Law Corner: „Mit solchen Ideen und zusätzlichen Anforderungen werden KMU zukünftig von den Kapitalmärkten ferngehalten“

Ingo Wegerich, Luther
Ingo Wegerich, Luther

BondGuide: Klingt wie eine Art Themenverfehlung im Ergebnis …
Wegerich: Vielmehr hat die ESMA sich hier an dem alten Prospektformat orientiert. In der Schule gäbe es für eine derartige Leistung die Reaktion: „Thema verfehlt, Note ungenügend, wieder setzen.“ In der Tat wäre das Formblatt Emittentendaten der Frankfurter Wertpapierbörse ein gutes Muster für den EU-Wachstumsprospekt gewesen – und auch ein guter, völlig neuer und auch einfacher umzusetzender Ansatz der Herangehensweise. Wir müssen weg von den 200 bis 500 Seiten dicken Wertpapierprospekten für KMU. Diese werden von niemandem gelesen und produzieren lediglich immensen Verwaltungsaufwand und Kosten.

BondGuide: Zwei Hauptkriterien als gemeinsamer Nenner waren doch stets: erstens unaufwendig auszufüllen und zweitens Vermeidung hoher Emissionskosten, wie sie durch Anforderungen wie im Standard-Prospekt entstehen – welcher an doch eher größere Unternehmen gerichtet ist. Beides scheint nunmehr komplett über Bord geworfen von der ESMA.
Wegerich: So ist es. Wir haben als erste Interessenvertretung für kapitalmarktorientierte KMU auch klar Stellung bezogen. Es ist sehr wichtig, dass die Interessen von KMU gesammelt und dann gebündelt über eine Interessenvertretung kommuniziert werden. Durch unseren Verband erhalten die KMU zukünftig eine Plattform und eine Stimme. Wir haben sehr großen Zulauf. Was in Brüssel passiert, ist nicht im Fokus des Tagesgeschäfts der KMU. Kann es auch nicht; die KMU kümmern sich um ihr Unternehmen. Dafür sind wir da. Dies ist eine einmalige Chance, die Prospekte zu vereinfachen und lesbar zu machen, und auf der anderen Seite für die Unternehmen unnötigen Verwaltungsaufwand und Kosten zu reduzieren. Diese Möglichkeit darf nicht verpasst werden.

BondGuide: Namentlich insbesondere die Rechnungslegung: Eine Anlehnung an IFRS scheint nobel, aber für KMU in puncto Kosten reichlich kontraproduktiv. Oder?
Wegerich: Das sehen wir genauso. Das Gegenteil wird erreicht. Mit solchen Ideen und zusätzlichen Anforderungen werden KMU zukünftig von den Kapitalmärkten ferngehalten. Eine Rechnungslegung nach HGB in den Prospekten wird vielfach verwendet, hat sich bewährt, ist zuverlässig und deutlich günstiger als IFRS. In unserer Stellungnahme haben wir hier klar Stellung bezogen und darauf hingewiesen, dass dies kontraproduktiv zur Idee der Kapitalmarktunion wäre, den Zugang zu den Kapitalmärkten für KMUs zu erleichtern.

Foto: © lazyllama– stock.adobe.com

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BondGuide: In Summe: Werden nicht die im Konzept der EU-Kapitalmarktunion formulierten Vorgaben vollständig konterkariert, um nicht zu sagen: missachtet?
Wegerich: So ist es. Wir haben die ESMA aufgefordert, einen wirklichen Bottom-up Ansatz zu verwenden. Ein weiterer Ansatz könnte auch der seinerzeitige Vorschlag der Europäischen Kommission zur Prospektverordnung sein, in dem vorgesehen war, einen Prospekt nach einem strukturierten Format in Form eines Fragebogens mit standardisiertem Text zu verwenden, der von dem Emittenten auszufüllen ist. Warten wir jetzt erstmal, wie sich die ESMA zu unserer Stellungnahme äußert.

BondGuide: Herr Wegerich, besten Dank für Ihre Einblicke und nachfolgend zur Sicherheit Ihre Kontaktdaten, für alle, die sich dem gemeinsamen Interesse anschließen möchten.

Interessenverband kapitalmarktorientierter KMU e.V.Das Interview führte Falko Bozicevic.

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