ESPG: „Großen Rückhalt erhalten“

Anleiheemittent ESPG – ehemals DIOK Real Estate – benötigt eine bzw. zwei weitere AGVs. Dieses Mal allerdings nicht zur Verlängerung der Laufzeit oder dergleichen, sondern da es mit einem sog. Financial Covenant eng werden könnte. Der soll jetzt abgeschwächt werden. BondGuide sprach aus aktuellem Anlass darüber und den aktuellen Status-quo mit Vorstand Dr. Ralf Nöcker.

Herr Dr. Nöcker, die vorläufigen Zahlen von Mitte Februar sehen eigentlich ziemlich gut aus: 22% höhere Mieteinnahmen – ich nehme an aufgrund von festgeschriebenen Mietpreisanpassungen. Wie groß ist der Gestaltungsspielraum in Ihrem Metier?
Aus operativer und strategischer Sicht ist das vergangene Geschäftsjahr sehr gut verlaufen. Einerseits ist es uns gelungen, die Leerstandsquote unseres Portfolios zu reduzieren. Andererseits haben wir die Mieteinkünfte durch inflationsbedingte Anpassungen sowie durch den Abschluss neuer Mietverträge mit einer Gesamtfläche von 14.800 qm deutlich gesteigert. In der Summe kommen wir auf die von Ihnen genannte Steigerung der Mieterträge von rund 22% auf etwa 12,7 Mio. EUR. Dass Science Parks trotz des aktuell schwierigen wirtschaftlichen Umfelds weiterhin sehr gefragt sind, zeigt sich auch am Beispiel eines unserer jüngsten Vertragsabschlüsse mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., DRL, der im Januar 2024 eine Nutzfläche von knapp 2.500 qm in unserem Science Park BLUECIRCLE angemietet hat. Die Höhe der Miete hängt in unserem Metier von den unterschiedlichsten Faktoren ab und wird für jeden Mieter seinen Bedürfnissen entsprechend individuell vereinbart. Benötigt ein Mieter beispielsweise hochspezialisierte Flächen, wirkt sich dies natürlich auch auf die veranschlagte Miete aus.

Portfolio-Sample von ESPG

Und ich vermute mal, so etwas wie Mietpreisdeckel oder dergleichen gibt es in Ihrer Branche nicht. Haben Sie trotzdem Vorgaben wie ‚regional marktübliche‘ Mieten bzw. Mietpreisanpassungen oder dergleichen?
Das ist richtig. Einen Mietpreisdeckel, so wie wir ihn bei Wohnimmobilien in den Ballungszentren sehen, existiert nicht. Stattdessen gilt in unserem Markt vor allem das Gesetz von Angebot und Nachfrage, wobei vor allem diejenigen Anbieter zum Zuge kommen, die den verschiedenen Mietern aus der Forschung das bessere Gesamtpaket anbieten können. Das betrifft neben dem Standort u.a. auch die Fähigkeit, geeignete Forschungsflächen wie Labore oder Reinräume zur Verfügung zu stellen und – was aus unserer Sicht für die langjährige Mieterbindung besonders wichtig ist – auch auf individuelle Bedürfnisse der Mieter eingehen zu können bzw. zu wollen. So sind beispielsweise einige unserer Science Parks auf ganz bestimmte Forschungsschwerpunkte zugeschnitten und bieten hierfür auch geeignete Flächen, die in ihrer Beschaffung nicht häufig vorzufinden sind. Hierzu zählen beispielsweise Kälte- bzw. Wärmekammern oder auch Reinräume.

Sorgen indes bereitet der ESPG der Substanzwert des Portfolios, das mit 228,5 Mio. EUR beziffert wurde. Haben die Wirtschaftsprüfer da oder dort die Hand gehoben?
Der Substanzwert unseres Portfolios hat sich nach dem vorläufigen Verkehrswertgutachten vergleichsweise stabil entwickelt – und das in einem höchst anspruchsvollen Umfeld. Die Immobilienkommission der DVFA hat erst kürzlich in einer Pressemitteilung bekanntgegeben, dass mit einer Abwertung der Portfoliowerte in Deutschland von 4 bis 12% zu rechnen sei. Unser Portfolio wurde zum 31. Dezember 2022 mit einem Marktwert von 228,5 Mio. EUR bewertet. Ein Jahr später, also zum 31. Dezember 2023, kommen die Bewerter auf einen vorläufigen Marktwert von 229,8 Mio. EUR. Unsere Science Parks erweisen sich somit als wertstabil, und dass obwohl sich die Rahmenbedingungen in der Immobilienbranche deutlich eingetrübt haben. Zurückzuführen ist dies vor allem auf unsere starken Vermietungsergebnisse, die sich in dem Anstieg der für das Wertgutachten wichtigen nachhaltigen Marktmiete niederschlägt und die ihrerseits wiederum auf die Bewertungsrendite Einfluss nimmt.

Blue Circle von ESPG

Wichtig ist der Substanzwert für den LTV, den Loan-to-Value. Bei vorläufigen 74,3% ist der aber wirklich hart auf Kante genäht an die 75%, die die Anleihebedingungen als Maximum vorschreiben. War das nicht schon letztes Jahr für 2024 absehbar eng werdend? 2023 hätte man das im Zuge der AGVs gleich mit abhaken können.
Wir haben erst kürzlich zu einer Gläubigerabstimmung eingeladen, da wir nicht ausschließen können, dass der Loan-to-Value, also der Beleihungswert unseres Science Park-Portfolios, die zentralen Zielmarken der Anleihebedingungen verfehlen wird. Das ist natürlich sehr ärgerlich, da hierdurch ein völlig falsches Bild vom eigentlich guten Ist-Zustand vermittelt wird. Schließlich hat sich unser Geschäft im letzten Jahr überaus positiv entwickelt. Zurückzuführen ist dies auf das ungemein herausfordernde Branchenumfeld, durch das Immobilienwerte in der Breite stark unter Druck geraten sind. So mussten nahezu alle größeren Immobiliengesellschaften ihre Bestände abwerten. Dennoch zeigt das vorliegende Bewertungsgutachten, dass sich unser Science Park-Portfolio im Vergleich zum Vorjahr als werthaltig erwiesen hat. Da dieser vorläufige Wert aber nur leicht unter dem relevanten Vergleichswert liegt und es im Rahmen der Abschlussprüfung noch zu Änderungen beim Bewertungsergebnis kommen kann, können wir nicht ausschließen, die Zielmarke doch noch zu verfehlen.

