Law Corner: Die Anleihegläubigerversammlung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (II): Rechtsschutzmöglichkeiten

Dr. Klaus Felke, Rechtsanwalt/Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, Köln
Dr. Klaus Felke, Rechtsanwalt, GÖRG

Der Law Corner Beitrag von Dr. Klaus Felke, Rechtsanwalt/Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, Köln

Wird über das Vermögen des Emittenten das Insolvenzverfahren eröffnet, ist nach § 19 SchVG eine Gläubigerversammlung vom Insolvenzgericht einzuberufen. Gegenstand ist die Wahl eines gemeinsamen Vertreters, der die Rechte der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren ausschließlich vertritt und z.B. die Insolvenzforderungen der Anleihegläubiger anmeldet und das Stimmrecht in Gläubigerversammlungen ausübt (vgl. auch Law Corner vom 12. Juni 2015, BondGuide #12/2015).

Rechtsschutz nach § 20 SchVG oder § 78 InsO?
Bislang nicht abschließend geklärt ist die Frage, welche Rechtsschutzmöglichkeiten für einzelne Anleihegläubiger bestehen. Diese Unsicherheit resultiert daraus, dass § 19 SchVG zwar im Schuldverschreibungsgesetz verortet ist, der Sache nach aber das Insolvenzverfahren betrifft. Vor diesem Hintergrund kommt als Rechtsschutzmöglichkeit einerseits die Anfechtungsklage nach § 20 SchVG in Betracht, andererseits die insolvenzrechtliche Beschwerde nach § 78 InsO.

Diese Frage ist von großer praktischer Bedeutung. Denn für die Anfechtungsklage ist das Landgericht am Sitz des Emittenten zuständig (sofern keine landesrechtliche Zuständigkeitsregel eingreift). Für die insolvenzrechtliche Beschwerde ist hingegen das Insolvenzgericht (Amtsgericht) zuständig.

Noch wichtiger ist, dass die Beschwerde nach § 78 InsO keine aufschiebende Wirkung hat und der bestellte gemeinsame Vertreter sofort und solange handlungsfähig ist, bis der Bestellungsbeschluss aufgehoben wird. Hingegen hat die Anfechtungsklage nach § 20 SchVG aufschiebende Wirkung bzw. löst eine Vollzugssperre aus, die vor der rechtskräftigen Abweisung der Klage nur durch ein Freigabeverfahren überwunden werden kann.

Urteil des Landgerichts Leipzig
Zu dieser Frage hat nunmehr das Landgericht Leipzig mit Urteil vom 16. Januar 2015 (Aktenzeichen 2 HKO 2542/14) entschieden, dass der Beschluss über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nach § 19 Abs. 2 SchVG nicht der Anfechtungsklage nach § 20 SchVG unterliegt, sondern nur der insolvenzrechtlichen Beschwerde. Eine gleichwohl erhobene Anfechtungsklage ist unzulässig. Zur Begründung heißt es, dass die Beschlüsse der Anleihegläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Bestimmungen der InsO unterfallen, soweit in § 19 Abs. 2 bis Abs. 5 SchVG nichts anderes bestimmt ist. Dort findet sich jedoch kein Verweis auf § 20 SchVG (Anfechtungsklage), sodass es beim Vorrang des Insolvenzrechts verbleibt. Erste Stimmen aus der Literatur, auch aus dem Bereich der Anlegerschutzvereinigungen, werten das Urteil positiv.

Stellungnahme
Auch in der Sache überzeugen die Ausführungen des Landgerichts Leipzig: Denn schon der Wortlaut von § 19 Abs. 1 SchVG spricht dafür, dass es sich bei Beschlüssen der Gläubigerversammlungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens um Beschlüsse im Bereich des Insolvenzverfahrens handelt, sodass eine Anfechtungsklage (und damit das SchVG im allgemeinen) keine Anwendung mehr findet.

Dies überzeugt auch in der Sache: Denn nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die dort geregelten spezifischen Beschwerdemöglichkeiten sinnvoller und passen besser als die Anfechtungsteile nach § 20 SchVG mit ihrer Vollzugssperre und der typischerweise längeren Verfahrensdauer. Ist der Beschluss über die Bestellung des gemeinsamen Vertreters nur nach § 78 InsO angreifbar, kann schneller die für ein Insolvenzverfahren notwendige Rechtsklarheit gewonnen werden. Dies spielt etwa dann eine Rolle, wenn das Schuldnerunternehmen im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens saniert und fortgeführt werden soll – hierfür bedarf es eines schnell handlungsfähigen gemeinsamen Vertreters.

Abzuwarten bleibt, ob die Rechtsprechung des Landgerichts Leipzig bestätigt wird und auf diese Weise auch insoweit Rechtsklarheit geschaffen wird.

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