Underberg: „Wir steuern nach Profitabilität, nicht nach Umsatz“

Underberg VIII mit Laufzeit von 2024 bis 2030 ist seit wenigen Tagen am Start. BondGuide sprach mit Finanzvorstand Michael Söhlke über die Hintergründe der aktuellen Neuemission.

Hier geht es zu Ausgabe 18-2024

BondGuide: Herr Söhlke, was hat sich seit unserem letzten Gespräch im Herbst 2022 Neues getan bei der Underberg-Gruppe?
Söhlke: Da gibt es eine Vielzahl von Themen. Als erstes möchte ich den Oberbegriff Governance nennen, z.B. was sich bei uns im Aufsichtsrat getan hat: Mit Dr. Ludwig Ruder ist jetzt die mittlerweile sechste Generation der Familie im Aufsichtsgremium vertreten; neben seiner Mutter Dr. Hubertine Underberg-Ruder und drei weiteren starken Persönlichkeiten, die nicht der Familie angehören und eine große Expertise im FMCG-Bereich aufweisen. Der Übergang in die nächste Familien-Generation ging einher mit einer Kapitaleinbringung der Gesellschafter, sodass die Underberg Gruppe die in diesem Jahr endfällige Anleihe mit einem Restvolumen von 10 Mio. EUR im März vorzeitig und vollständig zurückgeführt hat. Und damit sind wir beim nächsten Thema, das die vergangenen Jahre gekennzeichnet hat: unsere sukzessive Rückführung der Unternehmensverbindlichkeiten. Kaum zu unterschätzen ist zudem unsere Markenmodernisierung. Ein Beispiel: Zum ersten Mal in unserer 178-jährigen Firmengeschichte trägt neben dem legendären Kräuter-Bitter ein weiteres Produkt den Namen Underberg im Titel, und zwar der Underberg Espresso Herbtini.

BondGuide: Mit Asbach sind Sie auch gut unterwegs. Ist das eine Art Retro-Trend?

Söhlke: Mit dem allgemeinen Retro-Trend hat das weniger zu tun. Denn die Impulse zu unserer Neupositionierung hat unser Team selbst gesetzt! Das ist eine herausragende Leistung, eine rundum gelungene und gezielte Ikonisierung bzw. Modernisierung. Dafür hat Asbach im Jahr 2023 den deutschen Marketing-Oscar abgeräumt, den Effie Award in Gold für das ‚Comeback des Jahres‘. Das fällt unter unseren Ansatz der Markenverjüngung sowie der Generierung neuer Zielgruppen. Dabei ist es schön zu sehen, dass wir die Unterstützung unseres Aufsichtsrats und der Familie haben. Nicht zu vergessen: Unsere Strategie und unser engagiertes, mutiges Marketing der vergangenen Jahre sind bereits im operativen Geschäft belohnt worden: 2022 und 2023 sind wir mit Asbach jeweils zweistellig gewachsen.

„Schön zu sehen, dass wir die volle Unterstützung unseres Aufsichtsrats und der Familie haben.“

BondGuide: 2022 steckten wir noch im Ausklang von Corona und der Krieg um die Ukraine begann gerade – inklusive Lieferengpässen und temporärer Inflation, die sog. Zinswende. Was ist davon geblieben bzw. noch zu spüren?
Söhlke: Für das Makroumfeld im zweiten Halbjahr 2024 trifft so gut wie gar nichts davon mehr zu. Diese Krisenjahre hatten auch wir gespürt, wir haben allerdings schnell und richtig reagiert: So hatten wir im Geschäftsjahr 2023/24 zwar nach drei Jahren mit einem durchschnittlichen Umsatzwachstum von jeweils 5,2% einen leichten Umsatzrückgang, dank Effizienzsteigerungen, Kostenkontrolle und einem starken Produktmix konnten wir das Ergebnis hingegen verbessern. Grundsätzlich steuern wir nach Profitabilität und nicht nach Umsatz.

BondGuide: In der Corporate News zur neuen Anleihe sprechen Sie jedoch die weiter vorherrschende Konsumzurückhaltung in Deutschland an. Woraus resultiert die denn – profitieren Sie nicht wie die Fernseh-Biere von einem feucht-fröhlichen Fußballsommer?
Söhlke: Die GfK, die Gesellschaft für Konsumklimaforschung, ist in ihrer Schlussfolgerung recht eindeutig: Die Fußball-EM ist ein Einmalereignis, eine Wende beim Konsumverhalten in Deutschland hat sich noch nicht manifestiert. Die höheren Preise allerorten in Geschäften – dabei nehme ich unser Sortiment nicht aus – sowie die noch immer trüben allgemeinen Wirtschaftsaussichten schlagen sich in einer gewissen Zurückhaltung der Verbraucher nieder.