Im Zuge einer neuerlichen AGV – bzw. ggf. derer zwei – möchten Sie diese Klausel ‚vorsichtshalber‘ abgemildert sehen. Der LTV soll über 2023 ausgesetzt werden und für 2024ff soll der Gemeinsame Vertreter die Befugnis erhalten, die Testung auszusetzen. Was schwebt Ihnen genau vor, damit es sicher wird?
Der Portfoliowert ist und bleibt für uns ein wichtiges Thema. Dennoch erhoffen wir uns durch die Beschlussfassung der Anleihegläubigerversammlung, die notwendige Flexibilität zu erhalten, um unser Geschäft in einer ähnlichen Dynamik weiterentwickeln zu können, wie wir es bereits im Vorjahr erfolgreich getan haben. Mit dieser Maßnahme wollen wir außerdem verhindern, uns im nächsten Jahr in einer ähnlichen Situation wiederzufinden. Schließlich lässt sich noch nicht völlig absehen, wo der Markt in einem Jahr steht. Allerdings dürfen sich unsere Anleger darauf verlassen, dass wir sie regelmäßig über die Entwicklungen informieren werden.

Allerdings war zugleich zu lesen, dass Sie das Anleihevolumen um 20% aufstocken möchten, also rund 10 Mio. EUR. Das täte Ihrem LTV aber wiederum nicht gut, es sei denn, dass Sie diese Mittel sogleich investieren, z.B. da es gerade die Opportunitäten dazu gibt. Oder wie sieht Ihre Rechnung aus?


Auch dieser Schritt ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, um hierdurch die notwendige Flexibilität zu haben, unser Geschäft wie in den Vorjahren in derselben Intensität weiterentwickeln zu können. Dabei würde die mögliche Aufstockung der Anleihe im wesentlichen Junior Darlehen ersetzen, die wir aufgenommen oder geplant hatten. Zudem geht es uns vor allem darum, handlungsfähig zu bleiben, wenn sich attraktive Opportunitäten am Markt auftun. Zwar sehe ich unser Unternehmen sehr gut aufgestellt und erwarte eine weiterhin positive Geschäftsentwicklung für 2024 und darüber hinaus. Doch nimmt die Anleihe einen wesentlichen Stellenwert in unserer Finanzierungsstruktur ein.

Die Anleihe steht aktuell bei rund 50%. Wie lässt sich die zu 95% platzieren, wie in der Pressemitteilung angekündigt? – wenn ich in die Anleihe 2018/26 investieren möchte, kaufe ich zum aktuellen Briefkurs über die Börse. [1]
Das aktuelle Kursniveau der Anleihe von rund 50% spiegelt in erster Linie die allgemeine Verunsicherung wider, die im Zusammenhang mit Immobilien-Investments in Deutschland derzeit am Markt vorherrscht. Allerdings habe ich in den zahlreichen Gesprächen, die ich im Vorfeld unserer jüngsten Anleihegläubigerversammlung geführt habe, großen Rückhalt erhalten. Viele Anleger wissen von den Schwierigkeiten, mit denen der Immobiliensektor aktuell konfrontiert ist und ihnen ist auch bewusst, dass unser Segment dabei in eine Art Sippenhaft genommen wird. Gemeinsam mit unseren Investoren wollen wir ESPG zu einem führenden Spezialisten für Science Parks in Deutschland weiter ausbauen und ich sehe uns auf einen sehr guten Weg, dass uns dies auch langfristig gelingen wird. Zudem sollte sich dies auch im Anleihe-Kurs niederschlagen.

Dr. Ralf Nöcker, ESPG

Dr. Ralf Nöcker

Zum Abschluss noch eine generelle Frage zu Life Science-Mietern: In welchen Bereichen erwarten Sie die nächsten großen technologischen Durchbrüche und was bedeutet das für Sie als Vermieter?
Die Life Science-Branche hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht und entwickelt sich mit einer außerordentlichen Dynamik. So sind beispielsweise die Fortschritte in der personalisierten Krebsimpfungsforschung beeindruckend, da die Experten mit zunehmendem Erfolg an Möglichkeiten zur Bekämpfung der häufigsten Karzinome forschen. Ich hoffe, dass wir hier in den nächsten Jahren einen großen Durchbruch erleben werden, und mit ein wenig Glück, eine Impfung gegen die häufigsten Varianten entwickeln können. Schließlich tragen Krebserkrankungen signifikant zur Sterblichkeitsrate bei. Als Science Park-Betreiber ist es unser Anspruch, solchen Unternehmen für ihre Forschung geeignete Flächen und Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre Forschungen vorantreiben können. Denn nicht umsonst verstehen wir uns als Partner der Wissenschaft.

Herr Dr. Nöcker, ganz herzlichen Dank an Sie!

Interview: Falko Bozicevic

Fotos: @ESPG

[1] Die Handelsliquidität ist äußerst dünn. Das Gesagte gilt höchstens für die ersten 10.000 Nominale, anschließend passt der Market Maker seine Taxe signifikant nach oben an.

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