Trotz Zinsanhebung – Zahlungsausfälle und Umstrukturierungen in Schwellenländern unwahrscheinlich

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An den Märkten herrscht die Meinung vor, dass sich die Finanzierungsbedingungen weltweit verschärfen werden, wenn die Fed die Zinsen anhebt, und dass daher die anfälligsten Schwellenländer Probleme bei der Refinanzierung ihrer Auslandsschulden bekommen könnten. Der Expertenbeitrag von Carlos de Sousa, Schwellenländerstratege und Portfoliomanager bei Vontobel

Dieser Pessimismus hat zu Beginn des Jahres 2022 zu einem aggressiven Ausverkauf von Staatsanleihen der Schwellenländer in Hartwährungen geführt. Es sind also nicht die tatsächlichen Zinserhöhungen der Fed, sondern die Preisanpassungen des Marktes in Erwartung der Umsetzung der Fed-Politik, die Turbulenzen bei den Schwellenländeranleihen verursachen, da eine übermäßige Verschärfung der Bedingungen an den globalen Finanzmärkten befürchtet wird.

Während der letzten Zinserhöhungszyklen 1999-2000, 2004-06 und 2015-18 gingen die Spreads und Renditen der Schwellenländer zurück. Die Spreads der Schwellenländer neigen dazu, sich vor den Zinserhöhungszyklen der Fed auszuweiten, um sich dann während des eigentlichen Zinserhöhungszyklus allmählich wieder zu verengen. Vor diesem Hintergrund hat der Marktpessimismus gegenüber den Schwellenländern wahrscheinlich gerade seinen Höhepunkt erreicht.

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Staaten mit hohen Renditen potenziell gefährdet
Länder, die unbedingt Zugang zum Markt benötigen, um ihre Schulden zu „rollen“, und deren Renditen in US-Dollar derzeit im hohen einstelligen Bereich oder nahe bei 10% liegen, sind am stärksten gefährdet. Sie könnten den Marktzugang verlieren und wären dann gezwungen, auf alternative externe Finanzierungsquellen zurückzugreifen, um die Rückzahlung ihrer Auslandsschulden zu gewährleisten.

Ägypten ist ein Beispiel dafür, weshalb das Land in den letzten Monaten eine relativ schlechte Performance gezeigt hat. Dennoch hat Ägypten Kredite von Banken aus den Golf-Staaten in Höhe von 3 Mrd. USD und ein bilaterales Darlehen von Südkorea in Höhe von 1 Mrd. US-Dollar erhalten, was ausreicht, um seinen Finanzierungsbedarf für mindestens sechs Monate zu decken. Zu den anderen gefährdeten Ländern gehört Ghana, das bereits den Marktzugang verloren hat und nun versucht, das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen, indem es sich verpflichtet, seine Haushaltskonsolidierungsziele in diesem Jahr zu erreichen. Ghanas Stärke ist, dass es keine nennenswerten kurzfristigen Fälligkeiten hat und über ein komfortables Niveau an internationalen Reserven verfügt, so dass das Land bis 2022 nicht auf die Eurobond-Märkte angewiesen ist.

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Auf der anderen Seite des Spektrums ist es unwahrscheinlich, dass Länder mit Investment-Grade-Rating Probleme bei der Emission von Auslandsanleihen haben werden. Allerdings sind dies auch die Anleihen, die angesichts der aktuellen Kurse und der niedrigen Spreads im Vergleich zu den Renditen von US-Staatsanleihen, in diesem Jahr am ehesten an Wert verlieren könnten.

Emittenten von Hochzinsanleihen hingegen, die über ein großes Spread-Polster verfügen, können im weiteren Verlauf dieses Jahres wahrscheinlich weiterhin hohe positive Renditen erzielen.

Ausfallrisiken bleiben gering
Es gibt nur sehr wenige Länder, bei denen im Jahr 2022 ein kurzfristiges Ausfall- oder Umstrukturierungsrisiko besteht. Der Grund dafür ist sehr einfach. Länder (und Unternehmen) nehmen in der Regel zu Beginn einer Krise eine Umstrukturierung ihrer Schulden vor (und einige wenige taten dies im Jahr 2020), weil dann ihre Einnahmen am niedrigsten sind und die Notwendigkeit, ihre Wirtschaft zu stützen, am größten ist. Wir befinden uns jetzt aber nicht mehr in der Anfangsphase einer Krise, sondern in der Spätphase einer Erholung. Entsprechend macht für die große Mehrheit der Länder eine Umschuldung keinen Sinn mehr. Natürlich gibt es Ausnahmen. Sri Lanka und Äthiopien sind zwei eindeutige Beispiele für Länder, die im Jahr 2022 wahrscheinlich zu Umstrukturierungen greifen werden. In beiden Fällen preisen die Anleihekurse die Umstrukturierungen allerdings bereits vollständig ein, sie liegen wahrscheinlich sogar unter dem Erholungswert, was das Verlustrisiko minimiert.

Carlos de Sousa, Vontobel

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