Hohe Zinsen für Staatshaushalte der Euro-Peripherie derzeit noch kein wirkliches Problem

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In den vergangenen Jahren galten hohe Zinsen immer als Gift für die Wirtschaft und vor allem die Staatshaushalte der Euro-Peripheriestaaten. Doch das ist Vergangenheit: Weitere Zinserhöhungen der EZB können den Staaten kaum schaden. Eine Umkehrung der Kräfteverhältnisse? „Nein, nur ein kurzfristiger Trend, gebaut auf Goodwill der EZB“, sagt Mathias Beil, Leiter Private Banking der Hamburger Sutor Bank.

Die Kapitalmärkte befinden sich derzeit in einer schwierigen Situation. „In Europa sehen wir sehr unterschiedliche Entwicklungen hinsichtlich der Inflation“, sagt Beil. „Länder wie etwa Spanien, deren Industrie weniger energieabhängig ist, glänzen derzeit mit niedrigen Inflationsdaten, während energieintensive Volkswirtschaften wie Deutschland oder die Niederlande darunter ächzen.“ In Spanien spielt der Tourismus eine große Rolle und nach der Pandemie gelang es auch, Preiserhöhungen durchzusetzen. Ähnliches gilt auch für andere Euro-Peripheriestaaten wie Italien oder Griechenland.

In Deutschland dagegen schlägt die Inflation voll zu. „Bauzulieferer gehen in Kurzarbeit, da sich die Bauaktivitäten durch die stark gestiegenen Preise rückläufig entwickeln“, sagt Beil. „Die Fertigstellungen im Wohnungsbau bleiben weit hinter dem gesetzten Ziel zurück, genehmigte Bauprojekte werden auf Eis gelegt oder gänzlich aufgegeben.“ Und auch hier entwickeln sich die Dinge in den Kernstaaten der EU ähnlich.

EZB im Dilemma
Das bringt die EZB in eine schwierige Situation. Lässt sie die Leitzinsen unverändert, wird die Inflation in Deutschland und vergleichbar aufgestellten Ländern weiter wachsen. „Dreht sie aber zu stark an der Zinsschraube, könnte sie Volkswirtschaften wie eben Spanien abwürgen“, sagt Beil. „Zumindest in der Theorie, denn die Praxis sieht mittlerweile anders aus.“

Denn entscheidend für die Belastbarkeit eines Staatshaushalts mit Zinszahlungen sind nicht die Prozente, die auf den Kupons der Anleihen stehen. „Entscheidend ist die Summe, die an Gläubiger überwiesen werden muss“, so Beil. „Und da die EZB ohnehin einen guten Teil der Anleihen in ihre eigene Bilanz nimmt, erfolgt die Zinszahlung an die EZB.“ Was dann dazu führt, dass der Gewinn der EZB steigt und diese Gewinne wieder an die Staaten ausgeschüttet werden.

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Insofern sind hohe Zinsen derzeit für die Staatshaushalte des europäischen Südens kein wirkliches Problem. „In der Realwirtschaft kann es aber durchaus zu Schwierigkeiten kommen, wenn die höheren Preise nicht mehr umgewälzt werden können und die höheren Zinsen Investitionen verteuern“, sagt Beil. Hier stehen dann Deutschland und die anderen Kernstaaten besser da. „Angesichts ihrer größeren Spielräume sind sie viel eher in der Lage, auch die zukünftige wirtschaftliche Basis durch Investitionen zu stärken“, so Beil.

Zuletzt war das zu sehen, als ausländische Investoren für Investitionen in den Standort Deutschland gewonnen wurden. „Gerade hat der taiwanesische Chiphersteller TSMC angekündigt, die Produktion von Halbleitern in Dresden aufbauen zu wollen“, sagt Beil. „Intel siedelt die Chipfertigung in Magdeburg an.“ Beides wird vom Bund mit Milliardensubventionen unterstützt. „Das sind Leuchtturmprojekte und die sind sehr notwendig und eben auch vor allem von den finanziell potenten Kernstaaten der EU zu stemmen“, sagt Beil. „Die Atempause für die Peripheriestaaten ist insofern nicht von Dauer und nur von der EZB angeschoben.“ Auf Dauer könnten sich die Unterschiede zwischen den Blöcken sogar wieder vergrößern.

Mathias Beil, Sutor Bank

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