Neuemission im Fokus: Werder Bremen – der Ball ist im Spiel

Seit Montag dieser Woche läuft die Zeichnungsfrist für die Debütanleihe von Werder Bremen. Die Hanseaten wollen einnetzen – doch das Ziel bewegt sich.

Emission

Die Anleihe verfügt über einen festen Zinssatz zwischen 6,0 und 7,5%. Die genaue Höhe des Zinssatzes wird nach Ende der Zeichnungsfrist festgelegt. Die Anleihe hat eine Laufzeit bis zum 31. Juli 2026 bei einem Emissionsvolumen von bis zu 30 Mio. EUR.

Durch eine im Vorfeld des öffentlichen Angebots erfolgte Ansprache von ausgewählten institutionellen Investoren sowie Sponsors & Friends im Rahmen einer Privatplatzierung liegen bereits zum Zeichnungsstart der Anleihe Zusagen im zweistelligen Mio.-Euro-Bereich vor. Damit verfüge die Werder-Anleihe über eine hervorragende Ausgangsbasis für die Platzierung, so der Debütemittent in der eigenen Darstellung.

Im Anschluss an das öffentliche Angebot in Deutschland und Luxemburg werde die Anleihe voraussichtlich am 8. Juni in den Handel im Segment Quotation Board, Open Market, der Frankfurter Wertpapierbörse einbezogen.

Das Angebot richtet sich an institutionelle Investoren und Privatanleger. Zeichnungen sind u.a. über die Deutsche Börse, Zeichnungsfunktionalität DirectPlace, unter Eingabe des Börsenplatzes Frankfurt über Banken und Online-Broker möglich.

Zudem bietet Werder die Möglichkeit, direkt über die Website des Unternehmens www.werder.de/anleihe zu zeichnen.

Darüber hinaus wird die Anleihe im Rahmen einer Privatplatzierung durch das Bankhaus Lampe in Deutschland und in bestimmten weiteren Staaten gemäß Ausnahmebestimmungen für Privatplatzierungen angeboten.

Die Emission der Anleihe wird vom Bankhaus Lampe begleitet. Legal Advisor der SV Werder Bremen GmbH & Co. KG aA ist die Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

Schiedsrichter Bertie

Werder Bremen

Die Hanseaten zählen zu den erfolgreichsten Vereinen der Bundesliga-Historie. Als Gründungsmitglied und mit vier deutschen Meistertiteln liegt Werder auf dem 3. Platz der ewigen Tabelle der Bundesliga.

Heute gehört Werder zu den Vorreitern im Bereich Umwelt und Soziales. Mit einer Tradition seit 1899 und rd. 40.000 registrierten Mitgliedern ist Werder eine gefragte Marke für Sponsoren. Seit Jahren legt Werder Wert auf die Nachwuchsförderung sowie Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Mit den aus der Anleihe zufließenden Mitteln sollen diese Bereiche neben einer Stärkung der finanziellen Ausstattung weiter gefördert werden.

Zu Recht möchte Werder die Anleiheemission nicht als Notnagel zur Schließung einer aktuellen Finanzlücke verstanden wissen, auch wenn dieser Punkt natürlich nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Noch ist schwer abschätzbar, ob und in welchem Maße in diesem Punkte der ‚Mixed Use‘ zum Tragen kommt.

Werder-Geschäftsführer Klaus Filbry

Die laufende Saison endet an diesem Samstag mit Spieltag 34. Für den auf Platz 16 situierten Club endet sie jedoch erst nach den zwei Relegationsspielen am 26./29. Mai – Werder steht vor dem letzten Spieltag auf besagtem Platz 16 und musste auch schon in der Vorsaison in die Verlängerung gehen. Erfolgreich.

Kontrollierte Defensive

In Anlehnung an goldene Zeiten unter Otto Rehhagel heißt das Motto der Emission ‚kontrollierte Offensive‘. Der Slogan ist durchaus weise und probat gewählt. Problem ist, dass der sportliche Nicht-Erfolg der Equipe der vergangenen Wochen die ursprünglich unter einem guten Stern angelaufene Emission untergraben hat.

