US-Dollar vor Wendepunkt – oder Anfang vom Ende?!

Rania Gule, leitende Marktanalystin bei XS.com / MENA, kristallisiert eine fundamentale Trendwende beim US-Dollar heraus – die bereits läuft.

Der US-Dollar erlebt derzeit eine seiner schwächsten Phasen seit Jahrzehnten und hat laut Dollar-Index (DXY) fast 9% seines Wertes verloren – ein historischer Rückgang, der in den ersten fünf Monaten eines Jahres seit fast zwanzig Jahren nicht mehr zu beobachten war. Dieser rasche und steile Rückgang wirft ernsthafte Fragen nach den Ursachen auf, ob es sich lediglich um eine vorübergehende Korrektur oder den Beginn eines tieferen, langfristigen Rückgangs handelt, und welche potenziellen wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen dies haben könnte. […]

Trotz der Schwere des Rückgangs betrachte ich dies nicht als Zusammenbruch, sondern vielmehr als eine längst überfällige Korrektur einer überzogenen Dollarbewertung, die sich in den letzten zehn Jahren aufgebaut hat. […]

Auf institutioneller Ebene hat der wachsende politische Druck auf die Federal Reserve – insbesondere durch Trump – das Vertrauen der Anleger in die Unabhängigkeit der FED erschüttert. Im globalen Finanzsystem ist das Vertrauen ebenso wichtig wie die Wirtschaftsdaten. Wenn das Vertrauen in die Autonomie der FED schwindet, führt dies zu einer neuen Ebene der Fragilität für die Zukunft des Dollars. Dies ist nicht leicht zu quantifizieren, wird sich aber wahrscheinlich in einer weiteren mittelfristigen Schwäche niederschlagen.

[…] Die USA sind zu sehr von ausländischem Kapital abhängig geworden, und jeder Rückgang des weltweiten Appetits auf US-Vermögenswerte könnte rasche Kapitalabflüsse auslösen und den Verfall des Dollars beschleunigen.

[…] Die Deutsche Bank geht davon aus, dass sich dieser Rückgang fortsetzen wird und verweist auf die schwachen Fundamentaldaten im Vergleich zum Euro und zum Yuan – eine Ansicht, die ich teile. Nicht, weil diese Währungen von Natur aus stärker geworden sind, sondern weil der Dollar nicht mehr die Faktoren beherrscht, die ihn einst so attraktiv machten. […]

US-Dollar Index auf Mehrjahrestief

Der Dollar dominiert zwar immer noch das globale System, da er bei über 80% der Transaktionen verwendet wird und etwa 60% der weltweiten Währungsreserven ausmacht, aber seine Vormachtstellung hat bereits erste Risse bekommen. Noch ist keine einzelne Währung bereit, ihn vollständig zu ersetzen, aber der globale Trend geht in Richtung einer multipolaren Währung. Dieser Wandel kann Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern, aber er hat bereits begonnen und wird sich wahrscheinlich nicht mehr umkehren.

[…] Kann der Dollar seine Rolle beibehalten, ohne sich auf Angst und Überbewertung zu verlassen? Die Antwort bleibt unklar, aber eines ist sicher – es wird nicht wie in der Vergangenheit sein. In der Welt der Währungen ist Vertrauen alles. Und wenn dieses Vertrauen schwindet, können selbst die stärksten Währungen schneller fallen, als man erwartet.

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