„Momentan eine große Blase bei guten Unternehmensanleihen“

Der Markt für Mittelstandsanleihen bietet Chancen, birgt aber auch beträchtliche Risiken. Für Investoren ist es nicht leicht, die Spreu vom Weizen zu trennen. Im Gespräch erläutert Dr. Max Schott, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Sand und Schott, nach welchen Kriterien er Anleihen auswählt und wie Anleger sich vorzugsweise professionell verhalten.

Interview mit Dr. Max Schott, Geschäftsführer, Vermögensverwaltung Sand und Schott GmbH

GoingPublic: Dr. Schott, der Markt für Mittelstandsanleihen hat sich im vergangenen Jahr positiv entwickelt, es gibt jedoch auch Übertreibungen. Wie geeignet sind Mittelstandsanleihen denn überhaupt für Privatanleger?
Schott: Der klassische konservative Investor steckt derzeit in einem Dilemma: Im Gegensatz zu früher, wo er bei Staatsanleihen, offenen Immobilienfonds und Tagesgeld einen recht ordentlichen risikolosen Zins bekam, erhält bei diesen Anlagen momentan sehr viel zinsloses Risiko. Bei langlaufenden Staatsanleihen kommt das akute Zinsänderungsrisiko hinzu. Bei offenen Immobilienfonds fällt es generell schwer, Kaufempfehlungen auszusprechen. Vor diesem Hintergrund sind Unternehmensanleihen schon ein probates Instrument zur Beimischung und Renditeoptimierung.

GoingPublic: Welche Voraussetzungen sollten Anleger dabei mitbringen?
Schott: Wir halten drei Voraussetzungen für wichtig: Erstens, die Anleger benötigen Sachkenntnisse. Man kann Unternehmensanleihen nicht wie Tomaten beim Aldi kaufen, sondern muss die Spreu vom Weizen trennen. Es gibt gute und Katastrophen-Anleihen, die Prospekte sind jedoch alle schön farbig. Zweitens sollte ein mittelfristiger Anlagehorizont vorhanden sein, also mindestens sieben Jahre. Denn dieser Markt unterliegt anderen Schwankungen als Festgeld oder kurzlaufende deutsche Staatsanleihen. Drittens sollten Anleger über ein mittelgroßes Anlagevolumen verfügen, also 250.000 EUR und mehr. Das Investorengeld fließt ja nicht nur in Anleihen, zudem bedarf es einer Diversifikation. Wir sehen hier zehn Anleihen als Mindestgröße, um über Branchen, Bonität und Laufzeit streuen zu können.

GoingPublic: Was ist für Ihre Vermögensverwaltung eine attraktive Mittelstandsanleihe?
Schott: Darüber könnte man ein Buch schreiben, ich möchte mich aber auf die wichtigsten vier Punkte beschränken. Wir meinen, dass das Unternehmen eine gute Bonität sowie eine längere Historie vorweisen sollte. Wichtig ist auch ein verlässliches Management mit solider Reputation und geringer Fluktuation. Und natürlich stellt sich auch die Frage: Zu welchem Preis kann ich den Bond kaufen? Denn es gibt gute Unternehmen, deren Anleihen allerdings derzeit schon zu teuer sind.

GoingPublic: Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang ein Rating?
Schott: Bei unserer Auswahl orientieren wir uns nicht an einem externen Rating. Wir schauen uns jedes Unternehmen genauer als eine Rating-Agentur an. Ein gutes externes Rating hilft aber dem Kunden. Wenn wir darauf verweisen können, tut sich der Anleger in seiner Entscheidung leichter.

