Mögliche Rezession kein Problem für Anleihen guter Qualität

Der harte Kampf zwischen Notenbanken und Inflation dauert weiter an. Für Anleihen bedeute dies ein gutes Umfeld. Von Iain Stealey*

Zwar beginnen die Inflationsraten allmählich zu sinken – in den USA sank die Rate im März auf 5,0 nach 6,0 im Februar und 6,4% im Januar; in Europa gingen die Preise im März auf +6,9% zurück nach +8,5% im Februar. Doch haben die Notenbanken klar signalisiert, dass sie diesen Kurs weiterhin strikt verfolgen werden, um die Inflationsraten stärker zu senken – auch auf Kosten der Wirtschaft.

Rezession frühestens Mitte 2024?

Auf dem Weg von FED-Zinserhöhungen bis zur endgültigen Rezession durchläuft die Wirtschaft eine Phase, die wie eine sanfte Landung aussieht. Seit 1981 betrug die durchschnittliche Zeit von der letzten Zinserhöhung bis zur Rezession durchschnittlich 13 Monate. Dies deutet darauf hin, dass eine Pause der FED im zweiten Quartal 2023 möglicherweise erst Mitte 2024 eine Rezession auslösen wird. Für uns bedeutet der Kampf der FED gegen die Inflation, dass eine Rezession bevorsteht.

Darauf gilt es Portfolios vorzubereiten. Eine Unsicherheit ist allerdings, bis zu welcher Höhe die Notenbanken die Zinserhöhungen noch fortführen. Während die Märkte viele Zinsanhebungen eingepreist haben, könnten sich eine FED-Zinserhöhung auf 6% oder höher sowie eine EZB-Zinserhöhung auf 4% negativ auswirken und wahrscheinlich zu neuen Marktschwankungen führen. Verwerfungen wie im letzten Jahr, mit dem stärksten Rückgang der Anleihekurse seit 1994, sind aber sehr unwahrscheinlich, denn 2022 war ein Ausnahmejahr mit deutlichen Zinserhöhungen in einem selten zuvor gesehenen Tempo.

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Chancen bei Investment-Grade-Unternehmensanleihen in Europa

Neben klassischen Staatsanleihen gibt es deshalb Chancen bei Investment-Grade-Anleihen europäischer Unternehmen, wo neben starken Fundamentaldaten auch attraktive Bewertungen bestehen. Die Unternehmen in Europa sind gut für einen Konjunkturabschwung gerüstet. Das Umsatzwachstum liegt mit 14% und das Gewinnwachstum mit 11% deutlich über dem langfristigen Durchschnitt. Auch hat sich die Bruttoverschuldung stabilisiert. Viele Unternehmen haben die Verschuldung auf eines der niedrigsten Niveaus des letzten Jahrzehnts gesenkt. Eine konservative Bilanzverwaltung ist für uns als Anleiheinvestoren entscheidend.

Per se halten sich auch US-Unternehmen gut. Die Bewertungen auf Basis der Risikoaufschläge sind in Europa letztendlich jedoch überzeugender als in den USA. Das ist der entscheidende Grund, warum wir den europäischen Unternehmensmarkt bevorzugen. Die Beimischung von Investment-Grade-Unternehmensanleihen, aber auch verbrieften Krediten, könnte die Rendite auf 6 bis 7% bringen – ein Niveau, das ausreichen sollte, um über den Rest des Jahres eine positive Rendite nach Abzug der Inflation zu erzielen.

Schwellenländeranleihen im Aufwind

Chancen in diesem Jahr sehen wir auch bei Anleihen aus Schwellenländern. Aus makroökonomischer Sicht wirkten Wachstum und Inflation unterstützend für die Emerging Markets. Wir rechnen für dieses Jahr mit einer Wachstumssteigerung auf 4%, angeführt von China aufgrund der schnelleren Wiedereröffnung nach den Lockdowns.

Auch wenn sich das Wachstum in den Industrieländern allmählich wieder positiv entwickeln sollte, erwarten wir, dass sich die Wachstumsdifferenz (Wachstums-Alpha) zwischen Schwellen- und Industrieländern auf über 2% verbessern dürfte. Gleichzeitig könnte die durchschnittliche Inflation in den Schwellenländern bis Ende dieses Jahres auf 5,5% sinken – im Vergleich zu 9,5% zu Beginn dieses Jahres. Wir erwarten im zweiten Quartal eine stärkere Disinflation in den Schwellenländern, die von einer Kombination aus Basiseffekten, Rohstoffen und der restriktiven Geldpolitik angetrieben wird.

Iain Stealey

In vielen Schwellenländermärkten sind immer noch Renditen zwischen 5,5 bis 7,5% möglich, selbst wenn Währungsrisiken abgesichert werden. Im Vergleich dazu würden etwa US-Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 5 Jahren mit weniger als 4% gehandelt. Wichtig ist, in diesem Bereich sehr selektiv vorzugehen.

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*) Iain Stealey ist International Chief Investment Officer in der Fixed Income, Commodity and Commodities Gruppe bei J.P. Morgan Asset Management

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