Börse Luxemburg: „Wettbewerb sehen wir sportlich – er steigert die Wahrnehmung für alle Sustainable-Finance-Themen”

Luxemburg tritt immer wieder an der Spitze der wirtschaftlich attraktivsten und innovativsten Länder Europas in Erscheinung. BondGuide sprach dazu mit Laetitia Hamon, Head of Sustainable Finance der LuxSE.

Ms. Hamon, Sie sind Head of Sustainable Finance an der Luxemburg Stock Exchange. Vielleicht zum Einstieg einige Worte zu Ihnen selbst, und: Was macht man denn als Head of Sustainable Finance in einer typischen Arbeitswoche in Luxemburg so?
Als Head of Sustainable Finance an der Luxemburger Börse, LuxSE, bin ich für unsere Abteilung für nachhaltige Finanzen, die Luxembourg Green Exchange – kurz LGX – zuständig. Neben meinen Aufgaben innerhalb der LGX bin ich auch für die allgemeine Nachhaltigkeitsstrategie der Börse verantwortlich. Bevor ich zur LuxSE kam, arbeitete ich für eine ESG-Rating-Agentur, für eine ESG-Label-Agentur, für die Association of the Luxembourg Fund Industry ALFI sowie für KPMG, wo sich meine Aufgaben auf die Prüfung und Beratung im Bereich nachhaltige Finanzen konzentrierten. In meiner Funktion gibt es keine typische Arbeitswoche, jede Woche ist anders. An den meisten Tagen geht es jedoch darum, sich über neue Vorschriften, aktuelle Ereignisse und innovative Ideen im Bereich Sustainable Finance auf dem Laufenden zu halten.

Haben Sie ein Team?
Auf jeden Fall. Ich leite das LGX-Team, das sich ausschließlich auf Sustainable Finance konzentriert, aber wir arbeiten auch eng mit einer Vielzahl anderer Teams und Personen an der Börse zusammen, die sich sehr für Sustainable Finance engagieren. Alles in allem arbeiten viele Menschen bei der LuxSE an der Sustainable Finance-Front, sowohl innerhalb als auch außerhalb unseres LGX-Teams.

Das Großherzogtum hatte nach eigenen Angaben den weltweit ersten notierten Green Bond. Welcher war das denn und wie kam es dazu?
Ja, die erste börsennotierte grüne Anleihe der Welt wurde 2007 von der Europäischen Investitionsbank begeben und hier an der LuxSE notiert. Damals wurde sie als Climate Awareness Bond bezeichnet. Ein Jahr später folgte die erste grüne Anleihe, dieses Mal von der Weltbank ausgegeben. Damals gab es noch keinen Rahmen für die Benennung und Kennzeichnung von Anleihen; das kam erst 2014.

Also direkt in die Finanzkrise 2008 hinein?
Ja, denn wenn Sie sich zurückerinnern, waren die Jahre 2007 und 2008 eine ziemliche Herausforderung für Finanzinnovationen. Trotzdem wurden damals die Grundlagen für Sustainable Finance gelegt, denn die Finanzinstitute haben diese Entwicklungen recht schnell aufgegriffen und umgesetzt.

Die Superlative häuften sich auch rasch: Fondsvertriebsplattform Nummer 1 in Europa, Green Location Status innerhalb der EU auf Basis des GGFI 13, Platz 3 unter den EU-Finanzzentren… Denken und handeln Sie in Luxemburg einfach schneller als in Ihren größeren Nachbarländern?
Wenn man eine kleine Börse ist in einem kleinen Land, dann sind erstens die Entscheidungswege kürzer und zweitens muss man im Vergleich zu größeren Wettbewerbern innovativer sein. Ja, ich bin überzeugt, dass wir in Luxemburg mutiger sein und stets einige Schritte voraus denken sollten. Darüber hinaus hat Luxemburg ein AAA-Rating, bietet ein unternehmensfreundliches Umfeld und ist in der Lage, hochqualifizierte Arbeitskräfte aus den Nachbarländern anzuziehen, was zum Aufbau von Know-how und zur Förderung von Innovationen beiträgt.

Mit wem steht der Finanzplatz Luxemburg – und hier speziell Ihr Bereich Sustainable Finance – am ehesten in gewisser Konkurrenz? Die Wiener Börse hält ja jährlich stets ihr Schild hoch für die meisten Anleihenotierungen.