GoingPublic: Nach welchen Kriterien beurteilen Sie die Anleihen bzw. Unternehmen?
Schott: Hier gibt es rund ein Dutzend Filterkriterien, ich möchte Ihnen nur die wichtigsten nennen: Die Anleihe sollte eine Restlaufzeit von drei bis sieben Jahren haben. Unter drei Jahren bekommen Sie keine attraktive Rendite; bei einem Zeitraum von mehr als sieben Jahren ist es schwierig, ein Unternehmen richtig zu beurteilen. Die Eigenkapitalquote sollte nach Abzug der immateriellen Firmenwerte über 30% liegen und der Cashflow in den letzten Jahren positiv gewesen sein. Wir erwarten eine Schuldzinsendeckungsquote, die dem Faktor Zwei entspricht, so dass auch bei Wachstumsrückgängen die Zinszahlungen gesichert sind. Wir wollen Unternehmen kaufen, die expandieren, das heißt, es sollte ein Wachstum von 5% bis 25% pro Jahr erzielt werden. Und wir investieren nicht in eine Projektfinanzierung. Es sollte sich um ein bewährtes Geschäftsmodell handeln, also kein Startup, keine Restrukturierung und auch kein Management-Buyout.

GoingPublic: Soweit die Theorie. Welche Anleihen halten Sie also derzeit für empfehlenswert?
Schott: Bei den guten Unternehmensanleihen haben wir momentan eine große Blase. Wir kaufen deshalb aktuell nichts, da es an attraktiven Kursen fehlt. Lediglich zwei Anleihen haben wir uns näher angeschaut. Das ist zum einen der Bond der Sanochemia Pharmazeutika AG. Er notiert derzeit bei 99%. Zwar hat das Spezialpharmaunternehmen schlechtere Zahlen als erwartet vorgelegt, erzielt aber einen stabilen Cashflow und Gewinn. Die andere Anleihe ist von der IPSAK mbH. Die Gesellschaft ist durch das historische Salamander-Areal in Kornwestheim bekannt geworden. Der Bond ist durch Grundbuch gesichert, notiert zwar schon bei 103%, kommt aber noch auf eine Rendite von über 6% und hat auch nicht unter der WGF-Insolvenz gelitten.

GoingPublic: Welche Informationen über die Emittenten zeigen sich nach Ihrem Verständnis in den Kursen?
Schott: Wir sind schon der Meinung, dass die Anleihekurse ein realistisches Bild der Unternehmen wiedergeben. Uns erscheinen aber trotzdem momentan die Kurse nach oben aus zwei Gründen übertrieben zu sein: Es herrscht an den Märkten eine Rekordliquidität und es gibt einen Anlagenotstand. Beides führt dazu, dass mittelmäßige Qualität zu teuer gekauft wird. Da müssen wir nicht unbedingt mitmachen.

GoingPublic: Wie stufen Sie die Insolvenzgefahr von Emittenten ein?
Schott: Kurzfristig im aktuellen Marktumfeld ist sie eher gering. Längerfristige Statistiken zeigen aber sehr hohe Ausfallraten nach fünf bis sechs Jahren bei Anleihen mit niedrigen Investment-Graden. Hier steigt die Ausfallwahrscheinlichkeit auf bis zu 13%. Deshalb versuchen wir, hier den Sweetspot unterhalb solcher Laufzeiten zu finden, um eine gute Rendite bei geringer Insolvenzgefahr zu erzielen.

GoingPublic: Welche Verbesserungen sollte es geben, damit solche Bonds für Privatanleger interessanter werden?
Schott: Die speziellen Börsenplätze machen als Vorreiter eigentlich schon einen guten Job. So wurden auch am Stuttgarter Bondm Anleihen abgelehnt, wenn sie zu volatil waren oder zurückgezogen, wenn – wie bei FlexStrom – schlechte Nachrichten kamen. Ich sehe nicht die Börsen, sondern die Anleger in der Bringschuld, sich selbstkritisch mit einer Anleihe zu beschäftigen und nicht einfach nur den Zinskupon zu kaufen.

GoingPublic: Halten Sie die Liquidität der Anleihen an den speziellen Mittelstandsegmenten der Börsen für ausreichend?
Schott: Nein, Mittelstandsanleihen mit Emissionsvolumina unter 100 Mio. EUR können keine hinreichende Liquidität für einen Trading-orientierten Investor bieten. Der Anleger muss hier mit der Maßgabe kaufen, sie auch bis zur Endfälligkeit liegen zu lassen. Die individuellen Risiken einzelner Anleihen sind über Diversifikation zu streuen.

GoingPublic: Herr Dr. Schott, vielen Dank für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Thomas Müncher.