
Das AG Köln hat in seinem Beschluss vom 09.12.2024 klargestellt, dass in einem Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG der gemeinsame Vertreter aller Anleihegläubiger (gV) alleine berechtigt und verpflichtet ist, die Rechte der Anleihegläubiger geltend zu machen. Der gV kann im StaRUG-Verfahren Maßnahmen daher zustimmen, auch wenn ihm dieses Recht außerhalb des Restrukturierungsverfahrens gar nicht ausdrücklich eingeräumt wird. Law Corner von Dr. Lutz Pospiech, Rechtsanwalt, Partner, und Lena Gerhard, Rechtsanwältin, Senior Associate, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München
Beschluss des AG Köln (Az. 82 RES 1/24)
Das AG Köln hatte u.a. darüber zu entscheiden, ob die Gruppe der Anleihegläubiger einem befreienden Schuldnerwechsel in einem Restrukturierungsplan nach dem StaRUG rechtswirksam zustimmen konnten. Das AG Köln stellte in seinem Beschluss klar, dass ein solcher Schuldnerwechsel geregelt werden könne, wenn alle betroffenen Gläubigergruppen mit der notwendigen 75%-Mehrheit gemäß § 25 StaRUG zustimmten. Dies gelte im Verhältnis zu den Anleihegläubigern schon deshalb, da auch in § 5 III 1 Nr. 9 SchVG eine Schuldnerersetzung explizit aufgeführt sei.
Das AG Köln hatte zudem zu entscheiden, ob der bereits vor dem StaRUG-Verfahren bestellte gV, dem bei seiner Bestellung ‚nur‘ die gesetzlich vorgesehenen Aufgaben und Befugnisse eingeräumt wurden (§ 7 II 1 SchVG), dem Schuldnerwechsel für die Anleihegläubiger rechtswirksam zustimmen konnte. Das Gericht hat dies bejaht und in seiner Entscheidung ausgeführt, dass dem gV im Rahmen eines Restrukturierungsplans die alleinige Befugnis zur Wahrnehmung der Rechte der Anleihegläubiger zustehe – und damit auch die Befugnis, einem Schuldnerwechsel zuzustimmen, obwohl er dazu außerhalb des StaRUG-Verfahrens mangels Ermächtigung durch die Anleihegläubiger nicht berechtigt gewesen wäre.
Der bereits bestellte gV erstarkte nach Maßgabe von § 19 VI i.V.m. § 19 III SchVG automatisch zu einem sogenannten ‚starken‘ gV. Die Anleihegläubiger waren daher in dem Restrukturierungsverfahren nicht mehr zur selbstständigen Wahrnehmung ihrer Rechte befugt. Vielmehr trat der gV für alle Anleihegläubiger auf. Der gV traf im Rahmen seiner Rechtsmacht mit Wirkung für alle Anleihegläubiger die Entscheidungen für die Anleihegläubiger im Restrukturierungsverfahren und stimmte dem befreienden Schuldnerwechsel wirksam zu.
Bedeutung des gV bei Anleiherestrukturierung im StaRUG-Verfahren
Zur Annahme eines Restrukturierungsplans ist – vorbehaltlich der Möglichkeiten einer gruppenübergreifenden Überstimmung von Minderheiten (§ 26 StaRUG) – die Zustimmung durch jede Gläubigergruppe mit mindestens 75% der Stimmrechte erforderlich. Das Erreichen dieser Mehrheit bezieht sich nicht auf die bei der Abstimmung anwesenden oder vertretenen Gläubiger, sondern bezieht sich auf alle Forderungen und sonstigen Rechte der jeweiligen Gruppe.
Vor diesem Hintergrund wird es bei an der Börse gehandelten breit gestreuten Publikumsanleihen, für die (noch) kein gV bestellt wurde, regelmäßig unmöglich sein, diese 75%-Mehrheit zu erreichen. Ist hingegen ein gV für die betreffende Anleihe bestellt, so vertritt dieser 100% der Anleihegläubiger und stimmt einheitlich für diese ab.
Bestellung eines gV im Restrukturierungsverfahren
Ist noch kein gemeinsamer Vertreter bestellt, kann dieser entweder im Vorfeld der StaRUG-Restrukturierung nach den Regelungen des SchVG bestellt werden (noch als ‚schwacher‘ gV) oder, nachdem eine Restrukturierungsanzeige gemäß StaRUG gemacht wurde, nach den Regelungen des StaRUG.
Das Restrukturierungsgericht hat eine AGV einzuberufen, damit die Anleihegläubiger die Möglichkeit haben, einen gV zu bestellen (§ 19 II 2 i.V.m. § 19 VI SchVG). Die Details der Bestellung eines gV im Rahmen des StaRUG-Verfahrens sind rechtlich noch nicht abschließend geklärt. Nach ersten Gerichtsentscheidungen und Erkenntnissen aus der Praxis spricht viel dafür, dass der gV mit der einfachen Mehrheit gewählt werden kann und es kein Quorum für die gerichtlich einberufene AGV gibt, weil in ihr nach den Regeln für Gläubigerversammlungen in der Insolvenz abgestimmt wird (§§ 76 ff. InsO analog).
Fazit
Die Entscheidung des AG Köln verdeutlicht, dass es regelmäßig zu empfehlen sein wird, wenn in einem StaRUG-Verfahren Anleihen mit restrukturiert werden müssen, zuvor einen gV zu bestellen. Ein gV vertritt 100% der Anleihegläubiger und erstarkt nach der Restrukturierungsanzeige automatisch zum sog. ‚starken‘ gV, der alleine berechtigt und verpflichtet ist, die Rechte der Anleihegläubiger wahrzunehmen. Ein so gewählter gV könnte erforderlichenfalls auch etwaige opponierende Gläubiger einer anderen Gruppe nach den Regelungen des § 26 StaRUG (Cross Class Cram Down) überstimmen und ggf. damit einem Restrukturierungsplan zur Wirksamkeit verhelfen.
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