Die EU-Restrukturierungsrichtlinie – Schaffung eines gesetzlichen Sanierungsverfahrens außerhalb der Insolvenz

Dr. Lutz Pospiech & Dr. Josepha Rüberg, GÖRG

Der Law Corner Beitrag von Dr. Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, und Dr. Josepha Rüberg, Associate, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München.

Bislang ermöglicht das deutsche Recht mit dem SchVG nur für die Restrukturierung von Anleihen eine vorinsolvenzliche Sanierung durch bindende Mehrheitsentscheidungen der Anleihegläubiger. Nach Inkrafttreten der EU Restrukturierungsrichtlinie im Juli 2019 wird dies künftig für sämtliche Formen finanzieller Restrukturierungen möglich sein: Die Gesetzgeber der Mitgliedstaaten sind nunmehr verpflichtet, innerhalb von zwei Jahren Sanierungsinstrumente außerhalb von Insolvenzverfahren zur Verfügung zu stellen.

I. Zielsetzung
Ziel der Richtlinie (EU) 2019/1023 ist die Schaffung europaweit vergleichbarer Sanierungsverfahren außerhalb der Insolvenz. Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten sollen vor Eintritt von Insolvenzantragsgründen Zugang zu präventiven Restrukturierungsrahmen erhalten, mit denen frühzeitig ein von der Mehrheit der Gläubiger getragener, für alle Parteien verbindlicher Restrukturierungsplan ausgehandelt werden kann. Allen voran soll eine Sanierung künftig nicht mehr an einer opportunistischen Minderheit (sog. Akkordstörern) scheitern können.

II. Regelungsinhalt
Damit der Schuldner zunächst ungestört einen Restrukturierungsplan ausarbeiten kann, kann er mithilfe eines gerichtlich angeordneten Moratoriums während der Verhandlungsphase einzelne Vollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern aussetzen lassen. Umfasst eine solche Aussetzung sämtliche Gläubiger, sind zudem Insolvenzanträge durch Gläubiger in diesem Zeitraum nicht möglich. Über die Annahme des aus gehandelten Restrukturierungsplans stimmen die Gläubiger in Gruppen nach dem Mehrheitsprinzip ab. Es besteht zudem die Möglichkeit, den von der Mehrheit der Gläubiger angenommenen Restrukturierungsplan gerichtlich bestätigen zu lassen, um so entweder einzelne Akkordstörer an den Plan zu binden oder aber Anfechtungssicherheit für Planfinanzierungen und Transaktionen in einer etwaigen Folgeinsolvenz zu sichern.

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III. Umsetzung in nationales Recht
Die Richtlinie belässt den Mitgliedstaaten teils große Spielräume bei der Umsetzung, etwa bei der Bestimmung des Begriffs der Insolvenzwahrscheinlichkeit (likelihood of insolvency) als Zugangsschwelle zum präventiven Restrukturierungsrahmen. Zudem sind nach der Richtlinie sowohl die Einführung eines umfassenden vorinsolvenzlichen, kollektiv wirkenden Restrukturierungsverfahrens als auch eine restriktive Umsetzung beschränkt auf nur individuell gegen Akkordstörer wirkende Sanierungshilfen möglich. Für welches Umsetzungsmodell sich der deutsche Gesetzgeber entscheiden wird, hängt maßgeblich davon ab, welche Funktion die Eigenverwaltung zukünftig einnehmen soll.

IV. Fazit/Implikationen für die Anleiherestrukturierung
Durch die Umsetzung der Richtlinie wird sich die Sanierungskultur in Deutschland grundlegend ändern. Mit Blick auf die Restrukturierung von Anleihen bleibt abzuwarten, ob und inwieweit das SchVG durch die Schaffung eines präventiven Restrukturierungsrahmens, in den sämtliche betroffene Gläubiger einbezogen werden können, geändert werden wird. Insbesondere ist fraglich, wie das Verhältnis zwischen einer Sanierung nach dem SchVG und einer Sanierung im Rahmen des präventiven Restrukturierungsrahmens im Fall der Wahrscheinlichkeit der Insolvenz des Anleiheemittenten zu bestimmen ist.

Damit gewährleistet ist, dass sämtliche Gläubiger in die Ausarbeitung eines von der Mehrheit getragenen Gesamtrestrukturierungskonzepts einbezogen werden, müsste u.E. das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren auch die Anleihegläubiger mit umfassen, wenn die Zugangsschwelle zum präventiven Restrukturierungsrahmen erreicht ist. Dabei sollten für die Willensbildung der Anleihegläubiger im Rahmen der Abstimmung über den Restrukturierungsplan angesichts der Anonymität der Anleihegläubiger die verfahrensrechtlichen Vorschriften des SchVG Anwendung finden. Ist die Zugangsschwelle zum präventiven Restrukturierungsrahmen nicht erreicht, sollte weiterhin eine Anleiherestrukturierung nach Maßgabe des SchVG möglich sein.

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