Deutsches Wirtschaftswachstum auf Abstellgleis

Endlich: der Durchbruch auf der Schiene?

Speziell die EM hat einmal mehr gezeigt, in welch schlechtem Zustand das deutsche Schienennetz ist – symptomatisch für Wirtschaftswachstum auf dem Abstellgleis. Von Dr. Ernst Konrad*

Was für viele angereiste Fans eine böse Überraschung darstellte, verwunderte Einheimische nur wenig. Doch auch abseits des Schienennetzes wurde deutsche Infrastruktur jahrzehntelang vernachlässigt.

Seit der Finanzkrise vor 20 Jahren steht die Haushaltskonsolidierung oft im Vordergrund des politischen Kalküls, meist zu Lasten von notwendigen Investitionen in Digitalisierung, Energie und Infrastruktur. Während andere Länder ihr Potenzialwachstum durch gezielte Investitionen steigern, bleibt Deutschland zurück. Das liegt auch an der Tendenz der Politik mehr über die Finanzierung von Maßnahmen zu diskutieren als über die Maßnahmen selbst. So scheitern viele wichtige und wohlintendierte Maßnahmen an ewigen Debatten um deren Finanzierung. Es braucht ein Umdenken: erst die Maßnahmen, dann die Finanzierung.

Die chronische Unterfinanzierung der Infrastruktur schädigt die Wachstumsaussichten und gefährdet den wirtschaftlichen Wohlstand in Deutschland. Eine gute Infrastruktur ist ein Treiber für Unternehmen und ein wichtiges Kriterium für Fachkräfte. Eine marode Infrastruktur hemmt das Wirtschaftswachstum und mindert die Attraktivität Deutschlands als Wirtschaftsstandort. Deutschlands Angst vor Schulden, die sich auch in einem mangelnden Investitionswillen ausdrückt, schadet dem deutschen Wohlstand langfristig.

Wirtschaftswachstum in Deutschland: Fehlanzeige

Wirtschaftswachstum in Deutschland: Fehlanzeige

Das föderale System und der politische Zyklus in Deutschland erschweren eine langfristige Finanzplanung zusätzlich. Es bedarf einer Entkopplung von politischen Prozessen und einer Verständigung innerhalb des Parlaments, wie es beim Sondervermögen der Bundeswehr der Fall war. Unternehmen planen mit einem Zeithorizont von 30 Jahren, daher muss auch die öffentliche Hand langfristiger denken. Eine solche Planung ist unerlässlich, um Infrastrukturprojekte unabhängig vom politischen Tagesgeschehen voranzutreiben. Es braucht eine langfristige und wachstumsorientierte Politik mit Betonung auf investive Ausgaben statt reiner Transfers, die nur kurzfristige Härten abmildern und nicht nachhaltig zur Stärkung der Wirtschaft beitragen.

Hier hilft auch ein Blick in die USA: Dort spielen Transfers eine geringere Rolle, während der Inflation Reduction Act die Investitionstätigkeit anschiebt. Im Gegensatz dazu sind viele deutsche Maßnahmen eher kosmetischer Natur. Um wirklich ein nachhaltig besseres Investitionsklima zu erreichen, braucht es auch hierzulande schnellere Abschreibungsregelungen, verstärkte Co-Finanzierung statt reiner Subvention und ein unternehmerfreundliches Klima mit weniger Bürokratie und einer moderaten Steuerbelastung. Statt isolierter Subventionen, wie bei der Chipindustrie, muss ein breiteres Investitionsklima geschaffen werden, das digitale und analoge Infrastruktur gleichermaßen fördert. […]

Dr. Ernst Konrad

*) Dr. Ernst Konrad ist Lead Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz, einem der größten in Deutschland für die Finanzportfolioverwaltung zugelassener unabhängigen Verwalter mit Sitz in München und Frankfurt. Das 2004 gegründete Haus hat sich einerseits im Bereich diskretionärer Vermögensverwaltungsmandate (Wertpapierdepots und Spezialfonds) auf Family Offices und institutionelle Anleger und andererseits über hauseigene Publikumsfonds auf das institutionelle beziehungsweise semi-institutionelle Kundensegment spezialisiert. www.eybwallwitz.de

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