LEEF Blattwerk: „Wertschöpfungskette ins eigene Haus holen“

LEEF Blattwerk begibt eine kleinvolumige Anleihe im Volumen von bis zu 5 Mio. EUR. Auf Econeers läuft die Platzierung schon seit einigen Tagen. Jetzt startet das ‚richtige‘ öffentliche Angebot. BondGuide sprach mit dem Debütemittenten zum Start.

Herr Christoph, wer ist LEEF und wofür stehen die Buchstaben eigentlich?
LEEF ist die phonetische Schreibweise des englischen Leaf, also Blatt. Wir sind Spezialist für die Verarbeitung von Palmblättern zu nützlichen Produkten in ganz unterschiedlichen Bereichen – Tendenz stark steigend. Anfangs wurden wir von außen häufig als Anbieter von Geschirr aus Palmblättern wahrgenommen, aber das greift mit unserer heutigen Produktpalette deutlich zu kurz. Aktuell sind es Food-Verpackungen, Geschirr und Besteck, aber auch zahlreiche Non-Food-Produkte.

Ist das B2B oder B2C-Geschäft?
Im Food-Bereich ist die Verwendung von Palmblättern als Rohstoff natürlich noch lange nicht so bekannt wie die handelsüblichen Materialien. Unser Fokus mag in erster Linie ein B2B-Vertrieb sein, aber unter dem Strich kommen die Produkte beim Endkunden an, also B2B2C, wo sie letzten Endes sichtbar werden. B2C findet auch statt, dann aber meist über den Umweg über White Labels, wie sie z.B. die Metro einkauft und vertreibt.

Ich komme gerade vom Lunch aus einer bekannten Restaurantkette in Frankfurt und musste mir nach der Speisung tatsächlich etwas einpacken lassen. Da ist nach wie vor alles Plastik-geschwängert.
Ja, das ist doch ästhetisch furchtbar, oder? Bei Aluminium, Zuckerrohr – Bagasse – oder Plastik bleiben Optik und Haptik auf der Strecke, von der Umweltbelastung ganz zu schweigen. Gastronomen, die für ihre Gäste etwas Besonderes, Wiederkennbares und Erinnerbares wünschen, werden unsere Palmblatt-Verpackungen in Erwägung ziehen. Wenn Sie die mit nach Hause nehmen, ist nicht angedacht, dass Sie die Inhalte erst auf Ihr eigenes Geschirr umfüllen müssen, falls Sie etwas Wert auf Stil legen.

Wenn ich mich auf der Homepage umsehe, sieht alles sehr asiatisch aus: Essstäbchen, Schälchen, Löffelchen. Für welche Zeitzone sind Ihre Produkte denn?
Das könnte daran liegen, dass Ihnen unsere Produkte aus der sog. Sushi-Linie besonders zugesagt haben. Wir bieten natürlich auch sehr, sehr westliche Verpackungen an, nämlich für Burger, Tapas, Pasta, Dips und vieles andere mehr, das man hochwertig präsentieren kann – vor Gästen im Restaurant oder vor Gästen daheim. Richtig ist, dass Sushi prädestiniert ist, in unseren Materialien optisch ansprechend dargereicht zu werden. In einer billigen Plastikverpackung leidet ganz sicher auch der Geschmack: Das Auge isst schließlich mit, wie man so schön sagt. Wir vereinbaren aber auch gerade etwas im Bereich nachhaltiger Verpackungen von Kosmetik – das ist ja auch einer der Sektoren, die sich für die Zukunft mehr Nachhaltigkeit und weniger CO2-Fußabdruck auf die Fahnen geschrieben haben.

Wie steht es generell um die Wettbewerbssituation?
Händler gibt es natürlich diverse, aber als Entwicklungspartner von Produkten aus Palmblatt kennen wir aktuell nur uns, vor allem von komplexeren Produkten wie eben Verpackungen. Offene Gefäße wie Teller, Schalen oder dergleichen kriegt der eine oder andere lokale Produzent in Indien noch selbst hin. Damit hatten wir ja ebenfalls begonnen. In den komplexeren Bereich haben wir während Corona damit angefangen, unsere entwickelten Produkte auch zum Patent anzumelden – bei Tellerchen oder Besteck war das noch nicht erforderlich. Der Wettbewerb findet mehr bei anderen Materialien statt als innerhalb des Palmblattsegmentes. Wir verstehen Produzenten und Händler von Zuckerrohrprodukten, also Bagasse, oder auch Papier viel eher als Wettbewerb, auch die Plastikindustrie bleibt trotz aller regulatorischen Maßnahmen ein harter Wettbewerber. Jedoch angesichts der schlichten Notwendigkeit einer klima- und umweltfreudlichen Weiterentwicklung – und zwar global – sehen wir heute nicht nur die Konsumenten umdenken, sondern zunehmend auch die verarbeitende Industrie und die Investoren.

