ESG-Ratings sollen transparenter werden

Durch eine stärkere Regulierung sollen ESG-Ratings insbesondere transparenter, verlässlicher und vergleichbarer werden. Von Dr. Anne de Boer*

–> aus BondGuide 04-2024 vom 23. Feb. 2024

Der Rat und das Parlament der EU haben sich Anfang Februar 2024 (vorläufig) auf einen Entwurf für eine Verordnung zu ESG-Ratings geeinigt. Der Entwurf geht zurück auf einen Vorschlag der EU-Kommission aus dem Jahr 2023 und ist Teil der Sustainable Finance Strategie der EU. Durch eine stärkere Regulierung sollen ESG-Ratings insbesondere transparenter, verlässlicher und vergleichbarer werden.

Da der Finanzbereich sich zunehmend auf Green bzw. Sustainable Finance konzentriert, nehmen auch im Finanzierungsbereich, jedoch nicht nur in diesem, die ESG-Ratings erheblich zu. ESG und ESG-Ratings sind inzwischen eine wichtige Grundlage für Entscheidungen, ob Finanzierungen gewährt und Investitionen getätigt werden. Es ist daher wichtig, dass ESG-Ratings fundierte Entscheidungsgrundlagen bieten können. Bislang gab es aber keine einheitlichen Grundlagen, geschweige denn Transparenz bei solchen Ratings, insbesondere bei der Methodik und Schwerpunktsetzung.

ESG-Ratings bewerten in der Regel das Nachhaltigkeitsprofil eines Unternehmens oder eines Finanzinstruments. Nach dem Vorschlag der EU-Verordnung beziehen sich die Bewertungen auf Aspekte, Risiken oder Auswirkungen in Bezug auf Umwelt, Soziales, Menschenrechte und Unternehmensführung.

Allerdings stellt der aktuelle Entwurf der Verordnung klar, dass bestimmte Aktivitäten keine ESG-Ratings sind und daher nicht vom Anwendungsbereich erfasst werden. Außerhalb der Anwendung sollen die reine Veröffentlichung oder Verbreitung von Daten über Umwelt-, Sozial-, Menschenrechts- und Governance-Faktoren sein. Ebenso fallen nicht darunter reine externe Überprüfungen von EU Green Bonds und Second-Party-Stellungnahmen zu grünen Anleihen, Anleihen, die als ökologisch nachhaltig vermarktet werden, und andere nachhaltigkeitsgebundenen Finanzierungen. Solche externen Überprüfungen umfassen Berichte vor der Emission, wie z.B. Rahmenwerke sowie Allokationsberichte und Wirkungsberichte nach der Emission. Dies setzt voraus, dass diese nicht um ESG-Ratings ergänzt werden.

Die Verordnung sieht schwerpunktmäßig vor, dass die ESG-Ratingagenturen ihre Methodik und ihre Informationsquellen offenlegen. Eine Harmonisierung der Ratingmethoden erfolgt dabei nicht.

Zulassung und Überwachung

ESG-Ratingagenturen, die in der EU niedergelassen sind, müssen über eine Zulassung durch die ESMA verfügen und werden von dieser überwacht. ESG-Ratingagenturen, die außerhalb der EU niedergelassen sind, benötigen verkürzt wiedergegeben entweder einen Gleichwertigkeitsbeschluss, eine Zulassung der Übernahme des ESG-Ratings durch eine in der EU zugelassenen ESG-Ratingagentur innerhalb eines Konzerns oder eine Anerkennung durch die ESMA. Ebenso sind vereinfachte, übergangsweise Regelungen für kleine Ratingagenturen vorgesehen.

Für die Zulassung müssen die ESG-Ratingagenturen Transparenzanforderungen erfüllen. Diese beziehen sich u.a. auf die für das Rating verwendeten Verfahren und Methoden und ob sie planen, Methoden zu verwenden, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, und die Ziele des Pariser Abkommens oder anderer einschlägiger internationaler Vereinbarungen zu berücksichtigen. Ebenso sind Verfahren und Richtlinien zu benennen, um Interessenkonflikte zu identifizieren, offenzulegen und mit diesen umzugehen.

Vermeidung von Interessenkonflikten

Weiterhin sind Regelung vorgesehen, um Interessenkonflikte zu vermeiden, indem ESG-Ratingtätigkeiten von anderen Tätigkeiten wie Beratung und Rechnungsprüfung zu trennen sind. Dies bedeutet nicht zwingend getrennte Unternehmen, sofern intern ausreichende Maßnahmen zur Vermeidung von potentiellen Interessenkonflikten vorgesehen sind.

Transparenzanforderungen

ESG-Ratingsagenturen sollen die Unabhängigkeit ihrer ESG-Ratings sowie die Umsetzung sämtlicher Anforderungen der EU-Verordnung sicherstellen. Sie müssen gewährleisten, dass die ESG-Ratings auf einer gründlichen Analyse aller verfügbaren Informationen und im Einklang mit ihren Rating-Methoden erfolgen. Die ESG-Ratings sollen systematisch, unabhängig und begründbar sein und die Ratingmethoden kontinuierlich und auf transparente Weise angewendet werden. Die Ratingmethoden sollen auch kontinuierlich, zumindest jährlich überprüft werden.

ESG-Ratings sollen transparenter werden

Zudem werden Verfahrensregeln aufgestellt, nach denen der Entwurf des Ratings zumindest zwei Arbeitstage vor dessen Veröffentlichung dem Emittenten mitgeteilt wird, um Fehler noch korrigieren zu können. Dabei bestehen auch Offenlegungspflichten der Ratingagentur.

Veröffentlichung auf der Webseite und dem ESAP

Die zugelassenen ESG-Ratingagenturen und bestimmte Transparenzanforderungen sind auch auf dem einzurichtenden European Single Access Point (ESAP) zu veröffentlichen. Die ESG-Ratingagenturen haben auch einen Überblick über die verwendeten Ratingmethoden zu veröffentlichen sowie, ob ihre Analysen rückblickend oder vorausschauend sind und welchen Zeithorizont sie abdecken. Sie haben weiterhin eine Übersicht der Datenquellen anzugeben.

Dr. Anne de Boer, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Dr. Anne de Boer, Heuking

Ebenso sind definierte Ziele, ob es sich um ein aggregiertes oder einzelnes Rating in Bezug auf E, S und G handelt und im Fall eines aggregierten Ratings, deren Gewichtung, sowie inwieweit das Pariser Abkommen und andere relevante internationale Verträge berücksichtigt werden, anzugeben.

Fortgang

Der Entwurf muss noch vom EU-Rat und dem EU-Parlament gebilligt werden. Die Verordnung soll 18 Monate nach ihrem Inkrafttreten angewendet werden, also frühestens im Jahr 2026.

*) Dr. Anne de Boer ist Partnerin bei Heuking Kühn Lüer Wojtek, Stuttgart

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