LG Frankfurt a.M.: Grenzen des Auskunftsanspruchs des gemeinsamen Vertreters

Dr. Lutz Pospiech (li), Valentin Konstant, GÖRG

Law Corner von Dr. Lutz Pospiech, Rechtsanwalt, Valentin Konstant, wissenschaftlicher Mitarbeiter, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München

In seinem Beschluss vom 2.3.2021 hat sich das LG Frankfurt a.M. grundlegend mit der Frage nach der Reichweite der Auskunftsansprüche eines gemeinsamen Vertreters (gV) nach Maßgabe von § 7 V SchVG auseinandergesetzt. Trotz der weitgehenden Informationsrechte eines gV, die grundsätzlich über die Informationsrechte eines einzelnen Anleihegläubigers hinausgehen, hat das LG klare Grenzen des Auskunftsanspruchs eines gV gegenüber dem Emittenten herausgearbeitet.

Auskunftsanspruch nach § 7 V SchVG
Ein gemeinsamer Vertreter für alle Gläubiger einer Anleihe kann nach Maßgabe von § 7 V SchVG vom Emittenten verlangen, ihm alle Auskünfte zu erteilen, die zur Erfüllung der dem gemeinsamen Vertreter übertragenen Aufgaben erforderlich sind. Im SchVG ist nicht ausdrücklich geregelt, unter welchen Umständen die Erforderlichkeit der Auskünfte anzunehmen ist; der Gesetzesformulierung lässt sich indes in diesem Zusammenhang ein objektiver Maßstab entnehmen.

Entscheidung des LG Frankfurt a.M. (Az. 2-14 O 427/20)
Der beklagte Emittent (ein kleinerer Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit nach § 210 VAG) hatte 2014 eine Anleihe begeben. Bei der Aufstellung des Jahresabschlusses für das Jahr 2018 ergab sich ein erheblicher nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag. Im Hinblick auf eine angestrebte Anleiherestrukturierung lud der Emittent zu einer AGV, in der ein gV mit den nach SchVG eingeräumten Aufgaben und Befugnissen gewählt wurde.

Der Emittent legte im Jahr 2020 einen Finanzierungsplan bei der BaFin vor. Diese verweigerte die Genehmigung und widerrief in der Folge die Erlaubnis des Beklagten zum Geschäftsbetrieb. Ein hiergegen eingelegter Widerspruch wurde ebenfalls negativ beschieden. In der Folge scheiterten Versuche des gV, Auskunft über die Inhalte der BaFin-Bescheide und des Widerspruchs zu erlangen, weitestgehend. Sodann klagte der gV auf Zahlung ausstehender Zinsen und machte zudem Auskunftsansprüche aus § 7 V SchVG gerichtlich geltend.

Informatorischer Abstand von gV und Eigenkapitalgebern
Das LG Frankfurt a.M. hat im Ergebnis einen auf § 7 V SchVG gestützten Anspruch des gV auf Einsicht in die der BaFin geführten Akten des Emittenten verneint. Das Gericht hat klargestellt, dass im Hinblick auf die Erforderlichkeit der begehrten Auskünfte nicht ausreiche, wenn der gV sie subjektiv für erforderlich halte. Bei der angezeigten rein objektiven Betrachtung reiche auch eine bloße Nützlichkeit oder Vorteilhaftigkeit der verlangten Auskunft nicht aus.

Foto: © onephoto – stock.adobe.com

Zudem ergebe sich aus der Gesetzgebungsgeschichte, dass der Gesetzgeber grundsätzlich einen informatorischen Abstand eines gV nach dem SchVG (als Vertreter von Fremdkapitalgebern) zu den Eigenkapitalgebern vorgesehen habe. Nach Ansicht des LG Frankfurt a.M. kann ein Emittent mithin jedenfalls solche Auskünfte an den gV verweigern, die er auch den Anteilsinhabern (im vorliegenden Fall: Mitgliedern) verweigern kann. Ansonsten wären die durch den gV vertretenen Gläubiger bessergestellt als die Anteilsinhaber.

Das Gericht hat ein Einsichtsrecht der Mitglieder – damit auch des gV – nach einer Interessenabwägung abgelehnt. Die Bekanntgabe der vom gV geforderten Informationen begründe die Gefahr schwerer wirtschaftlicher Nachteile für den Emittenten. Aus den betreffenden Unterlagen wären für die Geschäftstätigkeit essenzielle Informationen u.a. zur Situation der Basiseigenmittel sowie zu seinem Risikoprofil zu entnehmen. Der Emittent habe daher ein das Einsichtsrecht überwiegendes Interesse an einer Geheimhaltung dieser Informationen.

Maßgeblichkeit der konkreten Aufgaben des gV
Weiterhin hat das Gericht insbesondere angeführt, dass im Rahmen des § 7 V SchVG nur solche Auskünfte „erforderlich“ sind, die der gV auch zur Erfüllung seiner konkreten Aufgaben als gV benötigt. Diese Aufgaben umfassen nach Auffassung des LG Frankfurt a.M. jedoch nur die Vertretung der Gläubigergesamtheit gegenüber dem Schuldner, nicht hingegen die Vorbereitung der Verfolgung etwaiger Haftungsansprüche gegen Organmitglieder des Emittenten.

Fazit
Das LG Frankfurt legt vorliegend den Begriff der „Erforderlichkeit“ i.S.d. § 7 V SchVG restriktiv aus und begrenzt den Auskunftsanspruch des gV insbesondere im Vergleich zum Informationsrecht der Anteilsinhaber. Die Entscheidung überzeugt, da sie eine zu starke Annäherung der Fremdkapitalgeber an die Position der Eigenkapitalgeber vermeidet. Allerdings ist die Entscheidung noch nicht rechtskräftig; gegen den Beschluss des LG Frankfurt a.M. ist Rechtsbeschwerde beim OLG Frankfurt (Az. 29 U 60/21) eingelegt.

Unsere neueste BondGuide Jahresausgabe ,Anleihen 2021‘ ist erschienen und kann ebenso wie unser BondGuide Nachschlagewerk ,Green & Sustainable Finance 2021‘ als kostenloses E-Magazin bequem heruntergeladen, gespeichert & durchgeblättert werden.

! Bitte nutzen Sie für Fragen und Meinungen Twitter – damit die gesamte Community davon profitiert. Verfolgen Sie alle Diskussionen & News zeitnaher auf Twitter@bondguide !