Law Corner von Dr. Christian Becker, Rechtsanwalt und Partner, und Dr. Lutz Pospiech, Rechtsanwalt und Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München, über mögliche Konzepte zur Restrukturierung von Anleihen.
>> Law Corner aus BondGuide #23-2024 vom 15. Nov. <<
Aufgrund des steigenden Refinanzierungsdrucks müssen sich zahlreiche Anleiheemittenten spätestens jetzt näher mit den Möglichkeiten zur Restrukturierung der von ihnen emittierten Anleihen auseinandersetzen. Dies betrifft u.a. viele Emittenten aus dem Immobilienbereich, die durch die aktuelle Immobilienkrise, insbesondere durch gestiegene Zinsen und Baukosten und dem damit verbundenen Einbruch des Transaktionsmarktes, hart getroffen sind. Neben Anschlussfinanzierungen werden Emittenten auch versuchen, die Refinanzierung nach den Möglichkeiten des Schuldverschreibungsgesetzes (SchVG) oder des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) in Angriff zu nehmen.
Wenn absehbar ist, dass Rückzahlung und Refinanzierung der Anleihen zur Endfälligkeit nicht möglich sind, sollte bis spätestens 12 Monate vor der Endfälligkeit eine Lösung gefunden werden. Sowohl das SchVG als auch das StaRUG bieten die Möglichkeit, außerhalb einer Insolvenz durch Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger die Laufzeit der Anleihen zu verlängern, Zinsen anzupassen, Schuldverschreibungen in Anteile umzuwandeln (Debt-Equity-Swap) und weitere Änderungen der Anleihebedingungen vorzunehmen.
Restrukturierungskonzepte
Das konkrete Restrukturierungsmodell und seine Umsetzung hängen von vielen Faktoren, insbesondere der konkreten wirtschaftlichen und finanziellen Situation des Unternehmens und der Gläubigerstruktur, ab. Dabei ist die Anleiherestrukturierung zumeist nur ein Baustein einer umfassenden operativen und finanziellen Restrukturierung des Unternehmens und sollte sich in das Gesamtrestrukturierungskonzept einfügen.
„Amend & Extend“
Ein Emittent unter Refinanzierungsdruck kann seinen Anleihegläubigern vorschlagen, durch eine Änderung der Anleihebedingungen die Laufzeit der betreffenden Anleihe zu verlängern. Die Laufzeitverlängerung kann dem Emittenten dann die nötige „Luft“ verschaffen, um die erforderlichen Cashflows für die Rückzahlung oder (Teil-)Refinanzierung einer Anleihe zu erwirtschaften. Diese Art der Anleiherefinanzierung kann allerdings nur dann gelingen, wenn der Emittent über ein gesundes operatives Geschäft verfügt. Die Anleihegläubiger müssen darauf vertrauen können, dass der Emittent – zumindest mittel- bis langfristig – die erforderlichen Cashflows für die Rückführung seiner Unternehmensfinanzierung erwirtschaften kann. Ist dies der Fall, dann dürfte die Laufzeitverlängerung gute Aussichten auf die Zustimmung der Anleihegläubiger haben. Es handelt sich dann auch aus Sicht der Anleihegläubiger um ein ausgewogenes Refinanzierungskonzept, das ihre Interessen berücksichtigt.
Für den Emittenten hat die Laufzeitverlängerung der Anleihe den Vorteil, dass er keine neuen Mittel von Investoren einwerben muss. Zudem werden die Kosten für die Refinanzierung einer Anleihe durch eine bloße Anpassung der Anleihebedingungen regelmäßig deutlich geringer ausfallen als die Emissionskosten für die Platzierung neuer Wertpapiere. Der Emittent kann für die Laufzeitverlängerung der Anleihe auf die bestehende Investorenbasis zurückgreifen. Anders als bei umfassenden Restrukturierungsmaßnahmen auf der Grundlage des SchVG (z.B. beim Debt-Equity-Swap) kann bei einer bloßen Verlängerung der Anleihe in vielen Fällen die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters entbehrlich sein. Jedenfalls bedarf es hierfür keines weiteren von der BaFin zu billigenden Wertpapierprospekts.
