„Oft wird erst kommuniziert, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“

Bittere Medizin - manchmal geht's nicht anders.

Gespräch mit Klaus Rainer Kirchhoff, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Kirchhoff Consult, über Pleiten, Pech & Pannen in der Kommunikation im Markt für Mittelstandsanleihen.

BondGuide: Herr Kirchhoff, wie beurteilen Sie aus Sicht eines Kommunikationsberaters  das letzte Jahr in Bezug auf den Markt für Mittelstandsanleihen?
Kirchhoff: Leider hatten wieder einige Firmen Probleme, ihre Anleihen zu bedienen, was mich jedoch nicht wirklich überrascht hat. Zuletzt betraf dies sogar ein Unternehmen mit einer Anleihe, die nur ein Jahr Laufzeit hatte. Da fragt man sich, was in einem Jahr so Außergewöhnliches passieren kann, das die Rückzahlung unmöglich macht. Da solche Probleme erst kommuniziert werden, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, fühlen sich Anleger zu recht getäuscht. Auf diese Weise wird der für Unternehmen so wichtige Anleihemarkt leichtfertig beschädigt.

BondGuide: Ihr Haus ist in diesem Markt relativ überschaubar unterwegs, oder?
Kirchhoff: Bei Anleihen waren wir in der Vergangenheit zurückhaltend. 2013 haben wir die Mittelstandsanleihe der Rickmers Group – mit 225 Mio. EUR die größte Mittelstandsemission des Jahres – in den Prime Standard begleitet; daneben haben wir uns auf Kapitalerhöhungen und M&As konzentriert.

BondGuide: Hatten Sie die Sorge, dass es zu Reputationsschäden gekommen wäre, wenn Sie mehr gemacht hätten?
Kirchhoff: Als der Anleihemarkt begann, haben wir uns die ersten Kandidaten angeschaut und bei vielen Unternehmen festgestellt, dass sie eigentlich nicht mehr kreditwürdig waren. Und für einen klassischen Börsengang waren sie auch nicht reif. Nach der leidvollen Erfahrung in der Endphase des Neuen Marktes sind wir sehr vorsichtig gewesen. Die Tatsache, dass sich in den vergangenen drei Jahren bei 53 von rund 200 Emittenten von Mittelstandsanleihen das Rating verschlechtert hat, zeigt, dass unsere Befürchtungen berechtigt waren. Nur fünf Emittenten erhielten ein besseres Rating. Dabei erfolgten Senkungen um durchschnittlich 2 Stufen, Anpassungen nach oben um genau eine Stufe.

BondGuide: Sie werden also kein Freund mehr von Ratings?
Kirchhoff: Ratings sind grundsätzlich wichtig und im Sinne des Kapitalmarktes. Allerdings muss man sich die Praxis genau anschauen. Verständlicherweise gab es

immer wieder Kritik an den erteilten Bonitätsnoten der kleinen deutschen Rating-Agenturen. Der Solarzulieferer Sic Processing etwa wurde von einer Agentur im März 2012 noch mit der Note „BBB+“ bewertet. Das entspricht der Einstufung des Bertelsmann-Konzerns durch die großen amerikanischen Rating-Agenturen. Überlegen Sie selbst, ob das glaubwürdig ist. Wie soll ein Privatanleger das verstehen?

BondGuide: Wie weit sitzt man als Agentur eigentlich am Steuer?
Kirchhoff: Das ist sehr unterschiedlich von Management zu Management. Es gibt Vorstände, die ohnehin alles besser wissen, da stößt man mit Ratschlägen auf taube Ohren. Aber es gibt gerade im Mittelstand viele Unternehmer, die sich Experten ins Haus holen, weil das Thema Anleihemarkt für sie neu ist und sie sich gern begleiten lassen. Man muss sich aber das Vertrauen erarbeiten.

