Das Ende der Zentralbankunabhängigkeit

Investoren müssen mit vielen Jahren der Niedrigzinspolitik rechnen und dürfen die Inflationsgefahr nicht aus den Augen verlieren – Aktien und alternative Anlagen als Lösung für Anleger. Von Tilmann Galler, J.P. Morgan Asset Management

Derzeit erleben wir weltweit die größte Fiskalexpansion seit dem Zweiten Weltkrieg. Aufgrund der hohen Staatsverschuldung und des kurzfristigen Liquiditätsbedarfs kann diese in vielen Ländern nur mit Hilfe der Notenbanken finanziert werden. Und so setzt sich mit den Maßnahmen angesichts der COVID-19-Pandemie eine Entwicklung fort, die in der Finanzkrise begonnen hat.

Der Grundsatz der strikten Unabhängigkeit der Zentralbank, die unabhängig von politischem Einfluss ihre geldpolitischen Ziele zu erreichen sucht, weicht in zunehmenden Maße der Einschätzung bei Ökonomen und Entscheidungsträgern, dass eine Koordination zwischen Fiskal- und Geldpolitik erstrebenswert ist – besonders im Krisenfall.

Damit unterwerfen sich damit die Zentralbanken de facto dem Primat der Fiskalpolitik. „Für Anleger habe dies weitreichende Folgen, da die Zentralbanken auf Jahre quasi gezwungen sein werden, die Zinsen tief zu halten.

Fehlender Anreiz, Niedrigzinspolitik zu beenden

Befürworter dieser Entwicklung der Zentralbankpolitik führen ins Felde, dass im Krisen- oder Rezessionsfall mit Hilfe von Niedrigzins und Gelddrucken auch höher verschuldete Staaten in der Lage sind, dank expansiver Fiskalpolitik negative soziale Folgen für den Arbeitsmarkt zu mindern und mit Investitionsprogrammen die wegbrechende privatwirtschaftliche Nachfrage zu kompensieren. Im Idealfall geben positive Multiplikatoreffekte und ein zügiges Überwinden der Krise den Staaten und den Zentralbanken dann die Möglichkeit, die expansive Politik in den Folgejahren zurückzufahren.

Leider funktioniert das in der Realität aus mehreren Gründen nicht. Erstens fehlt der Anreiz für eine Konsolidierungspolitik. Anleihekäufe führen zu einem Außerkraftsetzen des marktbasierten Zinses und damit zu massiven Fehlanreizen für Staat, Unternehmen und Investoren. Warum sollten politische Entscheidungsträger nach der Krise schwächeres Wachstum und ihre Wiederwahl riskieren, wenn es aufgrund der Niedrigzinspolitik keine Belohnung durch niedrigere Finanzierungskosten gibt?

Bei Unternehmen führen üppige Liquidität und anhaltend attraktive Finanzierungskosten zu risikoreicherem Verhalten und geringerer Rentabilität, während Anleger in Risikoinvestments gedrängt würden. Das führt wiederum zu einer wachsenden Instabilität im Wirtschaftssystem, was wiederum den geldpolitischen Spielraum der Notenbanken einschränke. Bisher sind alle Versuche der Notenbanken gescheitert, Leitzinsen und Bilanzen zu normalisieren. Die Notenbanken sind in der Vergangenheit den Sirenengesängen der Neo-Keynesianischen Wirtschaftspolitik erlegen und sind jetzt Gefangene ihrer eigenen Politik.