Analyse : Vergleich mit vier vergangenen Wirtschaftsabschwüngen – die Parallelen und die Unterschiede

Wie relevant ist es für Investment Grade Anleihen, ob es zu einer weichen oder harten Landung in der Eurozone kommt? Aktuelle Analyse von James Briggs und Tim Winstone, Portfolio Manager, Janus Henderson Investors

Weich oder hart? Das ist das Dilemma der Märkte. Können die Zentralbanken eine weiche Landung für die Wirtschaft herbeiführen oder werden sie eine harte Landung mit einer tiefen Rezession auslösen?

In den letzten 25 Jahren gab es in der Eurozone vier Rezessionsphasen, d.h. Perioden mit einem negativem Quartalswachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Man könnte meinen, dass es in Zeiten wirtschaftlicher Schwäche eine gute Strategie wäre, Staatsanleihen gegenüber Unternehmensanleihen zu bevorzugen. Die Vergangenheit zeigt jedoch, dass dies nur bei harten Landungen der Fall ist.

Die vier Wirtschaftsabschwünge in der Eurozone sind:

2003 Irakkrieg (Q1 2003 kurze Kontraktion)
2008/09 Globale Finanzkrise (Q2 2008 bis Q1 2009 tiefe Rezession)
2011/13 Schuldenkrise in der Eurozone (Q4 2011 bis Q1 2013 langwierige, flache Rezession)
2020 Corona-Pandemie (Q1 2020 bis Q4 2020 V-förmige Rezession)

Der ICE BofA Euro Corporate Index ist ein Index für Euro-Investment-Grade-Unternehmensanleihen. Renditedaten sind für die Gesamtrendite (Erträge und Kapitalbewegungen) und die Überschussrendite verfügbar. Die Überschussrendite zeigt den Teil der Performance, der ausschließlich auf Kredite zurückzuführen ist. Sie entspricht der Gesamtrendite der Unternehmensanleihe(n) abzüglich der Gesamtrendite eines risikoadjustierten Staatsanleihenkorbs.

Sie zeigt im Wesentlichen die Überschussrendite eines Index an, die sich aus der zusätzlichen Rendite ergibt, die Unternehmensanleihen gegenüber Staatsanleihen mit derselben Laufzeit Staatsanleihenkorbs, sowie die Auswirkung jeglicher Veränderung der Credit Spreads während des Zeitraums.

Abbildung 1 zeigt, dass es in drei der vier Zeiträume rentabler war, Investment-Grade-Unternehmensanleihen zu halten als Staatsanleihen. Darüber hinaus schnitten Investment-Grade-Anleihen in drei der vier Zeiträume (mit Ausnahme der Schuldenkrise 2011-2013) besser ab als Aktien (gemessen am MSCI Europe ex UK Total Return Index).

Quelle: Janus Henderson, Bloomberg, ICE BofA Euro Corporate Index, Gesamtrenditen und Überrenditen in EUR.

Um zu berücksichtigen, dass Rezessionen nicht für alle Unternehmen zur gleichen Zeit beginnen und enden, d.h. dass einige Unternehmen früher oder später von der wirtschaftlichen Schwäche betroffen sind, haben wir den Zeitraum um die Abschwünge in auf sechs Monate davor und danach ausgedehnt. Dadurch wird die Gesamtrendite in allen längeren Phasen positiv und die extremen Überschussrenditen werden tendenziell abgeschwächt.

Aufgrund der Unsicherheit am Markt, ob wir eine harte oder eine weiche Landung erleben werden, erweist sich die Vergangenheit als aufschlussreich. Daraus geht hervor, dass der Besitz von Investment-Grade-Unternehmensanleihen im Vergleich zu Staatsanleihen bisher immer sinnvoller war – außer in den schwersten Wirtschaftskrisen.

Unterschiede berücksichtigen

Natürlich war jede der vier Kontraktionsphasen anders. Dies kann jedoch bei der Suche nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen früheren und heutigen Abschwüngen helfen. In der Tabelle haben wir die Faktoren, die mit den heutigen vergleichbar sind, grün markiert.

Quelle: Janus Henderson, Bloomberg, ICE BofA Euro Corporate Index, Gesamtrendite und Überrendite in EUR.

Der erste Blick zeigt, dass es sich um ein uneinheitliches Bild handelt, aber das war zu erwarten, denn das heutige Umfeld entspricht keiner der vergangenen Kontraktionen perfekt. Ansonsten wäre Investieren vielleicht viel einfacher. Der deutlichste Unterschied besteht in der Inflation. In allen früheren Phasen war sie entweder gleichbleibend oder steigend. Aktuell hat sie sich gedreht und geht nach einem Höchststand wieder zurück, aber der jüngste Höchststand war viel höher als zu Beginn früherer Abschwünge. Wie schnell die Inflation nachlässt, wird sich auf die Politik der Zentralbanken auswirken, weshalb sie für das Zinsrisiko eine wichtige Variable bleibt.

Bezeichnenderweise weist die Farbkodierung in der Tabelle die meisten Übereinstimmungen mit der Rezession während der globalen Finanzkrise 2008 auf. Zur Erinnerung: Dies war der Abschwung, der zu einer negativen Überrendite führte. Die heutigen Renditen und Spreads sind niedriger als Anfang 2008. Dies deckt sich mit unserer Ansicht, wonach eine gewisse Vorsicht geboten ist, da der derzeitige Markt keine schwere Rezession einpreist.

Trotz der geopolitischen Risiken, die von Russland/Ukraine ausgehen, sehen wir im Finanzsystem nicht dasselbe systemische Risiko wie im Bankensektor vor der Finanzkrise. Heute ist der Bankensektor besser kapitalisiert, und der kommende Abschwung ist unserer Ansicht nach ein eher normaler Wirtschaftsabschwung, der sich auf Sparmaßnahmen bei Verbrauchern und Unternehmen bezieht und weniger schwerwiegend sein dürfte als eine Finanzkrise.

Die aktuellen Renditen und Spreads sind ähnlich hoch oder höher als in flachen Rezessionen, was die aktuellen Marktpreise rechtfertigen könnte, sollte die Wirtschaft eine weiche Landung oder einen flachen Konjunkturrückgang erleben. Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht darin, dass die Kurse heute deutlich unter dem Nennwert liegen, was zu einem hilfreichen ‚Pull-to-Par‘-Effekt führt.

Tim Winstone

James Briggs

Gemessen an diesen Parametern dürften Euro-Investment-Grade-Unternehmensanleihen im Falle eines leichten Abschwungs fair bewertet sein und könnten sogar attraktiv sein, sollte die Wirtschaft eine Rezession gänzlich umgehen können. Vieles wird davon abhängen, wie schnell die Inflation nachlässt und wie die Zentralbanken reagieren.

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