Anleiherestrukturierung im StaRUG als Alternative zum Schuldverschreibungsrecht

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Law Corner von Dr. Tobias Moser, Partner, und Dr. Fabian Wirths, Associate, DMR Rechtsanwälte Moser Degenhart Ressmann PartG mbB, München

>> aus BondGuide #8-2025 vom 18. Apr. <<

Nach einem eher langsamen Start seit seiner Einführung im Jahr 2021 hat sich das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) inzwischen als Instrument in der deutschen Restrukturierungspraxis bewährt und als Börsen-Unwort des Jahres hohe Wellen geschlagen. Allerdings verbleiben in der Anwendung des StaRUG auch weiterhin viele offene Rechtsfragen und damit Unsicherheiten in der Praxis.

Die Restrukturierung von Anleihen im StaRUG-Verfahren
Das StaRUG bietet vielfache Sanierungsmöglichkeiten auch im Hinblick auf Anleihen nach dem Schuldverschreibungsrecht (SchVG). Durch den Restrukturierungsplan – als Kernelement eines StaRUG-Verfahrens – können u.a. die Forderungen der Anleihegläubiger auf Rückzahlung und Zinsen gestaltet werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG), die Anleihebedingungen geändert (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG) oder in gruppeninterne Drittsicherheiten eingegriffen werden. Mit wenigen Ausnahmen können hier sämtliche Maßnahmen, die auch das SchVG vorsieht, im Wege eines Restrukturierungsplans vorgenommen werden.

Die im SchVG vorgesehen Maßnahmen (§ 5 Abs. 3 SchVG) setzen einen Mehrheitsbeschluss der Anleihegläubiger voraus. Häufig fehlt es jedoch bereits an der für eine Beschlussfassung erforderlichen Beteiligungsquote oder aber dem Erreichen der notwendigen Beschlussmehrheit in der Abstimmung. Zwar wird auch im StaRUG nach dem Mehrheitsprinzip verfahren, d.h. über einen Restrukturierungsplan mehrheitlich abgestimmt. Allerdings können nicht nur Minderheiten, sondern ganze, den Plan ablehnende, Gläubigergruppen im Wege einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung (sog. Cross-Class Cram Down) überstimmt werden.

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Eine weitere Besonderheit der StaRUG-Restrukturierung gegenüber dem Verfahren nach dem SchVG besteht darin, durch wen Anleihegläubiger stimmrechtlich bei einer Abstimmung über den Restrukturierungsplan vertreten werden (können). Eine zentrale Funktion kommt dabei dem gemeinsamen Vertreter zu.

Zentrale Funktion des gemeinsamen Vertreters in der Anleiherestrukturierung nach StaRUG
Sind die Forderungen aus einer Anleihe in ein StaRUG-Verfahren einbezogen, gelten ähnliche Grundsätze wie in der Insolvenz: Im StaRUG-Verfahren ist ein für alle Anleihegläubiger bestellter gemeinsamer Vertreter allein berechtigt und verpflichtet, die Rechte der Anleihegläubiger geltend zu machen (§ 19 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 SchVG); die Anleihegläubiger sind insoweit ausgeschlossen.

Ist noch kein gemeinsamer Vertreter im Amt, kann dieser entweder im Vorfeld des StaRUG-Verfahrens nach den Regelungen des SchVG oder, nachdem eine Restrukturierungsanzeige gemacht wurde, bestellt werden. Die Details der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters im Rahmen des StaRUG sind zwar rechtlich noch nicht abschließend geklärt, allerdings sprechen die bisherigen Erfahrungen aus der Praxis und Rechtsprechungen dafür, nach den Regeln für Gläubigerversammlungen in der Insolvenz zu verfahren (§§ 76 ff. InsO analog). D.h. insbesondere, dass bereits für die erste Gläubigerversammlung zur Wahl des gemeinsamen Vertreters kein Mindestquorum gilt und der gemeinsame Vertreter mit einer einfachen Mehrheit der vertretenen Stimmen gewählt werden kann.

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Ist im StaRUG-Prozess über einen Restrukturierungsplan zu entscheiden, übt allein der gemeinsame Vertreter – nach der Maßgabe seiner Ermächtigung und etwaiger Weisungen – das Stimmrecht der Anleihegläubigergruppe aus. Sind im Bestellungsbeschluss Weisungen zum Verhalten in einem StaRUG-Verfahren nicht enthalten, entscheidet der gemeinsame Vertreter kraft Amtes selbst.

StaRUG-Restrukturierungen von Anleihen aus der Praxis
Seit Einführung des StaRUG sind inzwischen einige Fälle bekannt, in denen die Restrukturierung von Unternehmensanleihen Teil eines StaRUG-Verfahrens gewesen ist bzw. werden soll. So haben etwa das Modeunternehmen eterna Mode Holding GmbH (2021) und die Immobiliengesellschaft ESPG AG (2024) mittels eines StaRUG-Verfahrens erfolgreich Unternehmensanleihen restrukturiert. Jüngst hat der Immobilieninvestor publity AG die Anzeige eines StaRUG-Verfahrens angekündigt, um die publity-Unternehmensanleihe abzufinden.

