Law Corner: Anleihen in der Übernahmepraxis

Unternehmensanleihen spielen in der Praxis nicht selten eine wesentliche Rolle bei der Strukturierung und Durchführung von (öffentlichen) Übernahmeangeboten für Anleiheemittenten. Von Dr. Thorsten Kuthe und Madeleine Zipperle, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln

In den letzten Jahren waren Anleihemissionen insbesondere für die Finanzierung von Unternehmen, die sich als Asset-Halter sehen, beliebt. Im Zentrum der Aktivitäten standen und stehen Immobilienunternehmen, aber auch andere Branchen, wie erneuerbare Energien, Logistik oder sonstige Infrastruktur. Nicht zuletzt wegen des Interesses von institutionellen Investoren an solchen Sachwertanlagen gibt es in diesen Märkten auch eine Vielzahl an Übernahmen und Fusionen.

Hat die Zielgesellschaft eine oder mehrere Anleihen begeben, sind Letztere Gegenstand besonderer Betrachtung in der Vorbereitung des Prozesses. Das hängt damit zusammen, dass es sich um ein breit gestreutes Finanzierungs­instrument handelt, bei dem Zielgesellschaft und Erwerber nicht ohne Weiteres mit den Gläubigern Anpassungen an die neue Situation vereinbaren können. Im Fokus stehen dabei Change-of-Control-Klauseln, das heißt Sonderkündigungsrechte für den Fall eines Kontroll­wechsels, die zum Standard-Covenant-Set bei Unternehmensanleihen gehören.

Auch klassische Finanzierungsmittel wie etwa der Bankkredit enthalten meist eine Kontroll­wechselklausel. Bei Banken besteht die Möglichkeit, mit diesen ein Gespräch dazu zu führen, dass sie von dieser Klausel keinen Gebrauch machen, etwa weil sie sowieso durch Assets besichert sind. Dies ist bei Anleihen anders. Für den Erwerber besteht damit das Risiko, dass bei seiner künftigen Tochtergesellschaft eine Finanzierungslücke entsteht.

Demgemäß gilt es, sich hiergegen abzusichern. An erster Stelle steht eine Prognose, wie wahrscheinlich die Ausübung des Kündigungsrechts durch die Anleihegläubiger ist. Manchmal gibt es wesentliche große Anleiheinhaber. Mit diesen könnte – unter NDA – eine Vereinbarung zum Verzicht auf die Kündigung getroffen werden. Eine andere Option ist es, die Veräußerer großer Anteilspakete dazu zu verpflichten, eine alternative Finanzierung zu stellen. Ansonsten muss der Erwerber seine Übernahmefinanzierung so gestalten, dass diese auch das kündbare Anleihevolumen erfasst. Das gilt insbesondere beim öffentlichen Übernahmeangebot nach WpÜG, bei dem bekanntlich eine Bank eine Finanzierungs­bestätigung abgeben muss. Das machen die Banken in der Praxis jedoch nur dann, wenn auch die Refinanzierung der kündbaren Anleihe gesichert ist.

Teilweise hat der Erwerber kein Interesse daran, dass die Zielgesellschaft sich weiter über die Unternehmensanleihe finanziert, z.B. weil er die damit verbundene Publizität ablehnt oder günstigere Finanzierungsmöglichkeiten hat. In den meisten Fällen besteht jedoch keine Handhabe, dass die Zielgesellschaft die Unternehmensanleihe bei einem Kontrollwechsel ihrerseits vorzeitig kündigt. Manchmal gibt es allerdings sonstige Kündigungsrechte, die während der Laufzeit der Anleihe bestehen, die hier eventuell genutzt werden können. Andernfalls hilft nur eine Gläubigerversammlung zur Änderung der Anleihebedingungen.

Schließlich ist auch die Auswirkung auf Covenants anderer Finanzierungen der Zielgesellschaft im Blick zu behalten. (Teil-)Kündigungen der Anleihe im Rahmen des Kontrollwechsels könnten zur Verletzung solcher Covenants führen und damit einen Dominoeffekt auslösen, der unbedingt zu vermeiden ist. Diese Zusammenhänge sind zunächst im Vorfeld genau zu analysieren und dann sind gegebenenfalls mit den anderen Finanzierern Lösungen dafür zu verhandeln.

All diese Themen gilt es im Rahmen einer vorbereitenden Due Diligence aufzudecken, um die richtige Strategie zu entwickeln. Dabei lassen sich bei Unternehmen, deren Aktien im regulierten Markt notieren, die meisten hierfür relevanten Informationen aus den Lageberichten gewinnen.

Ursprünglich erschienen in BondGuide 01-2020 (Freitag, 10. Januar)