MS Industrie: „Finanzierung unseres Wachstums seit jeher eine Herausforderung“

BondGuide sprach kurz nach den Halbjahreszahlen aufs Neue mit Dr. Andreas Aufschnaiter, CEO des Spezialmaschinenbauers MS Industrie und seines Zeichens Anleiheemittent.

BondGuide: Herr Dr. Aufschnaiter, Ende August kamen ja die frischen Halbjahreszahlen. Was waren die Highlights aus Ihrer persönlichen Sicht?
Aufschnaiter: Bei einem Umsatzplus von 30% gegenüber dem Vorjahreszeitraum fällt mir schwer, was ich herausheben und was weglassen soll. Wir hatten einen enormen März mit Spitzenauslieferungen bei Serienteilen der Sparte MS XTEC. In unserem Bereich MS Ultraschall haben sich – endlich – die lieferkettenbedingten Auslieferverzögerungen fast zur Gänze verflüchtigt. So ergab sich in diesem Segment eine Umsatzsteigerung von fast sogar 50%. Dieser Nachholeffekt ist nun weitestgehend ausgelaufen – wir können ab dem 4. Quartal 2023 wieder von Normalität sprechen.

BondGuide: Und dabei stimmt die Profitabilität im Bereich Ultraschall auch wieder? – vor einem Jahr sah die noch ausbaufähig aus.
Aufschnaiter: Da haben Sie völlig Recht. Vor einem Jahr lagen wir zur Jahresmitte operativ bei minus 0,3 Mio. EUR, jetzt zum Halbjahresstichtag dagegen bei rund plus 3 Mio. EUR. Das war aber in der Auftragslage auch so abzusehen, da wir eine deutlich bessere Preisqualität umsetzen konnten.

BondGuide: Aufträge, die aktuell reinkommen, werden im nächsten Jahr abgearbeitet – so hatten Sie mir im Mai erklärt. Ist die Warteschlange immer noch so lang oder schließt die MS Industrie mittlerweile auf?
Aufschnaiter: Ich bin fast schon erleichtert, dass sich die Auftragseingänge im Bereich Ultraschall inzwischen soweit eingependelt haben, dass wir nicht mehr dermaßen absurd lange Lieferzeiten für unsere Maschinen haben wie 2022. Bestimmte Aufträge – also auch solche, die wir uns gerne gewünscht hätten – konnten wir gar nicht mehr annehmen bzw. haben diese Aufträge wegen unserer Lieferzeiten nicht erhalten. Der Auftragsbestand im Halbjahresvergleich ist derzeit nur ungefähr 1% über Vorjahr – aber das ist viel gesünder als zuvor. Wir liegen jetzt wieder bei ca. sechs bis neun Monaten Lieferzeit, sowohl in den USA wie auch hier. Das ist für den High-End-Bereich im Spezialmaschinenbau ein guter Wert.

„Auf jeden Fall wird es ein sehr, sehr gutes Jahr für die MS Industrie.“

BondGuide: Als Sie neulich das Umsatzziel von 245 Mio. EUR im Gesamtjahr ausgaben, haben Sie doch offenbar schon etwas tiefer gestapelt als erforderlich, oder? Es waren doch zur Jahresmitte schon über 130 Mio. EUR und der Auftragsbestand ist unverändert hoch.
Aufschnaiter: Auf jeden Fall wird es ein sehr, sehr gutes Jahr für die MS Industrie. Wahrscheinlich schlagen wir unsere konservative Prognose. Die vergangenen drei Jahre haben aber gelehrt, dass alles Denkbare passieren kann und sogar einiges Undenkbare.

BondGuide: Hätten Sie denn Möglichkeiten, die Produktion weiter hochzufahren?
Aufschnaiter: An Quadratmetern in unseren Ultraschall-Werken mangelt es jedenfalls nicht, weder hier in Spaichingen noch in den USA. Aber die Lieferzeiten sollten die eben beschriebenen sechs bis neun Monate nicht überschreiten. Dafür muss man den Kunden managen, natürlich stets mit Fingerspitzengefühl. Die Spezifikationen für eine neue Produktionslinie müssen möglichst präzise sein und möglichst frühzeitig kommuniziert werden. Optimierungsmöglichkeiten im regulären Betrieb liegen mehr in der Organisation, an der Schnittstelle zum Kunden, sodass alles von der Detailskizze bis zur Anlieferung der Zukaufsteile zum Startpunkt vorliegt und es keine Verzögerungen bei der Endmontage gibt.

„Für uns ist nicht die Stückzahl eines Modells entscheidend, sondern die Modellanzahl.“

Standort Ettlingen der MS Industrie

BondGuide: Apropos Kunden: Derzeit haben wir in Deutschland eine sogenannte ‚technische Rezession‘, was ich mal mit ‚unsichtbar‘ übersetzen möchte. Wie geht es den Kunden der MS Industrie?
Aufschnaiter: In der Automobilindustrie läuft das Premiumsegment noch recht gut, aber die Gesamtzahl ausgelieferter Fahrzeuge hat doch etwas Sand im Getriebe. Für uns jedoch ist nicht die Stückzahl eines Modells entscheidend, sondern die Modellanzahl. Deswegen lautet die entscheidende Frage für uns: Wann kommen neue Modelle in den Markt? Und hierbei findet ja gerade bei der Umstellung von Verbrennern auf Elektro eine große Erneuerungswelle statt. Wir haben bis ca. 2028 schon einen recht konkreten ‚Schlachtplan‘ für die kommende Modellvielfalt vorliegen. Von diesen ganzen vorgesehenen Releases und Facelifts unserer Automobilkunden kann man dann gut rückwärts rechnen, wann wer an uns herantritt. Und gibt es erst einmal ein neues Modell, beispielsweise ein neues Elektroauto der Marke X, folgen kurz darauf die ganzen Spielarten wie Sportversion, Cabrio, Variant oder was auch immer.

