Fitness für den Kapitalmarktzugang auf Zeit

Solvency II und Basel III sind die Schlüsselworte, die viele Unternehmer nachdenklich stimmen. Denn strategisch stellen sich in der Unternehmensfinanzierung Fragen wie: Was ist zukünftig der richtige Finanzierungsmix zwischen Fremd- und Eigenkapital, um weiterhin von günstigen Gesamtkapitalkosten zu profitieren? Welche Kapitalquellen stehen auch nachhaltig zur Verfügung? Welche Vorteile bietet der Kapitalmarkt? Passt diese Finanzierungsquelle zum Unternehmen und wie bereite ich mich auf diesen Schritt vor? Die Finanzierung über den Kapitalmarkt hat Einiges zu bieten. Gerade über Mittelstandsanleihen können sich Unternehmen einen Kapitalmarktzugang auf Zeit öffnen. Die gute Vorbereitung des Unternehmens auf die Pflichten des Kapitalmarktregelbetriebs zählt dabei zum A und O. Mit der Anleihe steht man im Rampenlicht der Kapitalmarktöffentlichkeit, das im Gegensatz zum Kredit oft eine neue Form der Offenheit und Informationskultur erfordert.

Erwartungen von Kapitalmarktinvestoren erfüllen
Zu den Anforderungen zählen die Erwartungen des Marktes an das Unternehmensprofil eines Anleiheemittenten und seine Fähigkeit, Transparenzvorschriften der Börsen und Regulatoren nachhaltig zu erfüllen. Entscheidend beim Gang an die Börse über Mittelstandsanleihen sind auch Größenanforderungen und Erwartungen von Investoren, die über den Erwerb der Anleihe und damit das Zustandekommen des Börsengangs letztendlich entscheiden.

·         Bestimmte Unternehmensgröße und Finanzierungsbedarf erforderlich
Kritische Masse ist für viele institutionelle Investoren das Eingangskriterium, um überhaupt in ein Unternehmen investieren zu können bzw. zu dürfen. Das betrifft das Volumen der Emission und damit implizit verbunden auch die Unternehmensgröße bzw. den Finanzierungsbedarf. So beträgt der Median des Unternehmensumsatzes im Jahr vor der Anleiheemission € 96 Mio. Die Bilanzsumme als weiterer Größenindikator zeigt einen Median von € 97 Mio.
·         Ausgewogene Finanzierungsstruktur als Ausgangsbasis
Unternehmen verfügen vor dem Börsengang über eine vergleichsweise ausgewogene Finanzierungsstruktur, mit einem Median in der Eigenkapitalquote von 27%. Hier verfügen die bereits mit Aktien notierten Emittenten von  Mittelstandsanleihen naturgemäß über eine deutlich höhere Eigenkapitalquote.
·         Ertragskraft zur Deckung des Kapitaldienstes notwendig
Die notierten Anleiheemittenten zeigen eine gemischte und positive Ertragskraft im bekannten Geschäftsjahr vor der Emission. Der Median beträgt für Margen im EBITDA 10%,  im EBIT 5% und im EBT 4%. Die Mehrheit verfügt über einen positiven Cash Flow, der im Median bei € 3,8 Mio. liegt.
·         Ertragskraft erhöht Platzierungsfähigkeit
Die Erwartungen von Investoren im Hinblick auf die Ertragskraft und Kapitaldienstfähigkeit haben Auswirkungen auf die Platzierbarkeit der Anleiheemission. So zeigt die Analyse, dass Anleihen mehrheitlich voll ausplatziert sind und der Anteil der Kouponzinsen am verfügbaren EBITDA deutlich geringer ist als bei nicht voll ausplatzierten Anleihen.
Erstellen des Anleihe-Prospekts als zentrales Dokument
Vor jedem öffentlichen Angebot von Wertpapieren und vor jeder Börsenzulassung an einem geregelten Markt muss ein Prospekt nach Maßgabe der europäischen Prospektrichtlinie  veröffentlicht werden. Dabei können schon Werbemaßnahmen für eine geplante Anleihe als öffentliches Angebot gelten. Der Prospekt wird vom Emittenten oft unter Mitwirkung von spezialisierten Beratern und gegebenenfalls in Abstimmung mit einer Investmentbank erstellt. Er kann von Zeichnern und Erwerbern der Anleihe als Grundlage für zivilrechtliche Haftungsansprüche genutzt werden, falls wesentliche Angaben im Prospekt unrichtig oder unvollständig sind. Besonders haftungsträchtig sind die Angaben über relevante Risikofaktoren für die Anleihe und den Emittenten. Der Prospekt muss in verständlicher Form sämtliche Angaben enthalten, die für die Anlageentscheidung erforderlich sind. Der Leser des Prospekts muss sich ein klares Bild über Vermögen und Verbindlichkeiten des Emittenten machen können, und die Risiken, die sich im Zusammenhang mit der Anleihe und dem Emittenten ergeben, ermitteln können. Zum Pflichtinhalt zählen neben wichtigen Finanzkennzahlen Angaben über die Organisationsstruktur und Organe des Emittenten, den maßgeblichen Markt und Wettbewerb, wichtige Produkte und die Zukunftsaussichten des Emittenten. Auch Aussagen über die Personen und Gesellschaften, die die Verantwortung für den Inhalt des Prospekts übernehmen, sind erforderlich.  Außerdem muss der Prospekt eine Zusammenfassung enthalten, die sich hauptsächlich mit den Eckdaten der Emission und den Risiken im Überblick befasst. Die Bundesanstalt prüft die ihr zur Billigung vorgelegten Prospekte auf Vollständigkeit und Verständlichkeit. Auf Basis der Billigung und anschließenden Veröffentlichung des Prospekts geht es dann in die Platzierung bei Investoren.