Zum Zeitpunkt des BondGuide-Interviews mit Werder-Chef Klaus Filbry hatte Werder noch etliche Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsplatz. Aus den letzten neun Spielen holte Werder nur einen einzigen Punkt, während die direkte Konkurrenz plötzlich zu punkten begann. Die Konsequenz ist ein Endspielwochenende um den Klassenerhalt für drei Vereine: Köln (Platz 17 – direkter Abstieg), Werder (Platz 16 – Relegationsplatz) und Bielefeld (Platz 15 – Versetzung bedroht, aber in eigener Hand).

Bilanz und Ballast

Im Wertpapierprospekt für die Emission der Anleihe musste in den letzten Wochen wegen nun wieder akuter Möglichkeit eines – finanziell wenig erquicklichen – Abstiegs in die Zweite Liga nachgebessert werden. Ein mögliches Insolvenzrisiko oder Auflagen der DFL wie ein Punktabzug wurden als mögliche Risiken zusätzlich aufgenommen bzw. betont. Wie bei anderen betroffenen Vereinen erteilt die DFL für nächste Saison eine Spiellizenz wohl nur unter Auflagen.

Problem: Eine Anleiheemission ist weiteres Fremdkapital, aber nicht Eigenkapital. Sie kann helfen, einer Liquiditätskrise zuvorzukommen, hilft der Bilanz aber nicht. Bereits 2020 hatten die Hanseaten einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von über 30 Mio. EUR zu verkraften.

Zuversicht im Kader zu Saisonbeginn

In dieser Saison kommen pro Heimspiel ohne Zuschauer mehr als 1 Mio. EUR Fehlbetrag hinzu, in Summe 18 bis 19 Mio. EUR Minus aufgrund von Geisterspielen.

Werders Plan sehe vor, den Klassenerhalt in der Ersten Liga zu bewerkstelligen – q.e.d. –, einen Transferüberschuss von knapp 10 Mio. EUR zu erzielen sowie auf gewisse Erstattungen bei Dauerkartenbesitzern zu verzichten.

Bei entsprechender Fehldeckung in der Bilanz drohen sich die Auflagen der Deutschen Fußball-Liga DFL zu manifestieren. Dies wird wahrscheinlich nicht nur für Werder ein Thema, allerdings sind neben den Norddeutschen sonst nur Schalke und Dortmund am Kapitalmarkt unterwegs und müssen in diesem Sinne qua Reporting mehr als andere ihren Status-quo darlegen und öffentlich diskutieren lassen.

Werder stellt diesem Sachverhalt stille Reserven im Spielervermögen von rund 50 Mio. EUR gegenüber. Diese waren auch bei Schalke 2015/16 anlässlich der Anleiheemissionen ein Thema. Nach HGB wird zu Anschaffungskosten bilanziert, stille Reserven also gehoben, wenn darüberhinausgehend erlöst werden kann (damals Draxler, Huntelaar). Zu dem Zeitpunkt also hatte Schalke trotz negativen Eigenkapitals tatsächlich nicht das geringste wirkliche Bilanzthema. Sowohl Draxler als auch Huntelaar wurden plangemäß vergoldet.

Bei Werder Bremen ist die aktuelle Lage jedoch anspruchsvoller. Nur drei Spieler kommen überhaupt auf einen Marktwert im niedrigen zweistelligen Millionenbereich. Bei Rashica wie auch bei Augustinsson könnten ca. 5 Mio. EUR stille Reserven gehoben werden, bei Club-Juwele Eggestein sein gesamter potenzieller Verkaufserlös, da zu Null Anschaffungskosten aus der eigenen Jugend hochgezogen.

Allerdings wurde Eggesteins Marktwert von in der Spitze 30 Mio. EUR durch die sportliche Entwicklung des Clubs in den vergangenen Jahren auf ein Drittel reduziert – was besonders bitter ist, denn Eggestein ist erst 24 und damit im besten Alter für erhebliche Marktwertsteigerungen. Ein Verkauf des immer wieder unglücklich wirkenden Sargent würde ebenfalls den vollen Erlöspreis heben, da seinerzeit ablösefrei zu Werder gekommen.

Der Punkt mit dem Heben stiller Reserven zur Revitalisierung der Bilanz stimmt also soweit. Es setzt allerdings voraus, dass Werder bei einem betriebsnotwendigen Verkauf von zwei bis vier seiner Stammspieler geschickt auf dem Transfermarkt in Gegenzug zuschlägt – und auch wieder (Mehr-)Werte generiert.

