Risikobehaftete Anlageklassen haben sich erholt: Die Märkte scheinen unbesorgt

Nach der zwischenzeitlich drohenden Bankenkrise Mitte März haben sich risikobehaftete Anlageklassen wieder erholt. Auch zurecht? Von Gerit Heinz*

Der S&P 500 sowie der Euro Stoxx 50 erreichten im Wonnemonat Mai neue Jahreshöchststände. Aufschläge von Unternehmensanleihen engten sich ein. Auch wenn der Höhepunkt dieses Zinszyklus langsam erreicht sein dürfte, scheinen die Märkte angesichts der sich abschwächenden wirtschaftlichen Entwicklung und der anhaltend hohen Inflation relativ unbesorgt.

Nachlassender, aber hartnäckiger Inflationsdruck

Die Eurozone im Speziellen profitierte in diesem Jahr der abebbenden Energiekrise, großzügigen fiskalischen Stimuli und der Erholung Chinas. Das BIP-Wachstum in China überraschte positiv mit 4,5% gegenüber dem Vorjahr, was in der Kombination die europäische Aktienmarktentwicklung in diesem Jahr stark begünstigt hat. Im zweiten Quartal sollte die chinesische Volkswirtschaft aufgrund der Nachholeffekte in Folge der Lockerung von Corona-Restriktionen sogar noch dynamischer wachsen. Vorlaufindikatoren wie Einkaufsmanagerindizes für Dienstleistungen stiegen im Euroraum zuletzt weiter.

Foto: © xtock – stock.adobe.com

[…]

Allerdings wirken die Leitzinsen bereits jetzt zunehmend restriktiv, also die Wirtschaft dämpfend. Die Kreditkonditionen in den USA wurden zuletzt restriktiver und die kurzfristigen Zinsen bewegen sich sogar über der aktuellen Inflationsrate. Investoren, Verbraucher und Unternehmen wird damit ein echter Anreiz gegeben, zu sparen und größere Anschaffungen oder Investitionen zurückzuhalten. In Kombination mit den restriktiveren Kreditbedingungen sollte es in der Konsequenz im weiteren Jahresverlauf zu einer merklichen Verlangsamung der Wirtschaftsaktivität und damit auch der Inflationsrate kommen.

Foto: © Yevheniia – stock.adobe.com

Anzeichen dafür gibt es in den USA bereits seit einiger Zeit: Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe, die unter der Marke von 50 notieren, die inverse Zinsstrukturkurve oder auch der Rückgang der Geldmenge (M1 oder M2), die allesamt Vorwarnsignale für eine schwache Konjunktur sind. Nervosität macht sich auch am extrem kurzen Ende der Zinsstrukturkurve angesichts der laufenden Debatte um eine Erhöhung der US-Schuldenobergrenze breit.

Die Renditen einmonatiger Schatzanweisungen liegen in den USA derzeit über den Leitzinsen der FED und zeugen von der Nervosität des Marktes. Die politischen Verhältnisse in den USA sind kompliziert. 2011 führte die langandauernde Debatte beinahe zum Zahlungsausfall und hatte Turbulenzen am Aktienmarkt zur Folge. Damals war die Wirtschaft auf dem Weg aus einer Rezession, dieses Mal befindet sie sich auf dem Weg in eine Rezession. Auch wenn ein ultimativer Zahlungsausfall der USA höchst unwahrscheinlich ist, kann die fortlaufende Besorgnis doch die Märkte in den nächsten Wochen beeinflussen.

[…]

Anleger bleib wachsam

Angesichts des bevorstehenden geldpolitischen Wendepunkts in den USA bleibt die Situation herausfordernd. Anleger bewegen sich im Zwiespalt zwischen der Partizipation an der besser als erwarteten ökonomischen Entwicklung und andererseits der Positionierung gegen den nahenden wirtschaftlichen Abschwung.

Gerit Heinz

Die aktuellen Aktienmarktbewertungen implizieren ein solides Gewinnwachstum. Zwar unterstützt die Inflationsentwicklung die (nominale) Gewinnentwicklung der Unternehmen, ein wirtschaftlicher Abschwung dürfte aber den Gewinnen zusetzen. Wir nehmen daher eine neutrale Haltung zu den Aktienmärkten ein. Sollte es global zu einem Wechsel von einem Zinsanhebungs- in ein Zinssenkungsregime kommen, dürften zinssensitive Aktien, wie z.B. Technologiewerte in der Gunst der Anleger weiter steigen.

[…]

*) Gerit Heinz ist Leiter Portfoliomanagement bei Bellevue Asset Management Deutschland

————————

! NEU ! Die erste BondGuide Jahresausgabe 2023 ist erschienen: Green & Sustainable Finance 2023 (4. Jg.) kann wie gewohnt kostenlos als e-Magazin oder pdf heruntergeladen werden.

Die Ausgabe 3/2022 Biotechnologie 2022 der Plattform Life Sciences ist erschienen. Die Ausgabe kann bequem als e-Magazin oder pdf durchgeblättert oder heruntergeladen werden.

Bitte nutzen Sie für Fragen und Meinungen Twitter – damit die gesamte Community davon profitiert. Verfolgen Sie alle Diskussionen & News zeitnaher auf Twitter@bondguide !