Underberg Espresso Herbtini

BondGuide: Wurden Spirituosen wirklich so viel teurer in den vergangenen Jahren? Meine eigene Beobachtung ist, dass die Steigerung unterdurchschnittlich war.
Söhlke: Ihre Beobachtung trügt nicht, das hält sich alles in sehr engen Grenzen: Die Preisanstiege bei Spirituosen waren geringer als bei vielen Lebensmitteln oder anderen Getränken. Verbraucher haben allerdings heute weniger Kaufkraft als vor zwei, drei oder vier Jahren – und das wird sich erst allmählich wieder einpendeln.

„Große und gerne auch traditionsreiche Distributionsmarken nehmen wir ganz bewusst in unser Portfolio auf.“

BondGuide: Warum wuchs der Absatz außerhalb Deutschlands um ziemlich gute 11% im ersten Quartal? – offenbar herrscht andernorts weniger Konsumflaute…
Söhlke: Hier profitieren wir von unserer über Jahrzehnte erfolgreichen Internationalisierung und der damit durchweg guten Marktpositionierung. Und diese für uns wichtige Säule soll auch noch weiter an Bedeutung gewinnen. Nicht nur in den USA, auch in anderen Regionen wie etwa Skandinavien, spüren wir derzeit eben weniger Konsumzurückhaltung als hierzulande.

BondGuide: Gerade vor wenigen Wochen hatte Underberg STROH mit ins Programm genommen. Was zeichnet dieses bekannte Traditionsunternehmen aus?
Söhlke: Dem Schritt gingen natürlich eine längere Prüfung und umfassende Gespräche voraus. Große und gerne auch traditionsreiche Distributionsmarken nehmen wir ganz bewusst in unser Portfolio auf. STROH wird ab dem Jahreswechsel eine weitere Marke sein, auf die wir uns freuen.

BondGuide: Und das kannibalisiert sich auch nicht untereinander im Portfolio der Underberg-Gruppe, das ja schon ansehnliche Größe angenommen hat?
Söhlke: Keineswegs, da sind wir sehr aufmerksam. Wir schauen als Vollsortiment-Anbieter, wo wir noch eventuelle Lücken haben könnten und ob wir diese nicht durch eine Distributionsmarke schließen wollen. Ein weiterer Kräuterbitter neben Underberg ist allerdings kein Thema.

Revival des Jahres 2023: Asbach Uralt

„Im Hause Underberg kann es nur den Einen geben – das Kräuterbitter Original.“

BondGuide: Nach dem Motto ‚Es kann nur Einen geben‘?
Söhlke: Es gibt sicherlich auch andere Kräuterbitter. Aber im Hause Underberg kann es nur den Einen geben – das Original.

BondGuide: Wie kann man sich die Analyse von möglichen Zukäufen bei Underberg vorstellen: Suchen Sie gezielt nach einer Portfoliolücke in Ihrem reichhaltigen Sortiment oder schauen Sie einfach, was am Markt so auf Sie zukommt, da ggf. in Schwierigkeiten?
Söhlke: Marken wie STROH oder Linie Aquavit gehören internationalen Brand Owner, wir vertreiben diese exklusiv in Deutschland. Bei diesen sogenannten Prinzipalmarken kommt der Impuls in der Regel von uns. Umgekehrt bekommen wir nahezu wöchentlich Anfragen von kleinen Marken, ob wir Herstellung und/oder Vertrieb übernehmen könnten. Da gehen wir sehr selektiv vor, um den Fokus zu halten.

Portfolio von Underberg

BondGuide: Jetzt wieder sechs Jahre Laufzeit bei der neuen Anleihe – damit sich die Fälligkeiten nicht überschneiden?
Söhlke: Richtig – natürlich möchten wir nicht alle Fälligkeiten in einem einzelnen Jahr. Wir haben nunmehr eine Anleihe mit Endfälligkeit 2028 und die neue mit Endfälligkeit 2030. Das optimierte Fälligkeitenprofil gibt den Investoren und uns weitere sechs Jahre Planungssicherheit; auch die geringe Zyklizität unseres Geschäftsmodells mit einer über den Zeitablauf sehr stabilen Entwicklung sprechen für die Laufzeit.

