Beim Hauptstadt-Club pressiert es inzwischen: Während der Abstieg aus der 1sten Liga nunmehr gewiss ist, wird zu allem Überfluss noch dieses Jahr Anleihe 2018/23 fällig. BondGuide im Gespräch mit Thomas E. Herrich, Mitglied der Geschäftsführung der Hertha BSC Berlin.
BondGuide: Herr Herrich, zunächst kurz zu Ihnen selbst: Wie wird man vom Frankfurter und Allgäuer zum Herthaner – ist das nicht eine Art Kulturschock?
Herrich: Das war keinesfalls ein Kulturschock. Ich bin von Anfang an bei Hertha und in Berlin mit offenen Armen empfangen worden. Darüber hinaus unterscheiden sich die Allgäuer in ihrer Art gar nicht so sehr von den Berlinern. Nach mittlerweile über 20 Jahren Tätigkeit für Hertha BSC bin ich Herthaner durch und durch.
„Wir sind auf einem guten Weg, können mit jungen Talenten u.a. aus unserer Akademie planen.“
BondGuide: Kommen wir zunächst zum Sportlichen: Wie gut ist die Hertha auf eine Liga in einem der Unterhäuser vorbereitet – oder muss man einen kompletten Tausch aller Spieler befürchten?
Herrich: Die Kaderplanung wird aktuell von unseren sportlich Verantwortlichen vorangetrieben. Sicherlich müssen wir uns von ein paar Spielern verabschieden – auch um wichtige Transfererlöse zu erzielen. Aber wir sind auf einem guten Weg, können mit jungen Talenten u.a. aus unserer Akademie planen, aber auch mit erfahrenen Spielern aus dem Bundesliga-Kader.
BondGuide: Nun stehen wichtige Lizenzauflagen der DFL im Raum, noch dazu ziemlich kurzfristig. Die hatte den ‚Fall Hertha‘ gerüchteweise als den dramatischsten bisher auf ihrem Tische bezeichnet vor einigen Wochen. Offenbar geht es wirklich ums Ganze. Wieviel Verhandlungsspielraum wurde Ihnen signalisiert?
Herrich: Wir stehen mit der DFL in einem regelmäßigen und engen Austausch, der sehr konstruktiv ist.
„Mögliche Auflagen der DFL haben wir erwartet.“
BondGuide: Oder anders ausgedrückt: Mit welchen Auflagen könnte bzw. müsste die Hertha nötigenfalls in der 2ten Bundesliga leben können?
Herrich: Die Auflagen, die für die kommende Saison erteilt werden, haben wir so erwartet und sind unabhängig von der Liga-Zugehörigkeit.
BondGuide: Kommen wir nunmehr zu den Finanzen. Weshalb sind die eigentlich dermaßen zerrüttet nach zunächst Windhorst[1] und jetzt 777? Anders formuliert: Wie kann ein Investor mit Millionen überhaupt eine finanzielle Mondlandschaft hinterlassen?
Herrich: Grund dafür war eine expansive Unternehmensstrategie mit hohen Investitionen in den Spielerkader, das Ausbleiben des entsprechenden sportlichen Erfolgs und die Auswirkungen der Pandemie.
„Hertha BSC passt hier bestens ins Portfolio der 777.“
BondGuide: Mitgründer von 777, Josh Wander, hat im kürzlichen Call durchaus eine sympathische Figur abgegeben. Aber was sind seine Motive mit der Hertha?
Herrich: 777 hat eine Fußball-Sparte aufgebaut, es gilt hier Synergien zu bündeln, Netzwerke zu erweitern und zu nutzen. Hertha BSC passt hier bestens ins Portfolio, das aus sehr Fan-orientierten und traditionsreichen Clubs besteht.
BondGuide: Bei einer Beteiligungsholding wie 777 wollen doch eigentlich Synergieeffekte gehoben werden. Welches sind die Synergieeffekte zwischen Red Star in Frankreich, Standard Lüttich in Belgien, Genua in Italien, Vasco da Gama in Brasilien und Melbourne Victory in Australien?
Herrich: Der Erfahrungs- und Daten-Austausch innerhalb des Gesamtnetzwerkes führt bereits jetzt schon zu einer Erhöhung der Expertise, eine Ausweitung im Scoutingnetzwerk und die Weiterentwicklung in der Talententwicklung wird vorangetrieben und man profitiert gegenseitig von Reichweiten und schafft kommerzielle Synergien. Darüber hinaus lassen sich Technologien und Services gemeinsam optimieren.
BondGuide: Die Prolongation der Hertha-Anleihe über 40 Mio. EUR pressiert nun. Die wäre noch dieses Jahr fällig. Inwiefern hilft Ihnen die Aussicht darauf für die sicherlich harten Verhandlungen mit der DFL?
Herrich: Wir müssen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gegenüber der DFL nachweisen, daher ist die Verlängerung der Anleihe ein essenzieller Baustein für die Lizenz.
BondGuide: Die Notwendigkeit zur Prolongation ist klar. Aber wieso nur um zwei Jahre?
Herrich: Die Verlängerung über zwei Jahre ist eine durchaus gängige Laufzeit bei einer solchen Maßnahme.
BondGuide: Das Quorum von 50% im ersten Anlauf schaffen nur ca. 3% aller Emittenten, sagt unsere Statistik der letzten zwölf Jahre. Eine zweite AGV einige Wochen später gilt mithin als sicher, zumal wenn die Hertha viele kleinteilige Privatinvestoren haben dürfte. Läuft Ihnen nicht die Zeit davon, wenn die Prolongation erst Ende Juni zustande kommt?
Herrich: Wir arbeiten mit aller Kraft darauf hin, unsere Inverstorinnen und Investoren von der Verlängerung der Anleihe zu überzeugen.
BondGuide: Eine Frage für alle Anleiheemittenten – die hätte ich Ihnen übrigens auch 2018 anlässlich der Emission gestellt: Was sehen Sie als das größte einzelne Risiko für die Gesamtunternehmung Hertha BSC Berlin – ggf. etwas Externes, auf das Sie gar keinen Einfluss haben (sog. Kontrollverlust)? Also was bereitet Ihnen schlaflose Nächte?
Herrich: Das größte externe Risiko haben wir in den vergangenen Jahren bereits erlebt: die Pandemie. Ohne diese stünden wir wirtschaftlich auch deutlich besser da.
BondGuide: Letzte Frage: Packt’s die Hertha mit ihrer treuen Fan-Schaft?
Herrich: Wir danken unseren Investorinnen und Investoren für Ihre Unterstützung in der Vergangenheit und ich werbe für die Zustimmung eines jeden Einzelnen, denn nur so können wir uns finanziellen Spielraum verschaffen auf dem Weg der Konsolidierung.
BondGuide: Herr Herrich, ganz herzlichen Dank an Sie!
Interview: Falko Bozicevic
[1] Siehe auch Interview mit Lars Windhorst in Unternehmeredition 2/2020