MS-Industrie: „Stabilität und Planbarkeit für die nächsten Jahre“

BondGuide im Gespräch mit CEO Dr. Andreas Aufschnaiter von der MS Industrie, die im Herbst 2022 eine Anleihe emittierte. Nicht nur, aber auch: Als Konsens bleibt ein Upgrade unserer Bewertung der Emission.

BondGuide: Herr Dr. Aufschnaiter, vor wenigen Tagen kamen die neuen Geschäftszahlen für 2022. Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Die waren ordentlich. Wie gut waren Sie aus Sicht des Vorstands und stimmt die Tendenz für 2023? – immerhin ist ja schon 1/3 des Jahres ins Land gezogen.
Aufschnaiter: Mit dem gesamten Jahr 2022 können wir sehr zufrieden sein. Die Auflösung der Lieferkettenproblematiken kam Ende des Jahres noch hinzu und wird sich sicherlich in den Zahlen für das aktuelle Jahr niederschlagen. Im Bereich Antriebsstränge sind wir teilweise einziger Zulieferer bei unseren Systempartnern. Ein Schlüssel unseres Erfolgs war, dass wir Kostensteigerungen, die wir notwendigerweise an sie weitergeben mussten, dies auch tun konnten, da wir stets den offenen Dialog gesucht hatten. Die Produktvielfalt im Automobilbau hat nach Corona doch wieder deutlich zugenommen, was zu diversen neuen Auftragseingängen in letzter Zeit geführt hat.

BondGuide: Unter dem Strich hätte die MS Industrie noch mehr umsetzen können, wäre da nicht die Sache mit besagten Lieferketten und mangelnden Verfügbarkeiten gewesen – so jedenfalls interpretiere ich die Adhoc zu den 2022er Zahlen.
Aufschnaiter: Das ist richtig: Wir haben 2022 nicht so viel aus unseren Werkshallen herausbekommen, wie die Nachfrage speziell gegen Ende des Jahres hergegeben hätte. Einiges hat sich damit ins Jahr 2023 verschoben. Dieser Buckel im Nachlauf wird bis ca. Mitte des Jahres abgearbeitet sein. Inzwischen haben sich unsere Kunden jedoch auch auf das neue Normal eingestellt, und das heißt, dass man heute etwas bestellen muss, das man erst im Folgejahr benötigt. Unsere Kapazitäten für 2023 sind praktisch durchgeplant, neue Aufträge betreffen allesamt das Jahr 2024 und sogar noch später bei ihrer Abarbeitung.

BondGuide: Es heißt ja, als Zulieferer für die Big Player in der Automobilindustrie sei man mehr oder minder ‚der Knecht‘, d.h. man hängt am Tropf derjenigen, die die Ansage machen. Stimmt das denn und wie steht es da mit der MS Industrie?
Aufschnaiter: Prinzipiell ja. Aber mit Einschränkungen, die wir in den vergangenen Jahren zu spüren bekamen. Wer austauschbar ist, hat keine gute Verhandlungsposition. Als Single-Source-Anbieter sind wir mehr geschützt als andere. Zugleich haben die Auftraggeber erkannt, dass man seine Zulieferer und damit seine Lieferketten manchmal auch etwas hegen und pflegen muss, wenn Räder nicht stillstehen sollen. Mit einem deutschen LKW-Großkunden beispielsweise haben wir bereits jetzt bis 2031, verlängerbar bis 2035, langfristige Verträge. Das war in beiderseitigem Interesse. Man darf auch nicht vergessen, dass es mitunter fünf Jahre oder mehr braucht, bis man bei solch einem Auftraggeber über alle Stufen als Zulieferer validiert ist. Neue Adressen werden also nicht ganz so einfach den Markt aufmischen. Eine Marktbereinigung hat parallel schon stattgefunden.

BondGuide: Nun betonen Sie ja häufiger, wie mir natürlich auffiel, den Bereich Ultraschall-Schweißtechnik für die MS Industrie. Der sei im Kommen. Als Laie kann ich mir nicht sonderlich viel Bedeutendes darunter vorstellen… Wie sieht da Ihr Plan aus?
Aufschnaiter: Die MSI ist in ihrem Maschinenbau-Metier Anbieter von Produkten aus dem Sondermaschinenbau. Jedes neue Auto, jede neue Produktlinie, jedes Facelift benötigt Sonderteile. Die machen 80% im Bereich Ultraschalltechnik aus. Denken Sie aber nicht nur an Automobilteile: In den vergangenen Jahren kamen schon viele Aufträge im Bereich Hygiene- und Medizintechnikartikel, also dort, wo Fließstoffe aus Kunststoff zusammengeschweißt werden müssen. Allerdings stehen wir hier in Konkurrenz mit dem Platzhirschen Herrmann, das muss fairerweise gesagt werden. Nichtsdestotrotz, wir möchten das eine – mehr – tun als bisher, das andere aber nicht lassen, um einen gesunden Mix aus Auftraggeberbranchen zu haben. Unsere herausgehobene Stellung bei den Premium-Automobilmarken werden wir keineswegs aufgeben, aber uns insgesamt breiter diversifizieren.