BondGuide: Nun sehen wir gerade, dass die Inflation schon auf Normalmaß rückläufig war. Wäre da nicht eine inflationsindexierte Anleihe, wie sie schon einige Emittenten auffuhren, überlegenswert gewesen?
Söhlke: Für uns steht die Planbarkeit im Zentrum. In diesem Zusammenhang zeichnet uns sicher eine konservative Herangehensweise aus, das ist bewusst so gewollt. Dazu passt, dass wir abermals schon ein Jahr vor Ablauf der Anleihe 2019/25 mit der Refinanzierung an den Markt herantreten.

BondGuide: Und mit dem Kupon – der höchste seit langem bei Underberg – kann der Finanzvorstand noch leben?
Söhlke: Wir schauen stets auf unseren Zinsdeckungsgrad und andere Kennzahlen, und die haben sich in jüngerer Vergangenheit allesamt positiv entwickelt. Wichtig in der Betrachtung ist auch, dass bereits im März 2024 eine bestehende Anleihe frühzeitig und vollständig zurückgeführt wurde. Allein dadurch ist unsere jährliche Zinsbelastung spürbar niedriger geworden – mit Spielraum für die neue Emission. Warum ist die Bookbuilding-Spanne vergleichsweise weit? Vor drei Wochen gerade brach der Nikkei um über 10% ein, wir möchten schlichtweg flexibel sein mit Blick auf den endgültigen Kupon.

Es kann nur den Einen (Kräuterbitter) geben – hier als Paar

„Falls eine neue Maschine zur Effizienzsteigerung verfügbar sein sollte, dann können und werden wir das jederzeit aus Bordmitteln stemmen.“
 
BondGuide: Wie steht es in Ihrem Metier mit Investitionen in neue Technik, Anlagen etc.: Muss man da ständig am Ball bleiben?
Söhlke: Im Zeitraum 2021/22 hatten wir 5 Mio. EUR in Produktionsanlagen und eine neue Halle am Standort Rüdesheim investiert, wo sich die Kleinflaschenabfüllung befindet und Asbach produziert wird. Wir haben uns dann zu einem kontinuierlicheren Ansatz entschlossen, d.h. lieber jedes Jahr etwas investieren als einen großen Erneuerungszyklus nur jedes Jahrzehnt zu starten. Falls eine neue Maschine zur Effizienzsteigerung verfügbar sein sollte, dann können und werden wir das jederzeit aus Bordmitteln stemmen. Das haben wir zum Beispiel gerade vergangenes Jahr gemacht: Diese neue Maschine war nicht budgetiert, aber sie war aufgrund der zu erwartenden Leistungssteigerung absolut sinnvoll für uns.

Michael Söhlke

BondGuide: Gibt es externe Faktoren, die einer Underberg schlaflose Nächte zu bereiten in der Lage wären?
Söhlke: Dazu nur ein Beispiel: Als die Energiepreise 2022 so rasch anstiegen, hat unser Glasproduzent die Preise praktisch über Nacht drastisch – teils um bis zu 70% – angehoben. Und das sind Preissteigerungen bei unseren Basismaterialien, die wir unmöglich zeitnah, falls überhaupt, an den Handel weiterreichen können. Das war durchaus signifikant für uns als Spirituosenhaus mit großem Glas-Bedarf. Aber schlaflose Nächte? – nein. Strategisch sind wir jetzt sehr gut aufgestellt. Aber man kann nie ausschließen – das haben die vergangenen Jahre gezeigt –, dass es zwischendurch auch einmal ungemütlich wird.

BondGuide: Herr Söhlke, ganz herzlichen Dank an Sie für Ihre Zeit und die interessanten Einblicke! – und natürlich viel Erfolg bei der neuen Emission.

Das Interview führte Falko Bozicevic

——————————–

! NEU ! Die erste BondGuide Jahresausgabe 2024 ist erschienen (23. Apr.): ‚Green & Sustainable Finance 2024‘ kann wie gewohnt kostenlos als e-Magazin oder pdf heruntergeladen werden.

Ausgabe 3/2023 Biotechnologie 2023 der Plattform Life Sciences ist erschienen. Die Ausgabe kann bequem als e-Magazin oder pdf durchgeblättert oder heruntergeladen werden.

Bitte nutzen Sie für Fragen und Meinungen Twitter – damit die gesamte Community davon profitiert. Verfolgen Sie alle Diskussionen & News zeitnaher auf Twitter@bondguide !