Nicht nur Griechenland überholt Frankreich

Griechenland ist in Europa nicht länger Nachzügler, sondern Taktgeber, und das auch für die Portfolios der Anleger. Von Jan Schippmann*

Frankreich steht eine Phase erhöhter politischer Instabilität bevor: Für den 8. September hat Premierminister François Bayrou eine Vertrauensabstimmung in der Nationalversammlung angesetzt.

Sollte die Regierung scheitern, müsste sie zurücktreten. Das ist ein durchaus wahrscheinliches Szenario. Das könnte kurzfristig die Marktvolatilität verstärken – und schwächt die französische Wirtschaft langfristig noch weiter. Bereits heute steht Frankreich bei vielen Kennzahlen schlechter da als Griechenland, das ehemalige Sorgenkind der Eurozone.

Griechenland inzwischen Musterknabe

Was vor zehn Jahren undenkbar schien, ist eingetreten: Griechenland hat Frankreich an den Kapitalmärkten klar hinter sich gelassen. Der Athener Leitindex ATHEX läuft dem CAC 40 sowohl im Zehnjahres- als auch im Fünfjahresvergleich deutlich davon. Wichtiger fast noch: Die Zinsen und damit Finanzierungskosten Athens sind drastisch gefallen, die Zinsstruktur hat sich normalisiert. Aus dem einstigen Problemkind der Staatsschuldenkrise ist ein Musterknabe geworden.

Athen, Griechenland

Dies zeigt sich an vielen Kennzahlen und vor allem an den Märkten: eine gewaltige Aufholrallye nach der Schuldenkrise, flankiert vom Turnaround des Bankensektors und dem Wiederaufstieg des Ratings in den Investment-Grade-Bereich. In den vergangenen zwei Jahren hatte Athen einen absoluten Bullenlauf, während der französische Aktienmarkt gemessen am CAC 40 unter politischer Unsicherheit und einer Schwächephase im Luxussegment ächzte. Parallel wandelten sich die Zinskurven: von extrem hoch und steil in Griechenland und ultratief in Frankreich im Jahr 2015, über die Corona-Tiefstände 2020, hin zur Inversion 2023 und einer erneuten Versteilung seit 2025, getragen von sinkenden EZB-Leitzinsen.

Im Langfristvergleich seit 2015 legte der ATHEX bis zum Stichtag 28. August als Kursindex um rund 230% zu, während der CAC 40 etwa 66% gewann. Dieser Vorsprung spiegelt die dramatische Neubewertung wider, die Griechenland erfahren hat. Die Rendite griechischer Zehnjahresanleihen, die 2015 in der Spitze bei etwa 19% lag, bewegt sich heute bei rund 3,3 bis 3,5% – ein sichtbares Zeichen für Risikoabbau. In Frankreich stieg die Rendite zehnjähriger Papiere dagegen von etwa 1% im Jahr 2015 auf rund 3,5% im Jahr 2025.

Frankreich: politische Risiken, zyklische Abkühlung, steigende Staatsverschuldung

Die makroökonomische Erklärung für diesen Paradigmenwechsel ist vielschichtig: Das Rating-Upgrade Griechenlands senkte die Finanzierungskosten, zog Kapital an und komprimierte die Spreads. In Frankreich belasteten schon 2024 politische Risiken den Bewertungsrahmen. Zugleich traf der zyklische Abkühlungsprozess im Luxussegment den CAC 40 überproportional, da entsprechende Werte dort stark gewichtet sind.

Griechenland outperformt, hier im Vergleich der CAC-40

Bemerkenswert ist die Entwicklung der Staatspapierrenditen: Die griechische Zehnjährige liegt aktuell nahe der französischen – ein Bruch mit dem Bild von 2015. Dazu kommt, dass Frankreich mit Defizit- und Schuldenfragen ringt, während die Schuldenquote in Griechenland sinkt. Das reduziert die Risikoprämie weiter und macht Griechenland noch attraktiver.

Die relative Stärke Griechenlands speist sich aus niedrigeren Risikoprämien, dem nachhaltig verbesserten Bankensektor und einem günstigen zyklischen Mix aus Disinflation und geldpolitischer Lockerung. Frankreich bleibt natürlich ein Schwergewicht mit globalen Champions. Kurzfristig dominieren jedoch politische Risiken, was aber gezielte Chancen eröffnet, sobald diese Risiken nachlassen. Griechenland ist in Europa nicht länger Nachzügler, sondern Taktgeber, und das auch für die Portfolios der Anleger.

 *) Jan Schippmann ist stellvertretender Leiter Private Banking bei der Hamburger Sutor Bank, gegründet 1921, die klassisches Private Banking bietet, eine Banking-Plattform für digitale Partner betreibt und mit unabhängigen Finanzdienstleistern kooperiert.

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