Niedergang oder Neuanfang: Wie geht es weiter mit der deutschen Autoindustrie?

Automobil I
@ John Cameron / Unsplash.com

Ein Blick in die Medien verrät ganz eindeutig, welche Branche aktuell hauptsächlich für das lahmende Wirtschaftswachstum verantwortlich sein soll: die deutsche Autoindustrie. Stimmt das aber? Von Robert Steininger*

Berichte über verschlafenen technologischen Wandel, Arbeitsplatzverluste und einen langen Niedergang machen des Öfteren die Runde. Dies ist zum einen tragisch für die deutsche Wirtschaft, aber auch für Anleger und Verbraucher Grund genug, einmal einen genaueren Blick auf die Entwicklung sowie die Zukunftsaussichten zu werfen.

Wie steht es um die Autoindustrie wirklich?

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass es aktuell tatsächlich ein kleines Beben in der Branche gibt:

  1. Bereits 50.000 Jobs weniger und ein Ende ist nicht abzusehen

Aktuell geht der Experte Ferdinand Dudenhöffer davon aus, dass in der Autoindustrie hierzulande bereits 50.000 Jobs weggefallen sind oder in naher Zukunft wegfallen werden. Dies geht aus den Jobabbauprogrammen der einzelnen Unternehmen hervor und man rechnet allgemein damit, dass die Jobverluste in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Die Ursachen dabei sind vielfältig:

  • Elektroautos sind einfacher: Da die Konstruktion von Elektroautos weniger Einzelteile erfordert, geht dies zu Lasten der Zulieferer. Studien aus verschiedenen Quellen sagen aus, dass durch diesen Umstand bis 2030 zwischen 125.000 und 360.000 Arbeitsplätze verlorengehen.
  • starke Konkurrenz: Auch die starke Konkurrenz von Technologieunternehmen aus Asien und den USA sorgt dafür, dass die deutschen Autobauer im Wettbewerb zurückfallen könnten. Dies hätte ebenfalls weitere Jobverluste zur Folge.
  • wirtschaftliche Entwicklung: Die allgemeine Unsicherheit durch den internationalen Handelskrieg, den BrExit und seine Auswirkungen sowie die allgemeine Konjunkturschwäche sorgen für zusätzlichen Abwärtsdruck.
  1. Starke Umsatz- und Gewinneinbrüche


Auch ein Blick auf die Umsätze sowie Gewinne der deutschen Autoindustrie zeigt sehr deutlich die ersten Risse in der Fassade. Ein kleiner Einblick:

  • Schaeffler: Überschuss im zweiten Quartal um die Hälfte auf 136 Mio. EUR eingebrochen
  • Continental: Gewinneinbruch im zweiten Quartal 2019 um 41% auf 484,4 Mio. EUR
  • BMW: Einbruch des Ergebnisses vor Zinsen und Steuern im zweiten Quartal 2019 um ca. 20% auf 2,2 Mrd. EUR


Andere Autobauer wie Daimler oder VW konnten zuletzt zwar mit guten Zahlen aufwarten, jedoch zeigt sich auch dort, dass der Verbrennungsmotor als Selbstläufer so nicht mehr funktioniert.

Können die deutschen Autobauer sich auch künftig noch auf dem Weltmarkt behaupten? Für die deutsche Wirtschaft könnte das eine existenzielle Frage sein. @ Benjamin Child / Unsplash.com

Trotzdem existieren auch Signale, die Grund zur Hoffnung geben. So ist der Autoabsatz in Deutschland schon im September 2019 wieder nach oben geschnellt. Es konnten mit 245.000 Neuwagen ca. 22% mehr Autos verkauft werden als im Vorjahresmonat. Hierbei muss allerdings angemerkt werden, dass viele Autobauer 2018 wegen der WLTP-Abgasregelumstellung sehr wenige Autos verkauft hatten. Die Vergleichswerte aus dem Vorjahr bewegten sich also auf einem relativ niedrigen Niveau. Zusätzlich könnte der weltweite Absatzmarkt und hier vor allem China nahezu abstürzen – Einbrüche von bis zu 20% liegen im Bereich des Wahrscheinlichen.

Was bedeutet die Entwicklung für Anleger und Konsumenten?