„Interessant ist stets, wenn einer unserer Kunden einen neuen Standort aufbaut, so wie Tesla in Brandenburg.“

BondGuide: Ich sehe: Sie sind ebenfalls regelmäßiger Leser der Auto-BILD. Welchen Auftrag im Bereich neuer Fahrzeuge, egal welcher Marke, wünschen Sie sich für die MS Industrie?
Aufschnaiter: Sehr interessant finde ich aktuell den Tesla-Wettbewerber Fisker. Von dort haben wir auch schon einen Auftrag erhalten. Der Fisker Ocean hat eine rein elektrische Reichweite von ca. 700 km. Das könnte für die Akzeptanz von Elektroautos ein echter Game Changer werden. Interessant ist stets, wenn einer unserer Kunden einen neuen Standort aufbaut, so wie Tesla in Brandenburg. Das sind dankbare Aufträge, denn die Maschinen, die dann auch dort benötigt wurden, hatten wir ja schon einmal für das Tesla-Werk in den USA produziert.

BondGuide: Gibt es auch etwas, das Ihnen momentan Kopfzerbrechen bereitet?
Aufschnaiter: Die Finanzierung unseres Wachstums in punkto Betriebsmittel ist seit jeher eine Herausforderung, Stichwort: Working Capital und Capex. Die Banken sind dermaßen restriktiv, zurückhaltend und tun sich schwer, unsere Marktnischen und Marktposition einzuschätzen. Die Marktfolgeabteilungen der Banken sollen uns teilweise nicht einmal besuchen und sich vor Ort umsehen, da dies einen potenziellen Interessenkonflikt darstellen könnte. Kurz gesagt: Sie sind manchmal zu weit entfernt, um uns sachgerecht beurteilen zu können – von Banken haben wir mit Ausnahme eines KfW-Kredits aus dem Covid-Programm seit drei Jahren keine einzige Langfristfinanzierung mehr erhalten. Zum Glück haben wir mit unserer kürzlichen Anleihe weitere Optionen ins Spiel bringen können.

BondGuide: Die Regierungs-Ampel hatte doch aber vollmundig angekündigt, wie wichtig es sei, dem Mittelstand unter ihre produktiven Arme zu greifen – etwa nicht?
Aufschnaiter: Unsere Schnittstelle zu diesen Programmen sind die Banken. Und die sind selbst so eingeschränkt in ihrem Spielraum, dass sich niemand mehr etwas traut. Mit der Anleihe und dem Auftritt am Kapitalmarkt holen und bewahren wir uns einen Teil Eigenständigkeit.

BondGuide: Das Volumen der Anleihe von Oktober 2022 ist ja längst nicht ausgeschöpft. Nochmal eine neue Charmeoffensive also?
Aufschnaiter: Wir nehmen einen weiteren Anlauf. Wunschvolumen für uns wären ca. 10 Mio. EUR, für die wir sofortige Verwendung hätten. Für die Anlegersicht ist wichtig nochmals zu erwähnen, dass unsere Immobilie in den USA in Höhe von ca. 12,7 Mio. USD für unsere Anleihe einsteht, also ca. 11 Mio. EUR. Diese Werksimmobilie ist konkret dafür gedacht, sie vor Fälligkeit der Anleihe Ende 2027 zu veräußern und mit dem Erlös den Bond zurückzuzahlen, sofern – wider Erwarten – der operative Cash Flow nicht ausreichend sein sollte.

Dr. Andreas Aufschnaiter, MS Industrie AG

Dr. Andreas Aufschnaiter, MS Industrie AG

BondGuide: Abschlussfrage: Die Bundeswehr hat doch ein Sondervermögen, also Sonderschulden, von 100 Mrd. EUR ausgelobt erhalten. Kommen Sie an diesen Jackpot irgendwie nahe genug heran? Traditionell lässt sich die Bundeswehrlogistik gern nach Strich und Faden ausnehmen.
Aufschnaiter: Indirekt – über unsere Kunden. Wir selbst sind nicht spezialisiert auf die komplizierten Ausschreibungsprozesse öffentlicher Auftraggeber. LKW-Hersteller etc. werden höchstwahrscheinlich etwas für die Bundeswehr liefern, und z.B. MAN bestellt dann bei uns diese und jene Teile für ihre Nutzfahrzeuge.

BondGuide: Herr Dr. Aufschnaiter, es war wie stets ein Vergnügen, mit Ihnen über den Status-quo und die Zukunft zu sprechen!

Interview: Falko Bozicevic

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