ROUNDUP: Pleiteangst erfasst US-Geldmarkt – ‚Risiken eines Ausverkaufs‘

WASHINGTON (dpa-AFX) – Der nervenaufreibende Poker im US-Haushaltsstreit kommt zunehmend an den Finanzmärkten an. Derzeit steht vor allem das Geschäft mit sehr kurz laufenden US-Staatstiteln – sogenannten Geldmarktpapieren – im Fokus. Trotz erster Hoffnungszeichen zumindest auf eine Zwischenlösung steigt dort die Nervosität. Analysten warnten am Donnerstag vor einem Ausverkauf – ein Großinvestor hat sich einem Bericht zufolge bereits von allen Geldmarkttiteln getrennt. In Hongkong erhöhte der Börsenbetreiber die Sicherheitsabschläge für amerikanische Staatspapiere.

Seit Tagen schon stehen US-Staatsanleihen an den Finanzmärkten unter Druck. Besonders kritisch sehen Investoren ultrakurzlaufende Papiere, deren Fälligkeit im kritischen Zeitfenster eines möglichen Zahlungsausfalls liegt. Die Renditen für Geldmarkttitel, die am 24. Oktober auslaufen, stiegen von null Prozent am 17. September auf zuletzt 0,41 Prozent – eine für diesen Markt sehr heftige Bewegung.

Im Haushaltsstreit läuft den USA die Zeit davon: Wenn sich Demokraten und Republikaner nicht zügig auf eine Anhebung der Schuldengrenze einigen, droht der Supermacht schon bald das Geld auszugehen. Zumindest die Chancen auf eine kurzfristige Anhebung der Schuldengrenze sind zuletzt gestiegen. Präsident Barack Obama will am Donnerstag den Schulterschluss mit den Republikanern suchen.

Eine Einigung auf eine Übergangslösung wäre aber nach Einschätzung von Deutsche-Bank-Experte Jim Reid kein großer Wurf. ‚Dadurch würden die Märkte für weitere Wochen in den Schwebezustand versetzt.‘ Die Verunsicherung könnte also anhalten, selbst wenn doch noch ein Kompromiss in letzter Minute gelingt.

‚Die nächsten Tage werden zeigen, ob die Märkte ruhig bleiben‘, sagt Analyst Rainer Guntermann von der Commerzbank. Alle Welt scheine sich darüber einig zu sein, dass es katastrophale Folgen hätte, wenn der US-Kongress die Schuldenobergrenze nicht rechtzeitig anheben werde. Deshalb dürften alle Kräfte eingesetzt werden, um ein solches Ereignis zu verhindern. ‚Der Sprung bei den US-Geldmarktrenditen in der letzten Nacht zeigt jedoch die Risiken eines Ausverkaufs‘, warnt Guntermann.

Der Fondsriese Fidelity Investments hat laut einem Medienbericht schon vorsorglich alle kurzlaufenden US-Staatspapiere aus dem Portfolio geschmissen. Die Anlagestrategen des größten US-Anbieters von Geldmarktfonds hätten bereits vor einigen Wochen mit dem Abverkauf der Titel begonnen, sagte Nancy Prior, die diesen Geschäftsbereich bei Fidelity leitet, der Nachrichtenagentur AP in New York.

Der festgefahrene Haushalts- und Schuldenstreit in den USA hat auch die Ratingagentur DBRS auf den Plan gerufen. Die Top-Bonität Amerikas stehe ab sofort unter Beobachtung, teilte die kleine kanadische Agentur am späten Mittwochabend mit. Ausschlaggebend für den Schritt sei die Mitte Oktober drohende Zahlungsunfähigkeit der USA.

Die Börse in Hongkong hat ebenfalls auf die zugespitzte Situation in den Staaten reagiert. Und zwar mit einer Anhebung der Abschläge auf den Wert von US-Geldmarktpapieren, die als Sicherheit bei Finanzgeschäften eingesetzt werden. Auch sie begründet diesen Schritt mit Ausfallsorgen.

Wenn die Sicherheit kurzlaufender US-Schuldtitel bei Geldgeschäften zwischen großen Finanzinstituten in Zweifel gerät, könnte dies schwerwiegende Folge für die Refinanzierung am Interbankenmarkt haben. Die US-Papiere werden häufig als Pfand für kurzfristige Kredite verwendet. Laut einem Bericht der ‚Financial Times‘ vom Donnerstag sollen bereits einige große Handelshäuser einen Bogen um US-Titel machen./hbr/bgf/zb/kja