Auch wenn Experten wie Ferdinand Dudenhöffer sogar Unternehmenspleiten nicht ausschließen, wird dies wahrscheinlich nicht die großen deutschen Autobauer treffen. Wahrscheinlicher sind in diesem Zusammenhang eher Fusionen – so könnten beispielsweise BMW und Daimler versuchen, gemeinsam noch mehr Gewicht auf dem Automarkt zu entfachen. Auch ein Kauf von Tesla durch VW wäre durchaus eine interessante Option, die nicht auszuschließen ist.

Für Anleger auf dem Anleihemarkt bedeutet die Krise aktuell vor allem eins: attraktive Investitionsmöglichkeiten. Die Autobauer benötigen Geld, um mit dem technologischen Wandel Schritt halten zu können. Zu diesem Zweck hat BMW bereits im April eine neue interessante Anleihe mit einem Kupon von 3,625% (WKN: A2R07C) auf den Markt gebracht. Wer sich für entsprechende Anlagemöglichkeiten interessiert, sollte die Neuemissionen in diesem Bereich also durchaus im Blick behalten.

Konsumenten können sich in Krisenzeiten der Autobranche hingegen fast immer auf Verkaufshilfen freuen. Die Bundesregierung hat beispielsweise mit der Autoindustrie eine Verlängerung und Erhöhung der Kaufprämie für Elektroautos vereinbart. So können Käufer künftig bis zu 6.000 EUR Prämie erhalten, wenn sie sich bis Ende 2025 für ein Elektroauto mit einem Listenpreis bis 40.000 EUR entscheiden. Auf diesem Weg werden auch verhältnismäßig teure Elektroautos zunehmend erschwinglicher. Zusätzlich fällt der Kredit für das eigene Auto somit kleiner aus, was die Zinskosten zusätzlich mindert. Wer zusätzlich Konditionen vergleicht, macht die Finanzierung noch einmal günstiger.

Kann die deutsche Autoindustrie ihren Spitzenplatz behaupten?

Die Zukunftsaussichten für die deutsche Autoindustrie sind nicht so düster, wie sie mitunter gezeichnet werden. Fakt ist allerdings, dass die Autobauer sich hierzulande auf ihre bewährten Geschäftsmodelle verlassen haben und viel zu spät in die Elektromobilität eingestiegen sind. Doch dies soll sich nun ändern:

  • VW will bis 2030 ca. 30 Mrd. EUR in die Elektromobilität investieren und ca. 70 neue E-Modelle auf den Markt bringen.
  • BMW plant bis 2023 ca. 25 marktreife E-Modelle zu konzipieren. Zusätzlich sollen jedoch auch Technologien wie die Brennstoffzelle nicht komplett aus dem Fokus verschwinden.
  • Daimler plant Investitionen von 10 Mrd. EUR, um 2025 mit 10 E-Modellen aufwarten zu können.


Was die großen Autobauer hierzulande stark macht, ist ihre nach wie vor riesige Finanzkraft. Die Erfolge der letzten Jahrzehnte haben dafür gesorgt, dass beispielsweise VW trotz der hohen Kosten aus dem Dieselskandal (geschätzt 30 Mrd. EUR) trotzdem noch rekordverdächtig hohe Entwicklungsinvestitionen vornehmen kann. Die Konkurrenz aus Asien und aus den USA (Tesla und Google) wird stärker und trumpft mit innovativen Ideen auf, jedoch ist noch nicht ausgemacht, ob diese die deutschen Autobauer vom Branchenthron stürzen können.

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Der Handelsstreit trägt auch seinen Anteil dazu bei, dass derzeit einige Räder nicht ganz rund laufen. Foto: © Cybrain – stock.adobe.com

 

Die Zukunft der deutschen Autoindustrie dürfte spannend werden

Die deutsche Autoindustrie steht sicherlich vor den größten Herausforderungen der letzten 50 Jahre. Viele Autobauer haben zu lange nur auf ihre Cash Cows gesetzt und dabei die wirklichen Innovationen rund um neue Antriebe verschlafen. Mittlerweile bewegt sich etwas und es bleibt abzuwarten, ob es mit Hilfe der großen Finanzkraft der Autobauer gelingen wird, den Karren wieder aus dem Dreck und in die Spur zu bringen.

*) Robert Steininger ist Spezialist für u.a. Anlagestrategien und publiziert regelmäßig zu Fachthemen wie Online-Strategien, Investment-Strategien und Verhaltensanalyse.