BondGuide: Nun waren die vergangenen drei Jahre von diversen Sonderfaktoren gekennzeichnet: Pandemie, Angriffskrieg auf die Ukraine, Lieferkettenstörungen, Erhöhung der Finanzierungskosten, Capex. Was aus diesem Köcher machte bzw. macht Ihnen am Ehesten zu schaffen?
Aufschnaiter: Unser Capex, also die Vorfinanzierung dessen, was wir machen, ist zweifellos hoch. Die Rendite auf das eingesetzte Kapital wird mithin zunehmend geringer, je mehr wir unsere Bilanzsumme ausweiten. Insofern haben wir die neue Anleihe, die wir Ende 2022 emittiert hatten, schon liebgewonnen. Ferner wird häufig die Abhängigkeit von größeren Kunden wie Daimler Trucks oder Traton genannt in unserem Zusammenhang. Dazu muss man aber wissen, dass der Nachholbedarf aus den vergangenen Jahren dermaßen groß ist, dass wenn wir diesen Erneuerungszyklus in der Lkw-Branche abgearbeitet haben werden, längst ein ganz neuer Zyklus angelaufen sein wird, der ca. fünf bis sieben Jahr dauern wird traditionell. Und rufen Sie sich mal die Prognose der Bundesregierung in Erinnerung: Steigerung des Güterverkehrs auf der Straße bis 2050 um 300% – nicht etwa der Personenverkehr ist der Grund, warum Autobahnen im Ausbau gefördert werden, sondern der Güterverkehr. Natürlich wird auch viel in der letzten Meile stattfinden, aber für den Schwerlastverkehr mit den dafür notwendigen Verbrennern bleibt sehr, sehr viel übrig. Im Bereich Abhängigkeit von der Lkw-Branche mache ich mir überhaupt gar keine Sorgen welcher Art auch immer.

BondGuide: Ich dachte, der Lastverkehr auf der Straße läuft künftig elektrisch mit Hilfe von Brennstoffzellen. Etwa nicht?!
Aufschnaiter: Das bezweifele ich doch sehr stark. An starken Steigungen wie in den Alpen reicht die Leistung nicht. Bei einem Lkw kalkuliert man mit rund 1,5 Mio. km Laufleistung des Motors. Wenn Brennstoffzellen nur einen Teil des erwarteten Lkw-Lebenszyklus abdecken, ist das eine Sackgasse. Letzte Meile wie bei Auslieferungen und Zustellungen: ja; Schwerlastverkehr: sehe ich nicht, bzw. wenn, dann im Wege der sogenannten ‚Warmverbrennung‘ von Wasserstoff mit leicht angepassten, klassischen Motorenkonzepten.

BondGuide: Warum nun 20 Mio. EUR bei der Anleihe MS Industrie 2022/27 – wie weit kommt eine MS Industrie denn mit dieser im Vergleich zur Bilanzsumme geringen Größe?
Aufschnaiter: Wir sind guter Dinge. Wenn Ende Mai die Zahlen für das erste Quartal kommen, werden wir eine neue Finanzierungsrunde zur Füllung des veranschlagten Volumens starten. Wir sind in den vergangenen Jahren zu kurzfristig bei Kreditlinien einerseits und Finanzierungen andererseits geworden, der Fachmann spricht hier von nicht ‚fristenkongruent‘. Es passt nicht, wenn wir eine Auftragslinie für schwere Lkw bis 2031 fest in den Auftragsbüchern haben, andererseits jedoch jährliche Kreditlinien bei Banken zurückführen müssen, um wiederum neue zu erhalten. Eine Anleihe bringt uns Stabilität und Planbarkeit für die nächsten jetzt noch 4 ½ Jahre.

BondGuide: Und die Rückzahlung im Jahr 2027?
Aufschnaiter: Wir haben in den USA eine schuldenfreie Immobilie mit einem Marktwert von 12,7 Mio. USD zum Stichtag der Bestandsaufnahme. Die ist, und zwar ausschließlich, zur Rückführung der aktuellen Anleihe im Jahr 2027 reserviert. Im Jahre 2026 enden die Sonderkonditionen für unseren Mieter, die Bestandteil des Übernahmevertrags waren, und unser Ertrag springt auf ein deutlich höheres Marktniveau. Dann verkaufen wir das Objekt entweder auf dem freien Markt oder eher wahrscheinlich an unseren Mieter, der sicherlich nicht so gern mit seinen 120 CNC-Fräsmaschinen umzuziehen gedenkt.

BondGuide: Wie gut können Sie mit dem Kupon von 6,25% für die Anleihe leben?
Aufschnaiter: Angesichts unserer Auftragslage und unserer Position im Markt wären das Ende 2019 wohl 4,25% gewesen. Einige Emittenten müssen aktuell 7, 8 oder noch mehr Prozent zahlen, was in Richtung Mezzanine-Finanzierung geht. Und Planbarkeit: Fragezeichen, bei einer Auftragsreichweite ein Jahr oder so. Da muss man also auch die richtigen Unternehmen in der Peer Group vergleichen. Insofern waren wir spät dran, aber stehen gleichwohl weit besser da als viele, viele andere. Vor diesem Hintergrund sehen wir den Kupon als fair sowohl für uns als auch für unsere Investoren.

Dr. Andreas Aufschnaiter, MS Industrie AG

BondGuide: Herr Aufschnaiter, schade, dass wir uns länger nicht direkt gesprochen hatten, sonst hätten wir das mit der Immobilie in den USA wohl verstanden und einen halben Stern mehr[1] bei unserer Einschätzung zur Emission vergeben müssen – danke für Ihre Zeit und wie gewohnt erhellenden Erläuterungen!

Interview: Falko Bozicevic

——————————

Schon unsere brandneue Jahresausgabe ‚Anleihen 2022‘ (11. Jg., Erscheinungstermin Dez 2022) gesehen?

Die Ausgabe 3/2022 Biotechnologie 2022 der Plattform Life Sciences ist erschienen. Die Ausgabe kann bequem als e-Magazin oder pdf durchgeblättert oder heruntergeladen werden.

Bitte nutzen Sie für Fragen und Meinungen Twitter – damit die gesamte Community davon profitiert. Verfolgen Sie alle Diskussionen & News zeitnaher auf 
Twitter@bondguide !

[1] Inzwischen angepasst nach unserem Interview