Aktuelles zum Gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger

Dr. M. Sickinger (li), Dr. M. Konstantin Thelen, Heuking

Law Corner von Dr. Mirko Sickinger, LL.M., Rechtsanwalt und Partner, Dr. Martin Konstantin Thelen, LL.M., Rechtsanwalt und Associate, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Anleihegläubiger können ihr Vorgehen gegenüber der Emittentin koordinieren. Sie können Beschlüsse in einer Anleihegläubigerversammlung (AGV) fassen oder gemäß §§ 7, 8 und 19 Abs. 2 SchVG einen gemeinsamen Vertreter bestellen. Dabei handelt es sich nach Rechtsprechung des BGH um eine rechtsgeschäftliche Vertretung (BGH NJW 2018, 2193, 2195 Rn. 22). Daraus ergeben sich Folgen für die Vergütung und die Befugnisse des gemeinsamen Vertreters.

Vergütung des gemeinsamen Vertreters
Im Innenverhältnis kommt zwischen jedem einzelnen Anleihegläubiger und dem gemeinsamen Vertreter ein – unentgeltliches – Auftragsverhältnis zustande. Gemäß § 7 Abs. 6 SchVG hat die Emittentin die Kosten des gemeinsamen Vertreters zu tragen. Infolgedessen steht dem gemeinsamen Vertreter gegenüber den Anleihegläubigern ohne besondere vertragliche Abrede mit diesen kein Vergütungsanspruch zu (BGH WM 2021, 344, 345 Rn. 7 ff.; Pospiech, Law Corner vom 9. April 2021).

Sofern der gemeinsame Vertreter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Emittentin tätig wird, ist umstritten, wie sein Vergütungsanspruch gegenüber der Emittentin insolvenzrechtlich zu qualifizieren ist. Teilweise wird davon ausgegangen, es handle sich nur um eine einfache Insolvenzforderung. In der Praxis sollte sich der gemeinsame Vertreter dadurch behelfen, indem er mit der Emittentin eine Vergütungsvereinbarung trifft. Darauf findet nach überzeugender Ansicht die Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO Anwendung. Der gemeinsame Vertreter wird dann vorrangig aus der Insolvenzmasse befriedigt.

Befugnisse des gemeinsamen Vertreters
Soweit der gemeinsame Vertreter außerhalb eines Insolvenzverfahrens bestellt wird, kann er dazu ermächtigt werden, die Rechte der Anleihegläubiger für diese geltend zu machen. Die Anleihegläubiger können ihre Rechte aber auch weiter selbst geltend machen, wenn der Mehrheitsbeschluss dies ausdrücklich vorsieht, § 7 Abs. 2 Satz 3 SchVG.

Wird der gemeinsame Vertreter dagegen in der Insolvenz der Emittentin bestellt, ist nur er dazu befugt, die insolvenzspezifischen Rechte der Anleihegläubiger geltend zu machen, § 19 Abs. 3 SchVG. Diese verdrängende Vertretungsmacht kann nicht beschränkt werden (BGH NJW 2018, 2193, 2195 Rn. 25). Soweit ersichtlich geht die einhellige Auffassung in der juristischen Literatur davon aus, dass der gemeinsame Vertreter insbesondere zur Entgegennahme von Zahlungen für die Anleihegläubiger befugt ist. In der Praxis erfolgt dies dergestalt, dass der gemeinsame Vertreter ein Sonderkonto bei der von der Emittentin mandatierten Zahlstelle einrichtet und die Ausschüttung der noch ausstehenden Beträge über Clearstream veranlasst.

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Nur in Ausnahmefällen dürfte die Vertretungsmacht des gemeinsamen Vertreters nach den Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht entfallen, sodass die Emittentin z.B. Zahlung an den gemeinsamen Vertreter verweigern kann. Dafür muss der gemeinsame Vertreter bewusst und für die Emittentin bzw. deren Insolvenzverwalter erkennbar zum Nachteil der Anleihegläubiger handeln. Denkbar ist dies, wenn der gemeinsame Vertreter gegen eine ihm erteilte und dem Dritten bekannte Weisung der Anleihegläubiger verstößt.

Rechtsnachfolge in das Amt des gemeinsamen Vertreters
Zum gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger kann jede natürliche Person oder Gesellschaft bestellt werden, § 7 Abs. 1 Satz 1 SchVG. Bei Gesellschaften stellt sich die Frage, ob Umwandlungsvorgänge die Stellung als gemeinsamer Vertreter entfallen lassen. Sofern die Gesellschaft die Rechtsform wechselt, bleiben gem. § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG alle zuvor begründeten Rechte und Pflichten in der neuen Rechtsform Bestehen (sog. Grundsatz der Identitätswahrung). Davon ist auch die Stellung des gemeinsamen Vertreters, die auf einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht und einem Auftragsverhältnis beruht, umfasst.

Wird die zum gemeinsamen Vertreter bestellte Gesellschaft auf eine andere Gesellschaft verschmolzen, (ab-)gespalten oder ausgegliedert, gehen die Rechte und Pflichten aus der Bestellung zum gemeinsamen Vertreter auf den neuen Rechtsträger über. Die Bestellung zum gemeinsamen Vertreter hat keine höchstpersönliche Rechtsnatur, die einem Übergang entgegenstünde (vgl. Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, 7. Aufl. 2020, § 131 Rn. 14).

Höre alles glaube nichts misstrauisch

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Aufschluss bietet eine Entscheidung des BGH, laut der der Verwaltungsvertrag und die Organstellung einer zur Verwalterin einer Wohnungseigentumsanlage bestellten GmbH bei einer Verschmelzung auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen. Denn die Bestellenden könnten bei einer juristischen Person wie der GmbH nicht darauf Einfluss nehmen, wer Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH werde; daher stehe eine persönliche Leistungserbringung durch den Verwalter nicht im Vordergrund (BGH NJW 2014, 1147, 1149 Rn. 16 ff.). In der Literatur wird diese Ansicht auf einen Bevollmächtigten ausgedehnt.

Zugleich geht das Auftragsverhältnis des gemeinsamen Vertreters mit den Anleihegläubigern im Zuge der Verschmelzung nicht gem. § 673 S. 1 BGB unter. Die Verschmelzung lässt sich nicht mit dem in der Vorschrift genannten Tod einer natürlichen Person gleichstellen. Vielmehr enthält § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG laut der genannten BGH-Entscheidung eine besondere Vorschrift zur Rechtsnachfolge, die der Kontinuität der Rechtsverhältnisse diene. Die Argumentation des BGH dürfte sich auf Anwachsungsvorgänge bei Personengesellschaften übertragen lassen, die nicht in den Anwendungsbereich des UmwG fallen.

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