Für viele Unternehmen ein neues Pflichtenheft
Die Erfolge von Anleiheemissionen im Rahmen der Platzierung sind sehr unterschiedlich. Nicht jede Anleiheemission wird in wenigen Stunden mehrfach überzeichnet. Wie viele Beispiele zeigen, zahlt sich hier eine rechtzeitige und gute Vorbereitung der Anleiheemission aus, die sich an den Erwartungen der Investoren orientiert und die Emission damit zum Erfolg werden lässt. Denn eine Anleiheemission ist zunächst ein Börsengang auf Zeit. Und für viele das Debut am Kapitalmarkt, denn mehr als die Hälfte der Anleiheemittenten sind tatsächliche Börsenneulinge.
Die Vorbereitung auf eine Anleiheemissionen startet mit einer internen Bestandsaufnahme der Reportinginfrastrukturen beim Anleiheemittenten, deren Ergebnis zunächst mit der erörterten Sollstrategie zur Ansprache des Kapitalmarkts verprobt wird.  Die hier identifizierten notwendigen und vorbereitenden Maßnahmenbündel führen zu teilweise erheblichen Einsparungen bei den Finanzierungskosten bei zugleich erhöhter Transaktionswahrscheinlichkeit. Wichtige Elemente des Gesamtkonzepts sind  die Kapitalmarkt-Fitness der internen Strukturen (z.B.: internes Reporting, Rechnungswesen, Risikomanagement- und Forecastingsysteme, Investor Relations, …), das initiale und fortlaufende Rating und ein individuelles Emissionskonzept (Volumen, Platzierungskreis, Ausstattung, Bond Story, Börse,…).

Fazit
Die Ziele der Bestandsaufnahme sind klar: Zum Börsengang die Erfolgswahrscheinlichkeit des Börsengangs zu erhöhen, Flexibilität erlangen für einen Schnellstart, wenn sich die Platzierungsfenster kurzfristig öffnen und einen Plan B in der Vorbereitung mit zu berücksichtigen. Und für die Zeit danach, frühzeitig das Unternehmen intern für den Kapitalmarktregelbetrieb aufstellen und das Leben am Kapitalmarkt mit neuen Aufgaben vor dem Börsengang zu proben. Denn auch im Kapitalmarkt gilt bei Investoren die Regel: Ein guter erster Eindruck öffnet und schafft Potenziale für weitere Kapitalaufnahmen oder bei der Refinanzierung auslaufender Anleihen. Dies zahlt sich aus durch strukturierte und ganzheitliche Vorbereitung des Börsengangs mit Experten und Investment in die Kapitalmarkt-Fitness.

Von Dr. Martin Steinbach, Executive Director, und Dr. Christian F. Bosse, Rechtsanwalt, Ernst & Young
Ursprünglich erschienen im Special "Anleihen 2013" des GoingPublic Magazins.