BondGuide: Was tut man, wenn der Emittent quasi beratungsresistent ist?
Kirchhoff: Zwei Möglichkeiten: man lässt den Kunden gewähren und fügt sich, oder man legt das Mandat nieder. Ich habe in meiner Laufbahn einige Mandate abgelehnt oder beendet, weil Vorstände ihren eigenen Weg gehen wollten, den ich nicht mitgehen mochte.

BondGuide
: Ein Beispiel: Der Kurs einer Anleihe sackt um 20 Prozentpunkte ab, obwohl es keine neuen Nachrichten gibt. Wie reagieren Sie, was raten Sie dem Emittenten?
Kirchhoff: Es gibt ja immer einen Grund für solche Kursbewegungen. Wenn es lange Zeit keine Nachrichten gibt, ist dies für manche Anleger schon Grund genug, auszusteigen. Daher sollten die Emittenten kontinuierlich über ihr Geschäft informieren. In Ihrem Beispiel kann es aber auch daran liegen, dass Gerüchte die Runde machen. Wir scannen daher täglich für alle Kunden die Finanz-Foren, in denen oft Gerüchte verbreitet werden. Abhängig von dieser Analyse empfehlen wir individuelle Maßnahmen. Das lässt sich allerdings pauschal nicht seriös beantworten.

BondGuide
: Ein anderer Fall: Die Anleihelaufzeit beträgt fünf Jahre, aber nach einem Jahr möchte der Emittent die Kosten für die IR einsparen, da die Anleihe ja schließlich schon platziert ist. Was sagen Sie dazu?
Kirchhoff: Ich würde aus der Anleihe aussteigen. Ein Problem im Anleihemarkt ist ja die mangelnde Transparenz und das dadurch wachsende Misstrauen. Viele Emittenten lassen nach der Platzierung über Monate nichts von sich hören und melden sich erst wieder in einer Krisensituation. Dann sollen es die Berater richten. Ich würde Unternehmen heute empfehlen, freiwillig höhere Kommunikationsstandards zu erfüllen, zum Beispiel unterjährige Berichterstattung, regelmäßige Conference Calls mit Investoren etc. um meine Anleihe von anderen deutlich abzuheben. Professionelle IR sind keine Kosten, sondern Investitionen in Vertrauen und ein Weg zur Wertsteigerung.

BondGuide: Ist es nicht ein Versäumnis, dass den Emittenten (anders als im Prime Standard) bis heute nicht mindestens ein verpflichtender Event-Termin pro Jahr ins Aufgabenheft geschrieben werden konnte?
Kirchhoff: Nicht nur das. Alle Beteiligten sollten von sich aus höhere Maßstäbe ansetzen: bei der Vorbereitung des Unternehmens auf den Kapitalmarkt, bei der Platzierung und bei der laufenden IR. Nur so kann sich Qualität durchsetzen. Wir brauchen den Anleihemarkt, in Zukunft mehr denn je zur Wachstumsfinanzierung von Unternehmen – vor allem im Mittelstand. Aber eben dafür, und nicht, um Pleitekandidaten etwas länger am Leben zu halten.

BondGuide: Glauben Sie an eine Veränderung zum Guten?
Kirchhoff: Seit einiger Zeit interessieren sich zunehmend professionelle Anleger mit entsprechend hohen Ansprüchen an die Bonität der Emittenten für den Markt der Mittelstandsanleihen. Aus diesem Grund habe ich die Hoffnung, dass sich die Spreu vom Weizen trennen wird.

BondGuide: Brauchen wir überhaupt einen ausgesprochenen Markt für Mittelstandsanleihen?

Kirchhoff: Ein klares Ja: Mittelstandsanleihen ermöglichen die Diversifizierung der Finanzierung und können gesunde Unternehmen noch stärker machen. Daher sind sie für Unternehmen und Investoren eine willkommene Alternative.

BondGuide:
Herr Kirchhoff, vielen Dank für die klaren Worte!

Das Interview führte Falko Bozicevic.

K R Kirchhoff Klaus Rainer Kirchhoff, Kirchhoff Consult, Hamburg