Law Corner: ARUG II: Neuregelungen zur Aktionärsidentifikation und zum Informationsaustausch mit den Aktionären jetzt anwendbar!

Dr. Lutz Pospiech (li), Tobias Reichenberger, RAs, GÖRG

Wesentliche Bestandteile des am 1.1.2020 in Kraft getretenen Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) sind ab dem 3.9.2020 anzuwenden und gelten erstmals für Hauptversammlungen, die nach dem 3.9.2020 einberufen werden. Dies gilt insbesondere für die umfangreichen Neuregelungen für börsennotierte Gesellschaften zur Identifikation und Information ihrer Aktionäre (§§ 67a ff. AktG) – von Dr. Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, und Tobias Reichenberger, Associate, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München

Identifikation von Aktionären (Know your Shareholder)

Durch das ARUG II sind Emittenten ab dem 3.9.2020 berechtigt, Informationen bei Intermediären innerhalb des EWR einzufordern. Hierzu wird der Gesellschaft ein Informationsanspruch gegenüber Intermediären gewährt (§ 67d AktG). Vergleichbare Regelungen waren dem deutschen Recht bereits für Namensaktien bekannt (vgl. § 67 I 2, IV AktG), für Inhaberaktien sind sie jedoch neu. Diese gesetzliche Neuregelung macht erstmals die Identifikation aller Aktionäre möglich, die im EWR ansässig sind oder ihr Depot bei einem Intermediär innerhalb des EWR führen. Ein Intermediär ist dabei eine Person, die Dienstleistungen der Verwahrung oder der Verwaltung von Wertpapieren oder der Führung von Depotkonten für Aktionäre erbringt (z.B. Kreditinstitute oder Zentralverwahrer). Der Informationsanspruch gegenüber dem tatsächlich die Aktien verwahrenden Letztintermediär umfasst Angaben zur Person des Aktionärs (Name, Postanschrift, elektronische Adresse) und Angaben zu den gehaltenen Aktien (Aktienzahl, Art und Beginn der Beteiligung).

Zudem hat die Gesellschaft gegenüber den übrigen Intermediären einen Auskunftsanspruch hinsichtlich des jeweils nächsten Intermediärs. Diese sind verpflichtet, das Informationsverlangen unverzüglich an den jeweils nächsten Intermediär weiterzuleiten, bis in der Intermediärskette der Letztintermediär erreicht ist. Für die Umsetzung der Aktionärsidentifikation haben derzeit bereits der Bundesanzeiger-Verlag und auch der WM-Datenservice jeweils eine Plattform eingerichtet.

Informationsaustausch mit den Aktionären

§ 67b AktG verpflichtet die Letztintermediäre, die Informationen über Unternehmensereignisse erlangt haben, diese an den Aktionär weiterzuleiten. Umgekehrt regelt § 67c AktG die Informationsübermittlung vom Aktionär zur Gesellschaft. So hat der Letztintermediär die vom Aktionär erhaltenen Informationen über die Ausübung seiner Rechte entweder direkt an die Gesellschaft oder den nächsten Intermediär in der Kette zu übermitteln. Hierzu kann der Aktionär auch Anweisungen erteilen. Die Pflicht zur Übermittlung an die Gesellschaft erstreckt sich auch auf den Nachweis des Anteilsbesitzes.

Zudem ist ab dem 3.9.2020 zusätzlich zur Veröffentlichung im Bundesanzeiger der Versand einer Mitteilung über wesentliche gesellschaftsrechtliche Maßnahmen – Einberufung einer HV (§ 125 I AktG), Bekanntgabe des Ausgabebetrags bei Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§ 186 I 2 AktG) und Aufforderung an die Aktionäre bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 214 I 1 AktG) – gesetzlich vorgeschrieben. Auch bezüglich dieser Mitteilungen besteht die Pflicht der Intermediäre zur Weiterleitung an die Aktionäre, es sei denn, dem Intermediär ist bekannt, dass der Aktionär sie von anderer Seite erhält.

Fazit
Die Übergangsvorschriften zur Umsetzung des ARUG II waren an sich so gewählt, dass wesentliche Regelungen erst nach Ablauf der HV-Saison 2020 anzuwenden sind, um den Gesellschaften einen Vorlauf zu gewähren, die Neuregelungen bis zur jeweiligen HV 2021 umzusetzen. Diejenigen börsennotierten Gesellschaften, die ihre diesjährige HV aufgrund der COVID-19-Pandemie verschoben haben und die entsprechenden HV-Einladungen erst nach dem 3.9.2020 veröffentlichen werden, müssen indes schon für ihre HV 2020 die umfangreichen Neuregelungen für die Aktionärsidentifikation, die Veröffentlichung von Unternehmensereignissen und auch für das Einberufungs- und Anmeldeprozedere für Hauptversammlungen vollständig berücksichtigen.

Ursprünglich aus BondGuide #18-2020 / Law Corner