Neuemission im Fokus: schneidiges Design, gutes Gewissen – und 9,0% Kupon bei Leef Blattwerk

Die Leef Blattwerk GmbH ist einer der raren Neu-Emittenten des Jahres 2023, das v.a. von Folgeanleihen geprägt war. Die Neuemission ist weiterhin in der Zeichnung.  

Emission

Die Potsdamer bieten seit Ende 2023 eine Debütanleihe (DE000 A352ER 1) mit einem Volumen von bis zu 5 Mio. EUR, einem Kupon von 9,0% p.a. und einer Laufzeit von fünf Jahren.

Von Mitte November bis Mitte Dezember konnte der Bond schon über die Plattform Econeers gezeichnet werden, davon die letzten beiden Wochen zusätzlich über Direct Place der Deutschen Börse. Wenige Tage später wurde die Anleihe in den Freiverkehr der Frankfurter Börse einbezogen, aktueller Kurs Taxe 99,5 zu 100,5%. Aufgrund des Mikro-Emissionsvolumens findet praktisch keinerlei Handel im Wertpapier statt. Der Platzierungsstand ist nicht bekannt.

Financial Advisor bei der Auflage war DICAMA.

Für weitere Details sei auf das Interview mit CFO Jens Christoph von Ende November verwiesen.

In der Mitte: CFO Jens Christoph

Unternehmen

Leef produzierte ursprünglich nachhaltiges Einweggeschirr – gleichwohl lässt es sich natürlich auch abwaschen, da haptisch und optisch sehr ansprechend – sowie Umverpackungen aus Palmblättern. In deren Entwicklung, Verarbeitung und Vermarktung ist Leef national wie auch größtenteils international führend, die Mitbewerber sind überschaubar. Das verwendete Material sind die Blätter der Arekapalme[1], die bei der Betelnussproduktion im wahrsten Sinne des Begriffs als Abfallprodukt anfallen – nämlich, indem sie schlicht von den Bäumen zu Boden fallen. Normalerweise würde ihr Heizwert ggf. nur noch beim Verbrennen genutzt werden.

Viele weitere Blattarten, wie von Bananen-, Kokos- oder Ananasbäumen sind grundsätzlich denkbar für die Nutzung. Interessant ist eher, dass kaum jemand bisher darauf kam.

Gründer und Ideengeber der Firma ist der heutige CEO Claudio Fritz-Vietta, der Leef vor inzwischen ziemlich genau zehn Jahren ins Leben rief.

Hauptanbaugebiet ist Indien, wo Leef entsprechende Strukturen geschaffen hat, um Lieferketten zu sichern. Dort werden die Blätter sowohl gewaschen und geschnitten wie auch in Form gepresst. Eine chemische Aufbereitung sei nicht erforderlich. Eine langjährige Kooperation mit einem der wichtigsten Zulieferer soll in eine Partnerschaft überführt werden, um auch in der Produktion vor Ort das Sagen haben zu können. ESG-Fragestellungen machen auch vor Indien nicht Halt und müssen beantwortet werden, um wichtige Zertifizierungsstandards zu erfüllen bzw. neu zu ergattern.

Das Angebot wird seit der Corona-Pandemie beständig erweitert. Ergänzen lässt sich das ansprechende Palmblatt-Geschirr für Take-away- und Lieferdienste mit Deckellösungen z.B. aus Meeres-Recycling-Plastik (‚Meeresplastik‘). Eine simple Plastikfolie über das Geschirr zu ziehen, wäre mehr als unlogisch im ESG-Sinne. Gegebenenfalls lassen sich auch noch kompostierbare Deckelvarianten aus Palmblättern finden, um die Sache abzurunden. Außerhalb des Lebensmittelsektors sollen zeitnah neue Produktkategorien auf den Markt kommen, um nicht zu stark von einer Branche abhängig zu bleiben. Aber allein der globale Verpackungsmarkt ist riesig mit einem Volumen von über 271 Mrd. USD weltweit.