Die Märkte sind jedoch schwieriger geworden angesichts der Vielzahl der Krisen. Bleiben Sie optimistisch?
Lassen Sie mich einfach auf drei Themen der vergangenen Jahre verweisen. Die UN planen eine Initiative, um die Plastikproduktion einzuschränken, da die Entsorgung nicht in den Griff zu bekommen ist – sozusagen ein Plastikabkommen. Und nach einer Woche Verhandlungen in Nairobi wurde kein wesentlicher Fortschritt erzielt. Die UNEP warnt, dass unsere Klimaziele voraussichtlich völlig verfehlt werden, selbst wenn alle beschlossenen Maßnahmen innerhalb der EU eingehalten. Und wenig deutet auf die Einhaltung hin. Und schließlich wird im Großraum von Paris vor dem Verzehr von Hühnereiern aus privater Haltung und selbstgezogenem Gartengemüse gewarnt, da es PFAS-belastet ist. PFAS sind übrigens in fast allen Einwegprodukten aus Zuckerrrohrfaser enthalten, um sie wasser- und fettresistent zu machen.

Die Umstände und Entwicklungen spielen Ihnen in die Karten?
Dies frustriert uns bei LEEF nicht, es spornt uns an. Jede Meldung in diese Richtung zeigt, dass das Zeitalter des Greenwashings vorbei ist. Die Offensichtlichkeit der Fehlentwicklungen zwingt alle zum Umdenken. Bei den Kunden wissen wir es sicher, und Investoren werden die langfristige Chance erkennen, die sich daraus für sie ergibt. LEEF redet eben nicht herum, wir bieten Lösungen an. Jetzt.

Und Palm-Nuss, Palm-Irgendwas ist nicht böse für die Natur?
Mit der Palmöl-Industrie hat LEEF aber auch rein gar nichts zu tun: ganz andere Produkte. Unsere stammen von der Areca-Palme, die in Indien eine lange Tradition hat über die vergangenen Jahrhunderte. Für uns werden auch keine neuen Plantagen gebaut. Genau genommen verwenden wir ein Abfallprodukt dieser Pflanzen, nämlich Blätter, die von den Palmen zu Boden fallen. Normalerweise werden sie verbrannt. Die Anzahl ist dermaßen groß, dass kaum jemand weiß, wohin damit. Unser Material ist klimaneutral, das in den Blättern gebundene CO2 bleibt gebunden – wenn sie nämlich nicht verfeuert werden, sondern durch uns für unsere Produktpalette genutzt werden. Und werden unsere Produkte anschließend kompostiert, dann binden wir CO2 in Form fruchtbaren Bodens.

Was macht das Palmblatt so besonders, dass Sie sich als Materialspezialist bezeichnen?
Die Besonderheit ist, dass wir nicht an bestimmte Produktkategorien, Industrien oder Märkte gebunden sind. Sie kennen sicher das Tiefziehen als Herstellungsprozess und unserer ist ganz ähnlich – bloß eben mit einem nativ klimaneutralen Ausgangsmaterial, das nicht erst hergestellt werden muss. Ein Blatt hat natürliche Grenzen, aber die Anwendungswelt ist nahezu unendlich. Auf uns kommen zunehmend mehr große Konzerne mit teilweise starken Marken auf uns zu und suchen nach Lösungen für ihre Verpackungslinien. Wir können das Umdenken förmlich mit den Händen greifen.

Auf der Homepage finde ich Potsdam und Panama im Impressum: Wo liegt die Verbindung?
Sitz der Gesellschaft ist Potsdam, in Panama haben wir eine kleine Tochtergesellschaft, die sich um den südamerikanischen Markt kümmert. Die Palmen stehen wiederum in Indien; daher wird dort geerntet, verarbeitet und verpackt. An unserem Haupt-Supplier in Indien sind wir aktuell zu 10% beteiligt. Diesen Anteil möchten wir mithilfe der Anleihe über eine Kapitalmaßnahme deutlich erhöhen. Die Mittel fließen in neue zentralisierte Produktionsanlagen, um die Ausbringungsmengen deutlich zu erhöhen und die Produktionsprozesse effizienter zu gestalten.

Wäre das nicht eigentlich Grundlage genug für einen Green Bond?
Wir sind auch SA-8000 zertifiziert. Dass wir in Indien ca. 25-30% Löhne über Marktniveau zahlen, ist nur schwer hart belegbar, da die Strukturen in einem Schwellenland nicht sehr transparent sind. Wir achten trotzdem auf diese ökosozialen Details. Das ist übrigens weniger eine monetäre Frage als eine des Wollens. Wenn man will, kann man seine Lieferkette sehr wohl zielgerichtet steuern.

