Zeitweise „Entschärfung“ des Insolvenzantragsgrunds der Überschuldung

Dr. Daniel Schmitz (li), Dr. Jakob Bünemann, GÖRG

Die Law Corner von Dr. Daniel Schmitz, Partner, Dr. Jakob Bünemann, M.Sc., Associate, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, Köln

Die momentanen diversen Krisen haben erhebliche finanzielle Belastungen für Unternehmen zur Folge und erschweren deren vorausschauende Planung. In Reaktion hierauf ist am 9. November 2022 das Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen (Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz – SanInsKG) in Kraft getreten. Kern des SanInsKG ist eine zeitlich bis zum 31. Dezember 2023 befristete Entschärfung des Insolvenzeröffnungstatbestands der Überschuldung gemäß § 19 InsO.

Der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung gemäß § 19 InsO
Neben dem auf Liquidität abstellenden Insolvenzantragsgrund wegen Zahlungsunfähigkeit, sind Unternehmen auch bei Vorliegen einer (insolvenzrechtlichen) Überschuldung insolvenzantragspflichtig. Der Eröffnungsgrund der Überschuldung liegt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO vor, „wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.“

Unternehmen sind somit dann antragspflichtig, wenn keine positive Fortbestehensprognose und in der Folge eine bilanzielle Überschuldung vorliegt. Eine positive Fortbestehensprognose liegt vor, wenn die Gesellschaft im (rollierenden) Prognosezeitraum von zwölf Monaten durchfinanziert ist. Das Fehlen einer positiven Fortbestehensprognose führt rechtstatsächlich in aller Regel zu einer Überschuldung. Denn in dem dann vorzunehmenden Vergleich von Aktiva zu Passiva mittels eines sog. Überschuldungsstatus sind die Aktiva zu Liquidations-/ Zerschlagungswerten anzusetzen und die Passiva um liquidationsbedingte Verbindlichkeiten (z.B. aus Sozialplänen) zu ergänzen.

Verkürzung des Prognosezeitraums für die Fortbestehensprognose
Nach dem nunmehr in Kraft getretenen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SanInsKG wird der Prognosezeitraum für die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose von zwölf auf vier Monate verkürzt. Dies bedeutet, dass lediglich eine Durchfinanzierung für vier Monate (rollierend!) sichergestellt werden muss.

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Allerdings gilt hierfür die Voraussetzung, dass der für eine rechtzeitige Insolvenzantragstellung maßgebliche Zeitpunkt im Sinne von § 15a Abs. 1 Satz 2 InsO noch nicht verstrichen ist. Unternehmen, die somit vor Inkrafttreten des SanInsKG bereits insolvenzrechtlich überschuldet waren, müssen prüfen, ob zwischen Eintritt der Überschuldung und dem 9. November 2022 nicht bereits die Höchstfrist von maximal sechs Wochen abgelaufen ist. Sollte diese Höchstfrist bereits verstrichen sein, greifen für diese Unternehmen die Regelungen des SanInsKG nicht und die Insolvenzantragspflicht besteht fort.

Die Höchstfrist für die Insolvenzantragstellung wegen Überschuldung wird erhöht
Gemäß § 4a SanInsKG wird die Höchstfrist für die Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung von derzeit sechs auf acht Wochen erhöht. Hierdurch soll Unternehmen weiterer zeitlicher Spielraum gegeben werden. Wichtig ist jedoch, dass die Neuregelung nichts daran ändert, dass Insolvenzanträge weiterhin ohne schuldhaftes Zögern zu stellen sind (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO). Wenn zu einem früheren Zeitpunkt feststeht, dass eine nachhaltige Beseitigung der Überschuldung nicht erwartet werden kann, darf die Höchstfrist nicht ausgeschöpft werden.

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Fazit und Praxishinweis
Die erhebliche Verkürzung des Prognosezeitraums von zwölf auf nunmehr lediglich vier Monate in Kombination mit der verlängerten Antragshöchstfrist entschärft den Insolvenzantragsgrund der Überschuldung ein wenig. Geschäftsleiter sind weiterhin angehalten sich intensiv mit der mittel- bis langfristigen Unternehmensplanung auseinanderzusetzen. Diese sollte nach wie vor deutlich über den vier Monatszeitraum hinaus aufgestellt werden, fortwährend auf ihre Plausibilität hin geprüft und bei Änderungen der Umstände angepasst werden. Denn z.B. durch die Erteilung von langlaufenden Aufträgen kann die Geschäftsleitung grundsätzlich sowohl gegen zivilrechtliche als auch gegen strafrechtliche Normen verstoßen, wenn die daraus resultierenden Forderungen der Auftragnehmer bei Fälligkeit (vier Monate + x) nicht mehr bedient werden können. Zudem entfaltet das Thema Krisenfrüherkennung auch verstärkt Wirkung auf die Höchstfrist zur Insolvenzantragstellung und eine Haftung nach § 15b InsO. Denn der Gesetzgeber geht nach Einführung des § 1 StaRUG wohl davon aus, dass die Geschäftsleitung besser vorbereitet ist und eine Krise früh erkennt. Im Übrigen ist zu beachten, dass die Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit und die diesbezügliche Höchstfrist zur Antragstellung durch das SanInsKG nicht berührt werden.

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