Debt-Equity-Swap
Bricht der Unternehmenswert in den Anleiheverbindlichkeiten, hat das Management über eine Umwandlung der Anleiheverbindlichkeiten in Eigenkapital nachzudenken.
Eine (teilweise) Entschuldung eines Unternehmens durch die Umwandlung von Finanzverbindlichkeiten in Eigenkapital ist nur dann sinnvoll und kann auch nur dann erfolgreich sein, wenn die finanzielle Restrukturierung Teil eines umfassenden Sanierungskonzepts darstellt. Hierzu gehört insbesondere die operative Sanierung mit dem Ziel, die Umsatzerlöse zu stabilisieren bzw. zu steigern und die Kostenseite dem veränderten Zuschnitt des Unternehmens anzupassen. Die Entschuldung des Unternehmens mittels eines Debt-Equity-Swaps kann dabei nur ein (nicht unwesentlicher) Baustein für das Gelingen der Unternehmenssanierung sein.
Die Anleihegläubiger müssen die Umwandlung der Schuldverschreibungen in Anteile an einer Gesellschaft beschließen. Die Schaffung der neuen Aktien, die den Anleihegläubigern im Tausch gegen die Schuldverschreibungen angeboten werden, wird regelmäßig im Rahmen eines sog. Kapitalschnitts umgesetzt. Dabei wird in einem 1. Schritt das Grundkapital der Gesellschaft im Wege einer vereinfachten Kapitalherabsetzung (§§ 229, 222 AktG) reduziert. Eine derartige vereinfachte Kapitalherabsetzung kann nur dazu dienen, Wertminderungen auszugleichen, sonstige Verluste zu decken oder Beträge in die Kapitalrücklage (im Umfang wie in § 231 AktG geregelt) einzustellen. Dadurch kann eine Bilanzsanierung erreicht werden, mit der das Grundkapital an das aufgrund von Verlusten und Wertminderungen verminderte Eigenkapital angepasst wird. In einem 2ten Schritt baut dann auf diese Kapitalherabsetzung eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen auf. Die Sacheinlagegegenstände sind hierbei die Forderungen der Anleihegläubiger aus den von ihnen gehaltenen Schuldverschreibungen.
Entscheidend für den Erfolg einer solchen Sachkapitalerhöhung ist, dass die Schuldverschreibungen in Höhe des aktienrechtlichen Sachkapitalerhöhungsbetrags werthaltig sind und dies durch einen gerichtlich bestellten Sachkapitalerhöhungsprüfer bestätigt wird. Letztlich hängt der Umfang der Werthaltigkeit der Schuldverschreibungen davon ab, ob und in welchem Umfang die Gesellschaft in der Lage ist, ihren Anleiheverpflichtungen nachzukommen.
Einfluss der Gläubigerstruktur auf den Restrukturierungsprozess
Der Prozess der Anleiherestrukturierung ist auch von der Struktur der Anleiheinvestoren abhängig. Institutionelle Investoren, insbesondere Hedge Fonds, sind sehr aktiv und bringen sich oftmals nach Formierung in einer Ad-hoc-Gruppe unmittelbar in den Prozess der Verhandlung des Restrukturierungskonzepts ein oder stoßen diesen sogar an. Sie stellen dabei weitergehende Forderungen und verlangen häufig neben Eigenkapitalbeträgen teils erhebliche Zinserhöhungen, die Zahlung von Consent Fees, umfassende Nachbesicherungen sowie die Aufnahme von Financial und weiteren Covenants in der Anleihedokumentation. Dies führt regelmäßig auch zu ganz erheblichen Restrukturierungskosten, die in der Planung zu berücksichtigen und durch die Aufnahme weiterer Finanzmittel zu finanzieren sind.
Bei breiter gestreuten Publikumsanleihen, die vor allem an Retail-Investoren platziert wurden, wird der Prozess der Anleiherestrukturierung regelmäßig vom Emittenten eingeleitet. Wenn der Emittent den Anleihegläubigern einen angemessenen Beschlussvorschlag unterbreitet und ein transparenter Restrukturierungsprozess stattfindet, hat dieser Vorschlag große Chance so oder mit leichten Anpassungen von den Anleihegläubigern angenommen zu werden.
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