Da die Einleitung einer Restrukturierung häufig mit erheblichen Eingriffen in die Rechte der unterschiedlich Beteiligten verbunden ist, lassen sich Widersprüche zwischen den einzelnen Interessensgruppen oft nicht ausschließen. Für Aufsehen in diesem Zusammenhang hatten zuletzt die beiden StaRUG-Verfahren in Sachen VARTA und Leoni gesorgt, nach deren Restrukturierungsplänen vor allem Kleinaktionäre Totalverluste hinnehmen mussten.

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Braucht die Geschäftsleitung eine Zustimmung, um ein StaRUG-Verfahren zu wählen?
Verständlicherweise erfordert die Einleitung gravierender Sanierungsschritte daher im Gesellschaftsrecht grundsätzlich eine Abstimmung der Anteilseigner – etwa in der Hauptversammlung einer AG oder durch einen Gesellschafterbeschluss bei einer GmbH. Ob dies jedoch auch für die Einleitung eines StaRUG-Verfahrens gilt, ist nach wie vor umstritten. Hält die Geschäftsführung die Durchführung eines Restrukturierungsverfahrens für sachgerecht, steht sie daher vor der Frage, ob hierfür die Zustimmung der Anteilsinhaber benötigt wird.

Die Instanzrechtsprechung zu dieser Frage ist bisher uneinheitlich. Während sich bei Aktiengesellschaften zunehmend die Ansicht durchgesetzt hat, dass zumindest im Außenverhältnis kein Beschluss notwendig sei (AG Nürnberg v. 21. Juni 2023 – Az. RES 397/23; AG Dresden v. 9. September 2023 – Az. 572 RES 1/23), zeigt sich bei einer GmbH ein anderes Bild. Stellvertretend etwa eine Entscheidung des AG Hamburg (17. März 2023 – Az. 61c RES 1/23), wonach zur Restrukturierungsanzeige nach dem StaRUG zwingend ein Gesellschafterbeschluss, und zwar mit qualifizierter Mehrheit, einzuholen ist. Bestätigt wurde die Auffassung durch das LG Hamburg (20. April 2023 – Az. 304 T 15/23).

In das gleiche Horn stieß das LG Berlin (31. Mai 2023 – Az. 100 O 18/23), das jedenfalls dann die Zustimmung der Gesellschafterversammlung verlangt, wenn der beabsichtigte Restrukturierungsplan in die Stellung der Gesellschafter eingreife.

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Diese Instanzrechtsprechung hat in der Literatur teils Zustimmung, aber auch klare Ablehnung erfahren, sodass nach wie vor nicht von einer geklärten Rechtslage ausgegangen werden kann.

OLG Stuttgart vom 21. August 2024
Mit Beschluss vom 21. August 2024 (Az. 20 U 30/24) hat sich nun das OLG Stuttgart – und damit erstmals eine obergerichtliche Instanz – mit der Fragestellung befasst. Nach Auffassung der Stuttgarter Richter ist eine Zustimmung der Gesellschafter einer GmbH jedenfalls dann keine Voraussetzung, wenn die einzige Alternative die Insolvenz ist. Seine Auffassung begründet das OLG Stuttgart u.a. damit, dass die Bestimmungen im StaRUG ermöglichen, Restrukturierungsentscheidungen auch gegen den Willen der Gesellschafter umzusetzen.

Weiter argumentiert das Gericht mit § 7 Abs. 4 StaRUG, der Eingriffe in Anteilsrechte ermöglicht, sowie einer Bezugnahme auf die europäische Restrukturierungsrichtlinie (RL (EU) 2019/1023), die gerade verhindern soll, dass (einzelne) Anteilseigner eine Restrukturierung blockieren können. Schließlich zieht das OLG Stuttgart Parallelen zu den Insolvenzantragspflichten nach §§ 15a, 17, 19 InsO, die ebenfalls keinen Gesellschafterbeschluss voraussetzen.

Dr. Tobias Moser (li.) & Dr. Fabian Wirths, RAs, DMR Legal

Die Entscheidung des OLG Stuttgart ist nachvollziehbar. Jedenfalls dann, wenn das einzige Alternativszenario die gesicherte Insolvenz der Gesellschaft darstellt und die Vergleichsrechnung zeigt, dass diese nachteiliger ist als das StaRUG-Verfahren, wäre der Zweck eines Restrukturierungsverfahrens als bessere Alternative zur Insolvenz, konterkariert, wenn die Gesellschafter über den Zugang zum StaRUG-Verfahren entscheiden könnten bzw. es aktiv verhindern könnten.

Fazit
Die Entscheidung des OLG Stuttgart ist für GmbHs in Krisensituationen von besonderer Bedeutung. Allerdings ist das Urteil über den Einzelfall hinaus nicht bindend und bietet daher nur bedingt Rechtssicherheit. Sie ist aber ein Mosaikbaustein im Komplex ‚Restrukturierung nach StaRuG‘.