Gelingt dies, und das Beispiel Frankfurt bzw. auch Freiburg etwa zeigen ja, wie es geht Potenziale zu generieren, wären Punktabzug oder sonstige Zwangsmaßnahmen vom Tisch. Spieltheoretisch überschlagen könnte man sogar überlegen, ob ein Punkteabzug (geltend für die nächste Saison) nicht sogar – ganz nötigenfalls – in Kauf genommen werden könnte, anstatt wichtige Stammspieler (zu günstig) abzugeben. Zur Erinnerung: Auch anderen Clubs werden Auflagen der DFL erhalten, werden also auch nicht gerade gestärkt in die kommende Saison gehen.

Bei einem Abstieg drohen dem Vernehmen nach Erlöseinbußen von einem Drittel oder mehr. Allerdings sinken auch die Kosten, speziell die wichtigsten: die Personalkosten. Mit der im Nachhinein vorteilhaften Erfahrung des Fast-Abstiegs in der vorausgegangenen Saison konnte der Club in vielen, wenn nicht sogar den meisten oder gar allen Verträgen der Profis vorbeugen. Im Falle des Falles wären die Kostenstrukturen für einen kurzzeitigen Gastaufenthalt in der 2. Bundesliga höchstwahrscheinlich weitgehend angepasst. Bei einem länger als eine oder höchstens zwei Saisons dauernden Gastspiel würden jedoch die Erlöse einzubrechen drohen – eine Saison indes lassen Hauptsponsoren auch mal als Betriebsunfall durchgehen (Frankfurt, Schalke).

Stärken & Schwächen

+ abgesehen von der nunmehr erneut akuten Abstiegsgefahr diese Saison eigentlich eine solide geschäftliche Grundlage
+ die hebbaren stillen Reserven sollten ausreichen, jedwede Deckungslücke dieser Saison zu schließen
+ erfahrenes und etabliertes Management mit hinreichend kühlem Kopf
+ Konterkarrikatur: die möglicherweise zwei zusätzlichen Saisonspiele in der Relegation sorgen für zusätzliche Spannung, Aufmerksamkeit und Medienpräsenz. Mit Zuschauern wäre sogar ein Extraerlös in Höhe von ca. 1 Mio. EUR damit verbunden gewesen.
+ für den Fall des Falls (Abstieg in die 2te Liga) gerüstet – eine Saison in Liga 2 würden wohl alle Sponsoren mitmachen

– die Gefahr, dass aus einer Saison eine Art Straflager wird in Liga 2 (sh. HSV, Nürnberg, Hannover), darf auf keinen Fall unterschätzt werden. Dann stimmt kein Businessplan mehr, auch nicht der für die Anleiheemission
–  falls die Anleiheemission glückt, müssen die Hanseaten ein durch die Einnahmen befördertes inflationäres Szenario wie bei Schalke (Spielergehälter und Funktionäre mit Frühstückdirektorenfunktion) sowie anlässlich des Börsengangs von Dortmund damals unbedingt vermeiden

Fazit

Vor sechs Wochen zum Zeitpunkt unseres Gesprächs mit Werder-Chef Klaus Filbry wäre die Anleiheemission von Werder Bremen eine kaum eingeschränkte Empfehlung für alle Interessierten gewesen. Die Zeiten haben sich geändert, leider – sowohl für Werder als auch für alle interessierten Anleger. Allerdings ist Werder zuzutrauen, sowohl weiser mit einem Emissionserlös umzugehen als auch eine mögliche Findungsphase in Liga 2 erfolgreich zu bewältigen. Für alle Werder-Sympathisanten ist die Anleihe natürlich ein Muss, für alle Anderen ein Kann.

Falko Bozicevic

Fotos: @Werder Bremen, pixabay

Bewertung – Werder Bremen 2021/26

Wachstumsstrategie/Mittelverwendung: **
Peergroup-Vergleich: ****
Rendite-Vergleich: ****
Kennzahlen (Zinsdeckung, Gearing o.Ä.): **
IR/Bond-IR: *****
Covenants: **
Liquidität im Handel (e): **
Fazit by BondGuide: ***(*) (interessanter neuer Emittent am Kapitalmarkt – aufgrund des Emissionsvolumens und da viele Anleihen womöglich an Werder-Fans in ausdauernde Hände gehen dürften, niedriges tägliches Handelsvolumen erwartet / halber Stern Abzug)