Klimawandel : die übliche Diskussion beim WEF in Davos – mal wieder

Seit mehr als 50 Jahren warnen Klimawissenschaftler vor dem Klimawandel – bis vor kurzem wurden sie weitestgehend ignoriert . Von Lars Jaeger*

Ja, von vielen Ökonomen und Unternehmen gar aktiv bekämpft. Doch unterdessen lässt sich der Klimawandel kaum mehr leugnen, ist er doch an zahlreichen Orten auf unserem Planeten längst Realität geworden. Doch warum haben Regierungen trotz der Warnungen der Klimaexperten so etwas Wichtiges wie den Klimawandel jahrzehntelang komplett unterschätzt? Neben dem starken Einfluss von Ölfirmen (in den USA) lässt sich hier ein weiterer Grund finden: Politiker hören vor allem auf Wirtschaftswissenschaftler.

Es existieren Hunderttausende exzellente Fachartikel von Klimawissenschaftlern, aber wenn man sich anschaut, wen die Regierungen in ihren eigenen Arbeiten zum Klimawandel zitieren, dann sind es zu zwei Drittel Artikel von Wirtschaftswissenschaftlern. Dabei haben Wirtschaftler von der Wissenschaft zumeist keine Ahnung. Kommen sie gerade deshalb den Regierungen der Welt gerade recht, müssen diese damit nichts gegen den Klimawandel unternehmen?

Tatsache ist: Der Klimawandel ist keine Bedrohung mehr, die am Horizont auftaucht. Er ist in unserem Alltag angekommen und bedroht schon heute das Überleben vieler Menschen: Überschwemmungen, Artensterben, Migration, Dürren, Super-Tornados, neue Muster von Wirbelstürmen, Verlust von Eisfeldern in Gebirgen und viele andere Klimaereignisse – der Klimawandel geschieht bereits.

Und dahinter steht nicht einmal eine große Überraschung, sind doch die Hauptprobleme seit den 1980er Jahren bekannt: Vom Menschen verursachte Treibhausgase – vor allem Kohlendioxid, CO2 – verursachen die Erwärmung unseres Planeten. Damals lagen bereits konkrete Handlungspläne auf dem Tisch, doch eine mächtige Industrielobby verhinderte deren Umsetzung und untergrub gezielt den Ruf der beteiligten Wissenschaftler. Wissenschaftler kennen den Treibhauseffekt im Übrigen schon viel länger. So hat der schwedische Chemiker Svante Arhenius bereits 1896 darauf hingewiesen!

Nun lässt sich kaum behaupten, dass in der Politik in den letzten Jahren nichts passiert ist. So wetteifern Politik und Wirtschaft heute teils gar darum, sich gegenseitig in ihren Bemühungen zu übertreffen, die Klimakatastrophe zu verhindern (oft jedoch mit vielen Worten und wenig Taten, wie es am besten wohl die deutsche Ex-Kanzlerin Angelika Merkel aufzeigte). Im Herbst 2020 kündigten sowohl die EU als auch China einen Fahrplan für eine CO2-neutrale Wirtschaft bis 2050 bzw. 2060 an.

Kurz darauf verpflichtete sich auch die deutsche Automobilindustrie diesem Ziel. Und nachdem Donald Trump abgewählt wurde, zogen die USA nach (zunächst allerdings noch hauptsächlich mit der lauten Stimme von Joe Biden). Doch werden die Hauptaktivitäten dafür (nur in Europa gibt es bereits entsprechende Gesetze) erst in den 2030er und 2040er Jahren unternommen. Dafür müssen sich die heutigen Politiker dann wohl auch nicht mehr vor das Volk stellen.

Das mitunter beste Beispiel für viel Gerede und das Gegenteil von Aktion ist das alljährliche World Economic Forum (WEF) in Davos, Schweiz. Seit Jahren sprechen dort die führenden Wirtschaftler und Industriebosse (mit ein paar wenigen Wissenschaftlern, die dann im Hintergrund reden) über das Klima. Man muss sich wundern, was da außer Worten noch rauskommen soll, diskutieren doch damit nicht nur die, was den Klimawandel angeht, wohl mitunter Ahnungslosesten, sondern auch diejenigen mit dem wohl stärksten Interessenkonflikt, der sich in den letzten Jahrzehnten so mächtig manifestierte und so die Ignoranz des Klimawandels maßgeblich zu verantworten hat. So reist noch heute mehr als jeder zehnte Teilnehmende, darunter so ziemlich jeder Superreiche, mit dem eigenen Businessjet zum WEF an. Können wir denen bei der Klimadiskussion wirklich auch nur geringfügig vertrauen? Erscheinen sie vielmehr nicht als so ziemlich die Letzten, denen man die Verbesserung der Welt überlassen kann?

