Neue Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung – warum kapitalmarktorientierte KMU trotz Opt-out-Option bis 2028 schon jetzt handeln müssen

Meike Dresler-Lenz, Christopher Görtz, Heuking

Law Corner von Meike Dresler-Lenz und Christopher Görtz, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Die neue Corporate Sustainability Reporting Directive (Richtlinie (EU) 2022/2464, kurz ‚CSRD‘), die am 5. Januar 2023 in Kraft getreten ist, wird nicht nur Art und Umfang der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen erheblich verändern, sondern auch den Kreis der dazu verpflichteten Unternehmen. Die EU-Mitgliedstaaten müssen die neuen Regelungen bis zum 6. Juli 2024 in nationales Recht umsetzen. Die neuen Vorschriften werden in vier Stufen verbindlich:

für die Berichterstattung über ab dem 1. Januar 2024 beginnende Geschäftsjahre durch Unternehmen, die bereits heute der Richtlinie über die Offenlegung nichtfinanzieller Informationen (Non-Financial Reporting Directive, kurz ‚NFRD‘) unterliegen, die durch die CSRD abgelöst wird.

für die Berichterstattung über ab dem 1. Januar 2025 beginnende Geschäftsjahre durch sonstige große Unternehmen, unabhängig von einer Kapitalmarktorientierung. Als ‚groß‘ gelten alle Unternehmen, die mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen:
250 Mitarbeiter,
20 Mio. EUR Bilanzsumme,
40 Mio. EUR Jahresumsatz

für die Berichterstattung über ab dem 1. Januar 2026 beginnende Geschäftsjahre durch kapitalmarktorientierte kleine und mittelgroße Unternehmen (‚KMU‘), die allerdings die Möglichkeit haben, die neuen Regelungen erst für ab dem 1. Januar 2028 beginnende Geschäftsjahre anzuwenden, wenn sie in ihrem Lagebericht angeben, warum sie von dieser Opt-out-Option Gebrauch gemacht haben.

Ganz ausgenommen sind nur Kleinstunternehmen, die mindestens zwei der drei folgenden Kriterien unterschreiten:
10 Beschäftigte,
350.000 EUR Bilanzsumme,
700.000 EUR Nettoumsatzerlöse

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Für ab dem 1. Januar 2028 beginnende Geschäftsjahre müssen auch außereuropäische Unternehmen mit mindestens einer EU-Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung und einem Nettoumsatz von mehr als 150 Mio. EUR in der EU einen Nachhaltigkeitsbericht vorlegen.

Unternehmen, die der neuen Berichtspflicht unterliegen, müssen den sog. ‚dualen Wesentlichkeitsansatz‘ verfolgen, d.h. sowohl über die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekte auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens als auch über die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit des Unternehmens auf Nachhaltigkeitsaspekte berichten sowie über die Prozesse, die zur Ermittlung und Überwachung dieser Wechselwirkungen eingeführt wurden.

Die eigene Geschäftstätigkeit umfasst dabei die gesamte Wertschöpfungskette einschließlich Geschäftsbeziehungen und Lieferketten. Der Begriff ‚Nachhaltigkeitsaspekte‘ umfasst Umwelt-, Sozial-, Menschenrechts- und Unternehmensführungs-Faktoren. In den ersten drei Jahren der Berichtspflicht kann das Unternehmen auf die Offenlegung bezüglich der Wertschöpfungsketten verzichten, wenn keine Informationen dazu verfügbar sind – vorausgesetzt, es legt offen, welche Anstrengungen es unternommen hat, um solche Informationen zu beschaffen.

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Während die CSRD selbst nur allgemeine Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung festlegt, werden die spezifischen Nachhaltigkeitsaspekte, über die zu berichten ist, in einer Reihe von European Sustainability Reporting Standards (‚ESRS‘) beschrieben, die vom Sustainability Reporting Board der European Financial Reporting Advisory Group (‚EFRAG‘) erarbeitet wurden und von der Europäischen Kommission in den kommenden Jahren in delegierte Rechtsakte überführt werden sollen.

Die geforderten Angaben sind in den Lagebericht (§ 289 ff. HGB) aufzunehmen. Dieser soll spätestens vier Monate nach Geschäftsjahresende veröffentlicht werden und zehn Jahre lang öffentlich zugänglich bleiben. Anders als bisher unterliegt der Nachhaltigkeitsbericht einer externen Prüfung, deren Intensität schrittweise auf das gleiche Niveau wie bei der Finanzberichterstattung angehoben werden soll.

Handlungsbedarf besteht auch für Unternehmen, die erst ab 2026 oder 2028 den neuen Berichtspflichten unterliegen. Bis ihre Berichtspflicht greift, müssen sie Prozesse und Verfahren aufbauen, interne Kontrollen einführen und die Ressourcen aufbauen, um ihre zukünftigen Verpflichtungen zu erfüllen. Und selbst Unternehmen, die gar nicht berichtspflichtig sind, werden als Teil der Lieferkette größerer, bereits ab 2024 zur Berichterstattung verpflichteter Unternehmen schon bald indirekt von der CSRD betroffen sein und deren Fragen nach ihren Nachhaltigkeitsaktivitäten beantworten müssen.

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