„Die Ausfallraten steigen“

Die Coronavirus-Krise hat die Finanzwelt durcheinandergewirbelt und stellt Fondsmanager vor große Herausforderungen. Paolo Bernardelli, Head of Fixed Income & FX bei Eurizon, im Gespräch.

Bernardelli bescheinigt der EZB und anderen Notenbanken, einen guten Job zu machen. Sobald deren Maßnahmen greifen und die wirtschaftliche Erholung einsetzt, erachtet er Unternehmensanleihen als die größten Profiteure. Sein eigener Bestand an Unternehmensanleihen setzt sich inzwischen überwiegend aus Green Bonds zusammen. Daneben präferiert er inflationsindexierte Anleihen, da die Teuerungsraten zunehmen dürften. Das EU-Konjunkturprogramm „Next Generation EU“ schließlich begrüßt er ausdrücklich, weil dies ein wichtiger Schritt in Richtung eines neuen Europas sei.

Herr Bernardelli, wie hat sich die Coronavirus-Krise auf das Anlagesegment europäischer Anleihen ausgewirkt?
Bernardelli:
Was in der ersten Jahreshälfte geschah, wird uns für immer in Erinnerung bleiben. Die verheerenden Folgen der Coronavirus-Pandemie, die vor allem mit den von vielen Ländern beschlossenen Einschränkungen zusammenhängen, oder mit der fehlenden oder verzögerten Umsetzung solcher Maßnahmen, lassen sich jetzt an den globalen Wirtschaftsdaten ablesen. Weltweit ist es für das Geschäftsklima steil nach unten gegangen, die Zahlen von Arbeitslosen und Subventionsanträgen haben in den Industrie- und Schwellenländern neue Höchststände erreicht, und auch die Daten zur BIP-Entwicklung waren in allen Ländern für das erste Quartal schrecklich und werden es wahrscheinlich auch für das zweite Quartal sein. Der extrem volatile Rohölpreis, der auf die Erhöhung des Angebots gefolgt von einer drastischen Kürzung durch die OPEC zurückzuführen war, brachte weitere Probleme mit sich. Die Reaktionen der Zentralbanken, vor allem der Federal Reserve, waren beispiellos, wobei der Liquidität der Märkte sowie der Unterstützung von Unternehmen und Familien besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde, um einen schweren Zyklus von Zahlungsausfällen zu vermeiden.

Und welche Auswirkungen hatte das auf Ihr Portfolio?
Der Epsilon Fund – Euro Bond, der im Januar 2007 aufgelegt wurde und seither von mir mit Unterstützung meiner Kollegen vom Eurizon Fixed Income Team verwaltet wird, hat das Ziel, den JP Morgan EMU GBI zu übertreffen, wobei das Risiko auf eine Tracking-Error-Volatilität von 2,5% begrenzt ist. Der Fonds begann das Jahr 2020 mit einem geringen Risiko gegenüber der Benchmark, sowohl hinsichtlich der Duration als auch der Positionierung in verschiedenen Euro-Ländern. Das Portfolio hatte ein großes Übergewicht in US-Schatzpapieren und eine Untergewichtung in Anleihen aus dem Euroraum. Bei Ländern aus der Peripherie des gemeinsamen Währungsgebiets war der Fonds untergewichtet bei portugiesischen und spanischen Anleihen, neutral bei italienischen Papieren. Unternehmensanleihen hatten wir zu Beginn des Jahres nicht im Portfolio, und die einzige Position in Spread-Papieren bestand aus chinesischen Renminbi-Anleihen. Dank dieser defensiven Allokation waren die Folgen der Turbulenzen und der Ausweitung der Spreads, die wir im Februar und März hatten, begrenzt.

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Ihr Anlageschwerpunkt liegt aber doch bei europäischen Staatsanleihen?
Wir vergessen nie, dass die Benchmark des Fonds Euro Government ist. Engagements in Nichteuropäische-Staatsanleihen gehen wir nur opportunistisch ein, wenn wir fest davon überzeugt sind, dass Positionen außerhalb der Benchmark einen hohen Wert haben. So haben wir beispielsweise von der Verringerung des Spreads zwischen US-Staatsanleihen und jenen aus dem Euroraum profitiert. Die offene Long-Position in Dollar-Anleihen haben wir mittlerweile geschlossen und in eine Inflation Break Even-Position umgewandelt.

Welche Änderungen aufgrund der Coronavirus-Krise haben Sie noch vorgenommen?
Seit März, nachdem die Bedeutung und Wirksamkeit der Reaktionen der Zentralbanken und Regierungen deutlich geworden war, haben wir begonnen, eine Position in Unternehmensanleihen aufzubauen, angefangen mit High Yield, dann mit Investment Grade und schließlich mit Green Corporate Bonds. Das Engagement in Unternehmensanleihen, direkt oder über Derivate oder andere Fonds, lag Ende Mai bei fast zehn Prozent des Portfolios. Im Juni haben wir nach einer guten Wertenwicklung mit dem Abbau dieser Position angefangen. Der Fonds weist im Vergleich zur Benchmark eine kürzere Duration auf, mit einer „Barbell“-Struktur aus Kurzläufern und extra-langlaufenden Anleihen. Hinzu kommen ein Übergewicht in inflationsindexierten Anleihen und Staatsanleihen aus der Peripherie des Euroraums sowie ein Untergewicht in Schuldtiteln aus dem Kern und dem Semi-Kern des gemeinsamen Währungsgebiets. Mit Blick auf die Währungen halten wir eine Long-Position in chinesischen Renminbi-Wertpapieren über einen hauseigenen Fonds sowie eine kleine Position in japanischen Yen aus Gründen der Risikodiversifizierung.

Was bevorzugen Sie derzeit in Bezug auf Emittenten, Ratings oder Laufzeiten und wovon würden Sie eher abraten?
Unsere Allokation in Unternehmensanleihen ist sowohl in Bezug auf das Rating als auch auf den Sektor gut diversifiziert, und die durchschnittliche Größe von Einzelwerten liegt in der Regel unter 0,05%. Das Portfolio der Unternehmensanleihen, das jetzt hauptsächlich aus „grünen Anleihen“ besteht, wird aktiv von dem Team verwaltet, das auch unseren Green-Bond-Fonds betreut – einen der größten seiner Art in Europa mit einem verwalteten Vermögen von 1,4 Mrd. EUR. Der verbleibende Teil des Engagements in Unternehmensanleihen erfolgt über spezialisierte ETFs oder Fonds. Bei Staatsanleihen bevorzugen wir liquide Emittenten, beispielsweise Deutschland unter den Ländern mit niedrigeren Renditen und Italien unter den Ländern mit höheren Renditen.

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