ist Anlagemanagement etwas ganz anderes als ein Fernsehinterview oder ein Artikel. Wenn man kein echtes Kapital einsetzt, hat man gut reden. Ich halte es für viel wichtiger, welche Portfoliorisiken jemand wirklich eingeht.

Drei relevante Aspekte für die Portfoliokonstruktion

Grundsätzlich glaube ich, dass es bei der Konstruktion eines Portfolios auf drei Dinge ankommt:

1. Erwarteter Ertrag: Wie werden die langfristigen Cashflows aussehen, von denen die Anlageerträge maßgeblich abhängen?

2. Erwartete Ertragsverteilung und Volatilität: Wie könnte die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Cashflows aussehen? Wie stark können sie streuen? Wie volatil können die Erträge sein? Und wie wahrscheinlich sind extreme Verluste? Mit anderen Worten, was kann schlimmstenfalls passieren? Wie asymmetrisch ist das Risiko-Ertrags-Profil?

3. Korrelationserwartungen: Wie unterschiedlich entwickeln sich die erwarteten Cashflows? Welche Positionen entwickeln sich ähnlich und welche gegenläufig? Führt eine bestimmte Anlage zu einer höheren Risikokonzentration?

Da wir die Zukunft nicht kennen, können wir über all das nur spekulieren. Anfang 2022 hielten wir die Risiken für zu niedrig und risikobehaftete Titel für überbewertet. Im Laufe des Jahres stiegen die Renditen. Risikobehaftete Titel gaben nach.

Was jetzt?

Wir rechnen mit einer weiteren Straffung der Geldpolitik, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage – und damit letztlich die Inflation – zu dämpfen. Die flachen oder inversen Zinsstrukturkurven zeigen aber, was wir schon seit einiger Zeit vermuten: Die mittel- bis langfristigen Wachstumsperspektiven sind schwach. Wenn die Notenbanken ihre Bilanzsummen verringern, sorgt das höhere Angebot für steigende Risikoprämien bei Staatsanleihen. Dennoch glauben wir, dass ein Großteil der Verluste hinter uns liegt. Lang laufende Qualitätsanleihen werden im Vergleich zu anderen Anlagen wieder attraktiver.

Ich habe daher schon vor mehreren Monaten begonnen, in meinen sektorübergreifenden Anleihenportfolios sehr viel mehr in US-Staatsanleihen, Agency-Anleihen und Mortgage-Backed-Securities mit AAA-Rating zu investieren. Tatsächlich bin ich in Titeln mit AAA-Rating jetzt so stark übergewichtet wie noch nie, seit ich die Strategie manage.

Weil die Nominalrenditen gestiegen sind und sich die Spreads seit ihren Tiefs vor einem Jahr fast verdoppelt haben, habe ich auch die Untergewichtung amerikanischer Investmentgrade-Credits beendet. Zwar können sich die Spreads wegen steigender Rezessionsrisiken wieder ausweiten, doch halte ich die Assetklasse für strategisch interessant, also für eine attraktive Langfristanlage. Das liegt vor allem an den niedrigen Ausfallrisiken. Anders als andere risikobehaftete Wertpapiere bieten US-Credits jetzt sehr viel mehr Ertragspotenzial je Risikoeinheit, weil ihre zukünftige Entwicklung berechenbarer geworden ist. Meine aktive Position ist eine leichte Übergewichtung. Ich möchte sie weiter ausbauen, wenn unsere Credit-Experten interessante Titel finden.

Durchschnittliche Spreads, aber höhere Risiken

An meiner Untergewichtung amerikanischer High-Yield-Anleihen hat sich nichts geändert. Die Credit Spreads sind heute zwar weiter als vor einem Jahr und liegen dicht am Vergangenheitsdurchschnitt. Aber die nächste Zeit dürfte alles andere als durchschnittlich sein. Viele Emittenten börsennotierter High-Yield-Anleihen haben einen Zinsdeckungsgrad unter 1. Fast jeder sechste High-Yield-Emittent braucht also seinen gesamten Erlös für den Schuldendienst. Fallende Einnahmen oder steigende Kosten werden dann zu einem Problem.

In den letzten zwölf Jahren kam es aufgrund des leichten Zugangs zu Kapital nur zu wenigen Zahlungsausfällen und Insolvenzen. Das gilt vor allem für die Assetklasse, deren Emittenten am höchsten verschuldet sind: High Yield. Weil das Wirtschaftswachstum nachlässt, die Unternehmensgewinne dann wohl nicht mehr so stark wachsen und außerdem Arbeitskosten und Schuldendienst steigen, erhalten Investoren bei High Yield keinen angemessenen Risikoausgleich mehr.

Robert M. Almeida, MFS

Wenn man bedenkt, was alles passieren kann, reicht der erwartete Ertrag meiner Meinung nach nicht aus. Es sind einfach zu viele verschiedene Entwicklungen möglich, sodass ich bei der Untergewichtung bleibe. Gemessen an der vorsichtigen Haltung unserer High-Yield-Experten, die Verluste vermeiden wollen, ist sie aber moderat.

Ich könnte jetzt noch auf andere Assetklassen eingehen. Aber wie gesagt: Taten sagen mehr als Worte. Meine Portfolios sollen für sich sprechen.

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