Erlösverwendung

Die eingeworbenen Mittel aus der Anleihe sollen in erster Linie zum Erwerb von Beteiligungen an den indischen Produzenten verwendet werden. Der Aufbau einer Produktionsanlage koste 2,5 Mio. EUR, Waren-Vorfinanzierungen mehr als 1 Mio. EUR. Leef benötige dies als Working Capital. Gerade die eigene Produktionsanlage scheint überaus wichtig für ESG-Zertifizierungen bestehende wie kommende – bei allem Respekt, dies sei Indien nicht in eigene Hände zu überlassen. Nach wie vor benötigt Leef jedoch auch zusätzliches Eigenkapital. Zwei Kapitalerhöhungen spülten knapp 0,9 Mio. EUR in die Kassen sowie EK-nahe Nachrangdarlehen von einer weiteren ¾ Mio. EUR: Hierbei sind jetzt auch die Gründer und Anteilseigner parallel gefragt.

Zahlen

Im letzten bekannten Geschäftsjahr, 2022, betrugen die Umsätze 1,3 Mio. EUR, ein Plus von fast zwei Drittel. Neue Umverpackungslösungen spiegeln sich darin noch nicht wider, erst 2023. Diese ersten Zahlen dürfte es in Kürze geben. Allerdings beschert der Aufbau der Vermarktung auch noch herbe Verluste: Mit 1,3 Mio. EUR lagen sie genauso hoch wie der Umsatz, sprich: Produktion und Vertrieb kosten derzeit noch das Doppelte der Erlöse. Nur mit Skaleneffekten aus höheren Umsätzen (‚Top Line‘), effizienterer Produktion (‚Bottom Line‘) sowie ggf. höheren Preisen (Preismacht unklar) wäre das zu beheben – sicherlich eine Mischung aus allen dreien.

Stärken & Schwächen, Risiken & Chancen

+ Ansprechende (optisch und haptisch) und ESG-konforme Produkte für die schnell wachsende To-Go-/Liefer-Lebensmittelbranche
+ nachweislich umweltfreundlich und zukunftsfähig
+ Emittent nutzt de facto Abfallprodukte, schont Ressourcen
+ Gründer und Ideengeber weiter an Bord
+ wenige, aber gute Kunden mit ESG-Ambitionen (wer also nicht?) würden Erlösvervielfachung bedeuten
+ sinnvolle Verwendung des Emissionserlöses, v.a. am Ursprung der Produktionskette in Indien

– Eigenkapital nach wie vor schwach, Umsätze ebenfalls
– hohe Emissionskosten relativ zum Zielvolumen von 5 Mio. EUR
– bei der Anleihe de facto Mezzanine-ähnlich, gemessen daran 9,0% zu wenig als Risikoausgleich
– praktisch kein Börsenhandel absehbar angesichts des niedrigen Zielvolumens

Produktpalette von Leef

Fazit

Zugegebenermaßen eine zeitgemäße Idee zur rechten Zeit, wo sich alle Welt um ihren ESG-Ausweis kümmern muss – die Anforderungen werden zunehmend stringenter und nicht weniger. Gemessen am Risiko sind 9,0% allerdings etwas kärglich – eine Eigenkapitalbeteiligung, die Leef zudem dringend benötigen würde, wäre das Mittel der Wahl und bleibt es auch. Angesichts der Chancen möchte ein Investor auch entsprechendes Upside-Potenzial jenseits von 9% jährlich. BondGuide hat schon häufiger moniert, dass einige Emissionen eher Eigenkapitalgeschichten darstellen statt Anleiheemissionen-prädestiniert – so auch hier. Trotzdem finden wir die Emission eine sehr gute (Geschäfts-)Idee. Ob sie auch eine gute Investment-Idee ist, werden die nächsten und übernächsten Geschäftszahlen zeigen müssen. Interessierte sollten sich des Risikos bewusst bleiben, aber die Meldungen aus dem Hause der Potsdamer gleichwohl verfolgen: Steigen die Umsätze? Kommen Partnerschaften zustande? Gewinnt der Emittent einige große Vertriebspartner, die sich mit ESG-Themen schmücken möchten, wie z.B. (aus der Luft gegriffen), REWE, Edeka etc.? Das wäre der Wegweiser.

Falko Bozicevic

[1] Die Blätter der Arekapalme verfügen über einzigartige Eigenschaften. Einerseits sind sie u.a. mikrowellengeeignet und ofentauglich, andererseits aber auch kompostierbar. Das prädestiniert sie für so ziemlich alles im Umgang mit Lebensmitteln.

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