Wer ist Geschäftsführer Claudio Fritz-Vietta und wem gehört die Firma?
Claudio ist der Gründer von LEEF und Geschäftsführer, er ist unser Mastermind und auch kreativer Kopf für die Produkte. Wir haben insgesamt acht Anteilseigner, darunter beide Gründer. Der Rest verteilt sich bunt auf Personen oder Unternehmen, die in der Frühphasenfinanzierung und danach an Bord kamen und uns über die Jahre treu begleitet haben Wir sind sehr stolz auf unsere Gesellschafter, da sie langfristig orientiert sind.

Wie sieht es mit Geschäftszahlen aus – wie weit ist LEEF?
2022 lag der Umsatz bei rund 1,3 Mio. EUR mit mehr als 60% Wachstum im Vorjahresvergleich. In diesem Jahr wird der Umsatz etwa auf Vorjahresniveau sein. Die Stagnation liegt weniger an der Nachfrage nach unseren Produkten, als vielmehr an unseren Produktions- und Vorfinanzierungsfähigkeiten – daher auch der Bond. Corona hat sich im Nachhinein als Chance für uns herausgestellt, denn nur so war ein Veränderungsdruck da, weg von reinen Gastro-Produkten und hin zu anderen, ambitionierten Bereichen. Nur so kamen wir zu unseren ersten Non-Food-Projekten und -Produkten. Unseren operativen Break Even planen wir Ende des kommenden Jahres.

Welche Produktionsvolumen können wir uns vorstellen: vor und nach der Finanzierung?
Aktuell lassen sich zwischen 7,5 und 10 Mio. Produkte pro Jahr realisieren. Ein Wachstum lässt sich in dieser im Moment geclusterten Produktion generieren, aber dieses Wachstum würde ohne Skalierungseffekte und auch ohne Effizienzverbesserungen einhergehen. Unsere avisierte zentralisierte Produktion liegt bei zusätzlichen 30-35 Mio. Produkten. Das ‚Atmen‘ in den Ausbringungsmengen lässt sich dann weiterhin über die Cluster gestalten. Das sind natürlich normalisierte Zahlen, die mit Art und Beschaffenheit der einzelnen Produkte schwanken. Und eine zentralisierte Produktion ist dann auch schneller und einfacher erweiterungsfähig.

LEEF Termsheet

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Und zur Anleihe: Wie weit kommen Sie mit dem Zielvolumen von 5 Mio. EUR und was ließe sich damit bewerkstelligen?: Mit dieser Summe können wir ein großes Mitspracherecht bei unserem Hauptproduzenten in Indien erwerben. Natürlich muss auch eine geplante Produktionsausweitung mit Working Capital, Personal etc. unterlegt werden. Kernpunkt ist eine deutliche Volumenerhöhung und eine nachhaltige Effizienzverbesserung in der Produktion. Wir können mit einer solchen Investition nicht nur Qualitätsführer bleiben, sondern mittelfristig zugleich die Preisführerschaft anstreben, was gemeinhin eine perfekte Kombination darstellt.

9% Kupon sind nicht ohne. Erwirtschaftet die ein Startup in seiner Anlaufphase überhaupt?
Sonst würden wir die Anleihe sicherlich nicht begeben! Wir sind in der Lage, mit der erwähnten Umsetzung schnell höhere Stückzahlen in die etablierten Strukturen hineinzuliefern. Ein guter Kunde wird bei uns in der Regel ein Jahresvolumen im siebenstelligen Bereich abrufen. Wenige gute Kunden, also drei bis vier, führen also schon zeitnah zu einer Erlösvervielfachung. Diese sind für das Erreichen des Break Even. Und jeder weitere darüber ist on top für die Profitabilität. An der Basis wiederum holen wir uns mit der Beteiligung an unserem Haupt-Supplier in Indien Teile der Gewinne der frühen Wertschöpfungskette ins eigene Unternehmen.

In der Mitte Gesprächspartner Jens Christoph

Herr Christoph, ganz herzlichen Dank an Sie für Ihre Zeit und die interessanten Einblicke!

Interview: Falko Bozicevic

*) Jens Christoph ist CFO der LEEF Blattwerk GmbH. Sein Faible für Blätter etablierte er schon früh in seiner Karriere durch 13 Jahre als Bereichsleiter Finanzen der FLEUROP, seine Leidenschaft für Unternehmensaufbau und Wachstumskoordinierung entdeckte er als Co-Gründer und CFO innerhalb der Paxlife-Gruppe.

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