Am meisten hat sich wohl in der Wissenschaft getan. Die CMIP6-Modelle der Forscher, die im August 2021 und Anfang 2022 im AR6-Bericht veröffentlicht wurden, sind in ihren Ansprüchen an die Modellgenauigkeit noch weitaus ambitionierter und an den Ergebnissen weitaus schärfer als ihre Vorgänger. Zum Beispiel wird in einigen von ihnen die räumliche Auflösung der Gitter, auf denen das globale Klima modelliert wird, auf weniger als 100 Kilometer reduziert. Dadurch lassen sich die Auswirkungen der Wolkenbildung auf das lokale und globale Klima immer besser bestimmen.

Gleichzeitig hat sich die zeitliche Dichte der Messungen deutlich erhöht. „Dieser Bericht ist von unschätzbarem Wert für künftige Klimaverhandlungen und politische Entscheidungsträger“, sagte der Vorsitzende des Publikationsorgans IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), der Südkoreaner Hoesung Lee. Bezeichnend an dem Bericht ist, dass die Debatten im Vergleich zu den Verhandlungen acht Jahre zuvor offenbar reibungsloser verlaufen sind.

Die IPCC-Autorenschaft hat sich dieses Mal wohl eindeutig gegen den üblichen Widerstand von Politikern und Wirtschaftlern gegen klare Formulierungen durchgesetzt. So wurde auch die Verantwortung klar benannt: Laut IPCC ist der Mensch („mit 100% Wahrscheinlichkeit“) für die gesamte beobachtete globale Erwärmung seit der vorindustriellen Zeit verantwortlich (1,6 Grad an Land, 0,9 Grad über dem Meer, 1,1 Grad im globalen Durchschnitt).

Doch es gibt auch Gründe zum Optimismus (auch wenn diese kaum bei den Wirtschaftsführern in Davos zu finden sind): Abgesehen von einigen Aspekten der Landwirtschaft (die allerdings ein bedeutender Klimafaktor ist und stark mit unserer Ernährung zusammenhängen; aber auch hier gibt es erste – wenn auch noch langsamere – Entwicklungen), lassen sich alle Einflüsse des Menschen auf das Klima auf die Art und Weise zurückführen, wie wir Energien erzeugen (genauer umformen) und verbrauchen.

Und hier liegt Hoffnung: Angetrieben von den erstaunlichen technologischen Fortschritten in den Bereichen Photovoltaik und Batteriespeicherung sowie Nanotechnologie und künstliche Intelligenz stehen wir an der Schwelle zur schnellsten und weitreichendsten Revolution im Energiesektor der letzten 150 Jahre! Wir verfügen bereits heute über die technischen Möglichkeiten, die verheerenden Klimatrends umzukehren, ohne den Wohlstand wesentlich einzuschränken (die in Zukunft wohl noch weiter ausgebaut werden).

Wenn dann des Weiteren ganz neue Technologien ins Spiel kommen (wie die Kernfusion, wo sich nach vielen Jahren und Jahrzehnten Stillstand nun ganz interessante Möglichkeiten abzeichnen), sind die technologischen Möglichkeiten, dem Klimawandel entgegenzuwirken, sogar noch bedeutender. Die Hindernisse liegen vor allem in wirtschaftlichen und politischen ‚Sachzwängen‘ und spezifischen Interessenkonflikten dort. Diese zu überwinden – das ist der Kern der zukünftigen Energiepolitik. Alternative Technologien stehen uns dafür bereits zur Verfügung (was sich z.B. auch an den Bestrebungen selbst von so manchen Ölkonzernen zeigt, auf ökologische Energiequellen zu setzen).

Lars Jaeger

*) Lars Jaeger hat Physik, Mathematik, Philosophie und Geschichte studiert und mehrere Jahre in der Quantenphysik sowie Chaostheorie geforscht. Er lebt in der Nähe von Zürich, wo er zwei eigene Unternehmen aufgebaut hat, die institutionelle Finanzanleger beraten, und zugleich regelmäßige Blogs zum Thema Wissenschaft und Zeitgeschehen unterhält. Überdies unterrichtet er unter anderem an der European Business School im Rheingau. Die Begeisterung für die Naturwissenschaften und die Philosophie hat ihn nie losgelassen. Sein Denken und Schreiben kreist immer wieder um die Einflüsse der Naturwissenschaften auf unser Denken und Leben. Im Herbst 2022 erschienen seine Bücher „Emmy Noether“ (Südverlag) und „Die Neuentdeckung der Welt“ (Springer Verlag).

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