Nachhaltige Unternehmensführung und faire Geschäftspraktiken im Sinne der CSRD

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Law Corner von Meike Dresler-Lenz, Rechtsanwältin, Senior Associate, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Dies gilt insbesondere für die Corporate Sustainability Reporting Directive („CSRD“), die nach und nach einen wachsenden Kreis von Unternehmen (vgl. dazu, welche Unternehmen wann betroffen sind, den BondGuide Beitrag der Autorin vom 13. Februar 2023 gemeinsam mit Christopher Görtz) dazu verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht nach EU-weit einheitlichen Standards („ESRS“) zu erstellen.

Obwohl sie rein rechtlich nur Berichts- und keine Handlungspflichten enthalten, liegen der CSRD und den ESRS sehr konkrete Vorstellungen über die Prozessabläufe zur Erstellung des Berichts und zur Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie zugrunde. Naheliegend wäre, dass man Einzelheiten dazu in dem Standard ESRS G1 findet, der die Unternehmensführung betrifft. Tatsächlich sind die wichtigsten für die Unternehmensführung relevanten Details jedoch nicht dort, sondern in den übergreifenden Standards ESRS 1 und 2 geregelt.

Wer die Pflichtinhalte des Nachhaltigkeitsberichts, der künftig Teil des Lageberichts sein wird, für den Abschlussprüfer nachvollziehbar aufbereiten will, muss sich inhaltlich damit auseinandersetzen und dem Prüfer gegenüber begründen können, warum etwas, worüber nicht berichtet wird, nicht wesentlich ist. Hieraus und aus den allgemeinen Anforderungen der übergreifenden Standards an die Berichterstattung ergibt sich indirekt folgender Prozessablauf für die nachhaltigkeitsbezogene Due Diligence und Wesentlichkeitsanalyse als Grundlage für den Nachhaltigkeitsbericht und die Nachhaltigkeitsstrategie:

  1. Identifizierung aller Personen, die das Unternehmen beeinflussen oder von ihm beeinflusst werden können („Stakeholder“). Das sind z.B. Anteilseigner, Mitarbeitende, Kunden, Lieferanten, Nachbarn, Branchenorganisationen, Kapitalgeber, Versicherungen oder Behörden.

 

  1. Ermittlung der für das jeweilige Unternehmen und seine gesamte Wertschöpfungskette potenziell relevanten Nachhaltigkeitsaspekte auf Basis der in den themenspezifischen ESRS aufgeführten möglichen Berichtsgegenstände. Hierbei sind die zuvor identifizierten Stakeholder und deren Aspekte einzubeziehen, z.B. durch Online-Befragungen von Kunden, Interviews mit Lieferanten oder Workshops.

 

  1. Bewertung der Wesentlichkeit der ermittelten Aspekte anhand der (potenziellen) positiven und negativen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf Mensch und Umwelt sowie der ökologischen und sozialen Umweltfaktoren auf die finanzielle Lage des Unternehmens („doppelte Wesentlichkeit”). Über Aspekte, die aus mindestens einer der beiden Perspektiven wesentlich sind, muss berichtet werden.

 

  1. Formulierung messbarer Ziele zur Optimierung der wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekte einschließlich der jeweiligen Messgrößen und des Zeithorizonts.

 

  1. Festlegung konkreter Maßnahmen und Zwischenschritte zur Zielerreichung und eines Verfahrens zur Kontrolle des Projektfortschritts. Die Summe der Ziele und Projekte ist die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens.

Neben der erstmaligen Durchführung von Schritt 2 bis 5 sind auch Verfahren und Zuständigkeiten zur laufenden Ermittlung und Bewertung wesentlicher Nachhaltigkeitsaspekte und zur entsprechenden Anpassung der Nachhaltigkeitsstrategie festzulegen.

Zu berichten ist nicht nur über das Ergebnis des Prozesses, sondern – unabhängig von einer Wesentlichkeitsbewertung – auch über den Prozess an sich sowie über die entsprechenden Verantwortlichkeiten, insbesondere über die Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane und ihrer einzelnen Mitglieder in diesem Zusammenhang bis hin zu der Frage, wie die Gremien über Nachhaltigkeitsaspekte informiert werden und welche Nachhaltigkeitsthemen sie im Berichtszeitraum mit welchem Ergebnis behandelt haben. Darüber hinaus muss über die Zusammensetzung (einschließlich Unabhängigkeit und Diversität) und das Kompetenzprofil der Organe in Bezug auf die konkreten Nachhaltigkeitsthemen des Unternehmens sowie über die Relevanz von Nachhaltigkeitsleistungen in den variablen Vergütungssystemen der Organmitglieder berichtet werden.

Der ESRS G1 hebt zusätzlich folgende Einzelaspekte der Unternehmensführung hervor, über die zu berichten ist, wenn sie wesentlich sind:

  • Unternehmensethik und -kultur, insbesondere im Hinblick auf die Bekämpfung von Korruption und Bestechung, den Schutz von Hinweisgebern (Whistleblowern) und den Tierschutz,
  • die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Kriterien bei der Auswahl von Zulieferern,
  • faires Verhalten gegenüber Lieferanten, insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen, einschließlich des Zahlungsverhaltens, das unter anderem die durchschnittliche Dauer bis zur Begleichung einer Rechnung und die Zahl der anhängigen Gerichtsverfahren wegen Zahlungsverzugs umfasst,
  • Lobbyismus.


Zu diesen Themen empfiehlt es sich, frühzeitig entsprechende Richtlinien für das Unternehmen zu entwickeln.

Meike Dresler-Lenz, RAin, Heuking

Fazit
Die wesentliche Arbeit für einen überzeugenden Nachhaltigkeitsbericht und einen entsprechenden Reputationsgewinn ist nicht erst bei der Berichterstattung zu leisten, sondern bereits vor Beginn des ersten Berichtsjahres. Denn dann sollten die entsprechenden Richtlinien, Prozessabläufe und Governance-Strukturen bereits etabliert sein. Im Idealfall zahlt sich der Aufwand auch unmittelbar wirtschaftlich aus, z.B. durch im Ergebnis material- und energieeffizientere und damit kostengünstigere Prozesse und überzeugende Argumente für die Erschließung „grüner“ Finanzierungsquellen, wie z.B. Green Bonds.