Geldpolitik: kommende Inflationsdaten als entscheidender Faktor

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Zwei Einschätzungen zum alljährlichen Treffen der internationalen Notenbanker im US-amerikanischen Jackson Hole – zunächst der Kommentar von Jack McIntyre, Portfoliomanager bei Brandywine Global, Teil von Franklin Templeton:

Fed hält Optionen offen
Es war eine ausgewogene, aber keinesfalls Trend verändernde Rede, auch wenn die Fed die Losung ‚Mission Accomplished‘ in der Schublade ließ. Sie lässt der Fed die nötige Wahlfreiheit, entweder die Zinsen weiter zu straffen oder sie beizubehalten. Der Tonfall war eher aggressiv, indem betont wurde, dass die Aufgabe der Fed noch nicht abgeschlossen sei, und deutlich gemacht wurde, dass das Inflationsziel bei 2% liege.

Die Rede endete jedoch mit einer konstruktiveren Note, in der hervorgehoben wurde, dass sich die bisherige Politik über den Arbeitsmarkt auf die Wirtschaft auswirke, wo sich die „extreme Anspannung“ langsam abbaue. Nun können sich die Märkte wieder auf die Wirtschaftsdaten konzentrieren, die für die Ausrichtung der Finanzmärkte viel wichtiger sind als die Fed-Politik.

Die Fed hat kein Problem mit der jüngsten Unruhe am Aktienmarkt, da sie die finanziellen Bedingungen eher verschärfen wird als eine weitere Zinserhöhung. Wir nehmen auf der Grundlage dieser Rede keine Änderungen an unseren Anleiheportfolios vor.

Unter der Überschrift „Aktuelles Umfeld wird von Angebotsschocks bestimmt“ kommentiert Tomasz Wieladek, Europäischer Volkswirt bei T. Rowe Price, das Notenbanker-Treffen:

Jack McIntyre, Brandywine Global

Präsidentin Lagarde hielt auf der Konferenz in Jackson Hole eine nachdenkliche Rede über die Entwicklung der Rahmenbedingungen für Zentralbanken. Sie stellte mehrere wichtige Punkte heraus:

1) Während die Zentralbanken in der Vergangenheit hauptsächlich auf Nachfrageschocks reagierten, wurde und wird das aktuelle Umfeld wahrscheinlich von Angebotsschocks bestimmt.

2) Die Zentralbanken dürfen sich nicht zu sehr von Schätzungen auf der Grundlage älterer Daten abhängig machen, aber auch nicht zu sehr auf die aktuellen Daten reagieren.

3) Die Zentralbanken müssen die Inflationserwartungen auf einem stabilen Niveau halten und ihre Politik ausreichend restriktiv gestalten.

Schließlich wies sie erneut auf die drei Kriterien hin, nach denen die EZB ihre geldpolitischen Entscheidungen treffen wird: Diese sind 1) die Inflationsaussichten, 2) die Dynamik der zugrunde liegenden Inflation, 3) die Wirksamkeit der geldpolitischen Instrumente in der Realwirtschaft.

Von diesen drei Kriterien zeigen die Konjunkturindizes, dass 3) bereits erfüllt ist. Diese Woche werden wir mehr Informationen über 2) erhalten. 1) ist die von EZB-Mitarbeitern erstellte Prognose. In der Juni-Prognose betonten die Mitarbeiter der EZB, dass die schlechten Produktivitätsaussichten zusammen mit dem starken Lohnwachstum hohe Lohnstückkosten implizieren, und die EZB-Mitarbeiter korrigierten die Inflationsprognose mittelfristig auf über 2%.

Bislang sprechen die Daten zur Produktivität und zu den Löhnen ebenfalls für eine höhere mittelfristige Inflationsprognose von über 2%, wenn man davon ausgeht, dass sich die EZB-Mitarbeiter auf die gleichen Faktoren stützen wie im Juni, als sie die Prognose auf über 2% anhoben.

Tomasz Wieladek, T. Rowe Price

Das bedeutet, dass von diesen drei Kriterien Kriterium 2 der entscheidende Faktor für den September sein wird. Ich bin der Meinung, dass eine Wachstumsrate der Dienstleistungsinflation von mehr als 0,4% gegenüber dem Vormonat (4,8 % auf Jahresbasis) die EZB dazu veranlassen könnte, die Zinsen im September erneut anzuheben. Diese Entscheidung wird zweifellos sehr ausgewogen sein, aber die Betonung dieser drei Kriterien durch Präsidentin Lagarde lässt vermuten, dass die Inflationsdaten diese Woche der entscheidende Faktor für eine EZB-Erhöhung im September sein werden.

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