Luxemburg ist immer noch die Nummer 1 in Europa mit rund 40% Marktanteil bei festverzinslichen Produkten wie Anleihen usw. In der Tat gibt es derzeit über 2.000 nachhaltige Anleihen auf LGX. Es gibt jedoch noch eine Reihe anderer Elemente, bei denen wir über die Notierung von Anleihen hinaus Pionierarbeit geleistet haben, wie z.B. die Sammlung und Verbreitung von Daten zu diesen Wertpapieren mit der nachhaltigen Anleihedatenbank LGX DataHub und der laufende Wissenstransfer mit unserer LGX Academy.   

Also keine Konkurrenz?
Wir sehen den Wettbewerb sportlich. Wenn andere europäische Börsen mit Green Bonds werben, dann steigert dies die Wahrnehmung für alle: für Investoren, für Emittenten und unter dem Strich für die LGX. Wir treten daher auch weniger in den Wettbewerb mit anderen Börsen, sondern bevorzugen vielmehr Partnering-Modelle, speziell in den Emerging Markets, wie z.B. Santiago/Chile, oder wie wir es kürzlich mit der West African Exchange, der India International Exchange und der Vietnam Stock Exchange sowie in China getan haben. Ganz innovativ auch die Kap Verde Stock Exchange, die ihre Blu X ins Leben gerufen hat. Falls es also irgendwo einen interessanten Green oder Blue Bond gibt, dann ist das zunächst einmal gut für lokale Investoren – mit einem Dual Listing an der LGX zum Beispiel wird diese Anleihe einem größeren Kreis internationaler Anleger zugänglich gemacht.

Luxemburg

Nochmal konkret zu Green & Sustainable Finance zurück: Ist der Trend noch ungebrochen? Hier und dort gingen Emissionsvolumina ja auch zurück.
Im Jahr 2021 überschritt die Gesamtzahl der Neuemissionen nachhaltiger Anleihen weltweit zum ersten Mal die Marke von 1 Bio. EUR in einem einzigen Jahr, und das Emissionsvolumen nachhaltiger Anleihen ist seitdem insgesamt recht stabil geblieben, mit einem leichten Rückgang im letzten Jahr. Im Jahr 2024 könnte es einen leichten Anstieg oder Rückgang gegenüber 2023 geben, aber der Anteil grüner Anleihen an den gesamten Anleiheemissionen nimmt im Vergleich zu konventionellen Anleihen zu.  

Gibt es in Ihrem Bereich auch noch Finanz-Innovationen, die ihren Namen verdient haben, z.B. Social Bonds etc. – was wäre da noch vorstellbar?
Erfreulicherweise tauchen immer wieder neue Innovationen auf, die den Markt für nachhaltige Finanzen voranbringen. Blue Bonds sind ein Beispiel dafür. Obwohl sie eine Untergruppe der Green Bonds sind, dienen sie dazu, das Interesse potenzieller neuer Investoren zu wecken, die in eine nachhaltige blaue Wirtschaft investieren und zum Schutz der Ozeane oder sauberer Wasserquellen beitragen möchten. Ein weiteres Beispiel sind Gender Bonds, bei denen die gesamte oder ein Teil der Finanzierung für Projekte verwendet wird, die zur Gleichstellung der Geschlechter beitragen. Gender Bonds sind eine Untergruppe der Social Bonds, und so wie Blue Bonds spezifische Umweltziele verfolgen, verfolgen Gender Bonds spezifische soziale und gesellschaftliche Ziele.

Verlagert sich auch der Radar der Investoren?
Einer der wichtigsten Trends, den wir in den letzten Jahren im Bereich der nachhaltigen Finanzierung festgestellt haben, ist, dass Investoren, Marktteilnehmer, politische Entscheidungsträger und andere Interessengruppen ihren Fokus vom zu finanzierenden Projekt auf den Emittenten bzw. das Unternehmen selbst verlagern. Sie schauen nicht nur auf das konkrete Projekt, das finanziert wird, sondern prüfen auch, ob der Emittent eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt und seinen Transitionsplan öffentlich zugänglich gemacht hat.

Laetitia Hamon. Börse Luxemburg

Laetitia Hamon

Also eine Art Finanzierung der notwendigen Anpassungen?
Dieser ganzheitliche Ansatz für die Nachhaltigkeitsstrategie und den Transformationspfad eines Emittenten bildet die Grundlage der Transition Finance, und wir gehen davon aus, dass Transition Finance in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen wird. Unternehmen in sogenannten ‚hard-to-abate‘-Sektoren benötigen Finanzmittel, um ihre Transformationsbemühungen zu beschleunigen, und Transition Finance ist eine wichtige Ergänzung zu der Verwendung der Erträge oder den projektspezifischen grünen, sozialen und nachhaltigen Anleihen.

Ms. Hamon, ganz herzlichen Dank an Sie !

Interview: Falko Bozicevic

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