Steht es um den deutschen Mittelstand wirklich so schlecht?

Ralf Meinerzag, CIO, SGMF I, Steubing AG
Steubing

Die jüngsten Nachrichten zum deutschen Mittelstand scheinen wenig vielversprechend. Sie vermitteln den Eindruck, kleine und mittelständische Unternehmen seien chronisch unterfinanziert (Schlagworte: Finanzkrise, staatliche Zwangsrettung etablierter Mittelstandsbanken wie IKB, WestLB oder Commerzbank) und führungslos. Eine Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit aus den vergangenen Wochen:

  • Mittelstand erhält weniger Kredite“ (Deutsche Mittelstands Nachrichten, 5. Oktober 2013)

  • Ein Viertel aller Mittelständler sucht Nachfolger“ (Bundesverband mittelständische Wirtschaft, 23. September 2013)

  • Kreditrückgang in der Eurozone – wie hoch ist das Wachstumsrisiko für 2014?“ (IKB Information, 8. Oktober 2013)

  • Mittelstand fürchtet Koalitionsverhandlungen“ (Manager Magazin, 10. Oktober 2013)

  • Commerzbank verdient weniger mit dem Mittelstand“ (Handelsblatt, 8. Oktober 2013)

  • Die Eurorettung gefährdet den Mittelstand“ (Deutsche Mittelstands Nachrichten, 28. September 2013)

  • Mittelständler finden keine Manager“ (Handelsblatt, 11. Oktober 2013)

  • Mittelstand vor Refinanzierungswelle“ (Börsenzeitung, 8. August 2013)

  • Finanzierung fünf vor zwölf“ (Börsenzeitung, 9. Juli 2013)

  • Mehr Firmenpleiten im ersten Halbjahr“ (Börsenzeitung, 5. Juli 2013)

Wir möchten den Wahrheitsgehalt der zitierten Artikel nicht anzweifeln, jedoch vermitteln sie in der Regel, sicherlich auch der Funktionsweise der Medien mit ihrer Suche nach einer leserlockenden Überschrift geschuldet, ein unvollständiges Bild. Insbesondere langfristige Entwicklungen und Zahlen bleiben außen vor. So dürfen bei der Betrachtung des deutschen Mittelstands folgende Eigenschaften nicht fehlen:

  • Eigenkapitalstark: Nachdem 1990 noch die Hälfte der mittelständischen Unternehmen in Deutschland über gar kein Eigenkapital verfügte, ist dieser Wert unter ein Viertel gesunken. Gehobene mittelständische Betriebe (EK-Quote 28,5%) nähern sich hier sogar Großunternehmen an.

  • Ausbilder der Nation: 81% der Ausbildungsplätze in Deutschland werden von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bereit gestellt

  • Beschäftigungsmotor: 150.000 neue Stellen im Jahr 2013 erwartet

  • Umsatzstark: Der Gesamtumsatz aller deutschen Mittelständler lag 2010 um 75% höher als bei den 30 DAX-Unternehmen

  • Innovativ: Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung von KMU sind um 71% gestiegen, 54% der deutschen KMU brachten von 2008-10 eine Produkt- oder Prozessinnovation auf den Markt

  • International: Der Auslandsumsatz steigt seit Jahren an und lag 2012 schon bei knapp 660 Mrd. EUR

Auch die kurzfristigen Nachrichten sind alles andere als ausschließlich negativ: So zeigt sich der deutsche Mittelstand ausdrücklich investitionsfreudig, rund 69% der industriellen Mittelständler planen für 2013 mehr oder gleich bleibende Investitionen (Quelle: BDI-Mittelstandspanel). Die Kassen sind ebenfalls gut gefüllt, im Schnitt möchten die Unternehmen gerne 3,1 Mio. EUR anlegen, womit sich das durchschnittliche Anlagevolumen binnen 18 Monaten fast verdreifacht hat (Quelle: Fachhochschule des Mittelstands). Und die Stimmung ist intakt: Zwar gab es beim KfW-ifo-Mittelstandsbarometer im September 2013 nach zuletzt vier Anstiegen in Folge einen kleinen Rücksetzer beim Geschäftsklima (minus 0,7 Punkte auf 14,3), dieser fiel jedoch im Vergleich ausgesprochen schwach aus, so dass der Aufwärtstrend prinzipiell weiter intakt ist.

Fazit
Natürlich ist im deutschen Mittelstand nicht alles „Eitel Sonnenschein“. Aber die grundlegenden Daten und Fakten sind mehr als intakt, was trotz negativer Presse nicht übersehen werden sollte. Dies betrifft auch die in Folge von Basel III immer wieder zitierte Kreditklemme. Auf der einen Seite stimmt es, dass Banken bei der Kreditvergabe aktuell deutlich restriktiver vorgehen. Auf der anderen Seite sollte nicht übersehen werden, dass sich das System der Unternehmensfinanzierung derzeit strukturell wandelt und zu den klassischen zwei Säulen (Eigenkapital & Bankkredit) mittlerweile eine dritte – Unternehmensanleihen – hinzugekommen ist, die auch bei Investoren immer mehr Anklang findet.

–> www.germanmittelstandfund.de