Law Corner: Praktischer Umgang mit Ad-hoc-Pflichten vor Anleiheemissionen

Dr. Thorsten Kuthe, Madeleine Zipperle, Heuking

Der Law Corner Beitrag von Dr. Thorsten Kuthe, Madeleine Zipperle, Rechtsanwälte, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln.

Durch die Einführung der Marktmissbrauchsverordnung ist ein großer Teil der Anleiheemissionen grundsätzlich der Ad-hoc-Publizitätspflicht unterworfen. Dies gilt für alle Anleihen, die in den Börsenhandel einbezogen werden. In der Praxis treten Immer wieder Fragen auf, wann und unter welchen Umständen vor einer Emission eine Ad-hoc-Publizitätspflicht entsteht.

Um dies zu klären, sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: Der (künftige) Emittent einer Anleihe, der bereits am Kapitalmarkt mit börsengehandelten Papieren aktiv ist, und der „Kapitalmarktfrischling“. Die Unterscheidung ist deswegen wichtig, da bei einem Emittenten, der erstmals am Kapitalmarkt auftritt, nur aus der neuen geplanten Emission überhaupt Ad-hoc-Publizitätspflichten entstehen können.

Diese entstehen allerdings erstmalig mit Stellung des Antrags auf Einbeziehung in den Börsenhandel. Sofern dies im Rahmen der Emission erst zu einem späten Zeitpunkt passiert, bestehen bis dahin keine Ad-hoc-Publizitätspflichten. Um möglichst flexibel in der Kommunikation zu sein, empfiehlt es sich daher, diesen Antrag erst möglichst spät zu stellen, jedenfalls nicht vor Prospektbildung.

Bei Emittenten, die bereits mit Aktien und/oder Anleihen an der Börse vertreten sind, gilt oft etwas Anderes: Hier ist nämlich die Ad-hoc-Publizitätspflicht bezüglich der neuen Emission möglicherweise wegen der Auswirkungen auf die schon bestehenden börsengehandelten Wertpapiere zu bejahen. Allerdings ist auch dies kein Automatismus, sondern im Einzelfall zu prüfen.

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Wenn eine börsennotierte Aktiengesellschaft erstmals eine Anleihe begibt, dann handelt es sich wirtschaftlich um eine geplante Kreditaufnahme. Hat diese Aktiengesellschaft beispielsweise aktuell Kredite von 300 Mio. EUR und würde einen neuen Kredit über 20 Mio. EUR aufnehmen, so käme wohl niemand auf die Idee, dies per Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen. Soll aber eine Anleiheemission über 20 Mio. EUR gestartet werden, dann spricht die Praxis oft quasi reflexhaft von einer entsprechenden Ad-hoc-Mitteilung, obwohl die Auswirkungen für die Aktieninhaber im Ausgangspunkt identisch zum Kredit sind.

Hier ist manchmal etwas mehr Zurückhaltung durchaus möglich. Das ist für die Praxis deswegen relevant, weil diese Entscheidung eine ganze Reihe an Folgen hat. So unterliegt die Investorenkommunikation im Vorfeld der Emission ganz anderen Beschränkungen und Anforderungen (Stichwort: Marktsondierung), wenn die geplante Emission als Ad-hoc-pflichtige Insiderinformation eingestuft wurde.

Soll die neue Anleihe dazu dienen, eine schon bestehende börsengehandelte Anleihe abzulösen, dann ist eine Ad-hoc-Pflicht meist zu bejahen. Das gilt unabhängig davon, ob es um ein Umtauschangebot geht (wie zuletzt von vielen Emittenten umgesetzt) oder nicht. Es besteht in der Regel Kursbeeinflussungspotenzial in Bezug auf die alte (abzulösende) Anleihe, etwa weil dann eine vorzeitige Kündigung der alten Anleihe droht oder eine Umtauschprämie in Aussicht gestellt wird. In diesen Konstellationen etabliert sich in der Praxis zunehmen das sogenannte Soft Announcement, d.h. eine frühzeitige noch relativ vage Ad-hoc-Information über eine mögliche Fremdkapitalemission, etwa im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Periodenergebnissen. Das erleichtert dann wieder die Investorenkommunikation.

Angesichts hoher Bußgelder, die von der BaFin bei Verstößen gegen die Ad-hoc-Pflicht verhängt werden, ist das Ob und Wann der Publizität genau zu prüfen. Dabei müssen aber auch die Bedürfnisse der Kommunikation und Investorenansprache bedacht werden, schließlich hilft niemandem eine durch äußerste Vorsicht so stark beschränkte Transaktion, dass diese nicht mehr platzierbar ist.

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