MAR, Emittentenleitfaden und die Notwendigkeit einer Kapitalmarkt Compliance

Dr. Anne de Boer, Heuking Kühn Lüer Wojtek
Dr. Anne de Boer, Heuking

Der Law Corner Beitrag von Dr. Anne de Boer, Rechtsanwältin und Partnerin, Heuking Kühn Lüer Wojtek.

Es ist inzwischen viel geschrieben worden, dass der Kapitalmarkt für kleine und mittelständische Unternehmen geöffnet werden soll. Die Kapitalmarktunion mit einheitlichen Rechtsregeln in Europa soll solchen KMUs die Aufnahme von Kapital erleichtern.

Ebenso ist inzwischen viel geschrieben worden, dass die kapitalmarktrechtlichen Regelungen der Marktmissbrauchsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 236/2014 (MAR) es KMUs gar nicht leicht machen, an den Kapitalmarkt zu gehen und zu verbleiben. Auch die sicher gute, unterstützende Software bei der Erfüllung der Pflichten kann dies nicht auffangen. Einige Daueremittenten von Anleihen überlegen sogar inzwischen, Anleihen nicht mehr in den Handel aufnehmen zu lassen oder sich sogar vom Kapitalmarkt zurückzuziehen.

Die Diskussionen zum vorgeschlagenen Modul C des Emittentenleitfadens bestätigen, dass bei den Regelungen zur Adhoc-Pflicht bei gestuften Prozessen und entsprechenden Selbstbefreiungen eine hohe Rechtsunsicherheit besteht. Ein internationaler Blick vermittelt zudem den Eindruck, dass die Regelungen sehr unterschiedlich verstanden und damit angewendet werden.

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Die ESMA hat entsprechend Art. 38 der MAR Mitte 2019 einen Konsultationsprozess über die Regelungen der MAR eingeleitet. Auch die BaFin beschäftigt sich derzeit im Rahmen des Konsultationsverfahrens für das Modul C des Emitentenleitfadens intensiv mit der Anwendung der MAR-Regelungen.

Unabhängig von den Ergebnissen dürfte es für Emittenten und auch KMUs notwendig sein, interne Compliance-Strukturen aufzusetzen. Nur so besteht die Chance, Argumente gegen (grobe) Fahrlässigkeit oder zur Reduzierung von Bußgeldern und Strafen in der Hand zu haben – auch zur Vermeidung von Reputationsverlusten.

Die ESMA schlägt in ihrer Konsultation ausdrücklich vor, die MAR um einen Art. 17 a zu ergänzen, nachdem Emittenten insiderrechtliche Compliance-Systeme haben müssen. Konkrete Vorgaben sollen nicht aufgenommen werden. Vielmehr sollen die Emittenten diese auf die Größe und Natur ihrer Geschäftstätigkeit anpassen können, um die Anforderungen an die insiderrechtlichen Regelungen zu erfüllen. Diese Systeme dürften sich dann auch auf die weiteren kapitalmarktrechtlichen Regelungen beziehen.

Egal, welche Strukturen die Emittenten vorsehen: Wichtig ist, dass das System kommuniziert und die Inhalte geschult und gelebt werden. Typische Instrumente einer Kapitalmarkt Compliance sind (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) die Folgenden:

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Adhoc Gremium: Bei börsennotierten Unternehmen gibt es in der Regel ein Gremium, das Adhoc-Pflichten und die Veröffentlichung von Insiderinformationen sowie eventuell eine Selbstbefreiung prüft und ggf. sogar hierüber entscheidet. Die setzt natürlich voraus, dass die Mitglieder des Gremiums frühzeitig die notwendigen Informationen erhalten, um die Sachverhalte bewerten zu können. Der Emittent muss dabei auch entscheiden, wer Mitglied eines solchen Gremiums ist und damit Zugang zu den Informationen erhält.

Schatteninsiderlisten: Solche werden bereits häufig geführt, wenn Unsicherheit besteht, ob eine Insiderinformation vorliegt und vorsorglich eine Selbstbefreiung beschlossen wird. Dies kann aber bereits bei Beginn eines Projekts aufgesetzt und die Teilnehmer sensibilisiert werden.

Beschränkung der Wissensträger: Immer wieder wird auch empfohlen, nur diejenigen Personen mit dem Projekt vertraut zu machen, die unbedingt Kenntnis haben müssen. Damit kann vermieden werden, dass verfrüht Gerüchte entstehen, die zur Veröffentlichung einer Adhoc-Mitteilung zwingen.

Zustimmung zu Transaktionen und Ausweitung von Closed Periods: Häufig anzutreffen ist, dass der Handel in Wertpapieren beschränkt wird, indem der persönliche und zeitliche Anwendungsbereich von Closed Periods ausgeweitet wird. Zu bestimmten Transaktionen wird auch die ausdrückliche Zustimmung nach einem internen Prüfungsprozess notwendig.

Fazit
Angesichts der Komplexität und aktuellen Rechtsunsicherheit bei der Anwendung der kapitalmarktrechtlichen Regelungen ist auch KMUs dringend zu empfehlen, Compliance-Strukturen und Kontrollen einzuführen. Diese können überschaubar sein – es muss sie aber geben.