Nachspielzeit in Berlin: Hertha hat Lizenz erhalten… irgendwie

Die Zitterpartie um Anleiheemittent Hertha BSC Berlin hat mit der Lizenz für die 2te Bundesliga ein Ende. Wahrscheinlich nur vorläufig. Da sind durchaus gewisse Fragezeichen.

Mit der jüngsten Entscheidung der DFL haben damit alle 18 Erst- und 18 Zweit-Bundesligisten ihre Lizenz für die kommende Saison. Angesichts der bekanntermaßen besorgniserregenden finanziellen Situation der Hertha verwundert indes die Lobpreisung der DFL: Hertha BSC habe alle ‚finanziellen, sportlichen, rechtlichen und personell-administrativen Kriterien‘ für die Zweiliga-Lizenz erfüllt.

Gerüchten zufolge hatte die DFL vor wenigen Wochen noch den ‚Fall Hertha‘ – durchaus doppelsinnig auszulegen möglich – als mögliche Sollbruchstelle eingestuft. Ein echter Krisenherd. Im schlimmsten Fall wäre die Hertha bis in die Regionalliga durchgereicht worden. Von möglicher Insolvenz gar nicht zu reden.

Die Berliner bemühen sich ja gerade noch, ihre im Herbst fällige Unternehmensanleihe über 40 Mio. EUR um zwei Saisons zu schieben. Bis zum 19. Juni läuft noch die Abstimmung darüber. Dass die DFL die Lizenz nun erteilt hat, ohne Gewissheit über die Refinanzierung der Anleihe zu haben, lässt ziemlich klar eine Art Kuhhandel vermuten – und Fragezeichen.

Die Refinanzierung der Anleihe bzw. deren Laufzeitverlängerung bezeichnete die Hertha-Geschäftsführung bekanntermaßen als den wichtigsten einzelnen Baustein für ihre Finanzierung. Diese Wortwahl ist von erheblicher Bedeutung, wie sich noch zeigen soll.

Man sollte meinen, die DFL hätte eine Bürgschaft für die 40 Mio. EUR erwartet für ihre Lizenzerteilung. Oder hat sie es tatsächlich(?) Da käme nur der neue Investor 777 Partners in Frage, wer sonst. 777 hatte die Anteile von Windhorst übernommen und dem Vernehmen nach der BSC noch 100 Mio. EUR für weitere. Nennen wir es mal Handgeld.

Ebenfalls bekanntlich berichtet der Club halbjährlich. Der Schuldenberg von 90 Mio. EUR, weiterhin operative Verluste und beinahe leere Konten waren also seit Längerem für jeden, den es interessierte, einsehbar. Angeblich hatte die Hertha noch unter der vorherigen Führung einen Plan für eine neue, 60 Mio. EUR umfassende Anleihe. Sozusagen 20 Mio. EUR zusätzlich, die sofort im Feuer des Tagesgeschäfts gestanden hätten, mithin aus Hertha-Sicht überaus sinnvoll. Man darf davon ausgehen, dass sich ein weiteres Mal genug Fußballenthusiasten an der Fan-Basis gefunden hätten – trotz fortgesetzter sportlicher Tristesse.

Neu-Präsident der Hertha Kay Bernstein überraschte vor Weihnachten mit der Aussage, die ‚aktuelle und die folgende Saison seien bereits durchfinanziert‘. Eine Aussage, die sich schwerlich mit der Gegenwart in Einklang bringen lässt, noch dazu im Kontrast zu Geschäftsführer Herrichs Einschätzung zur Wichtigkeit der Zukunft der Unternehmensanleihe 2018/23.

Und ein weiteres Mal plauderte Bernstein in der Öffentlichkeit. Im Deutschlandfunk posaunte er, der Klub erhalte offenbar eine Ausnahmeregelung im Lizenzverfahren, und – wichtig! – sollte die bis zum 19. Juni laufende AGV nicht zur Änderung der Anleihebedingungen gereichen, habe man ja noch eine Fristverlängerung bis zum 21. Juni. Von solchen Fristverlängerungsmöglichkeiten bei der bürokratischen DFL wusste bis dato niemand etwas.

Brancheninsider haben ihre Zweifel. Viel wahrscheinlicher wäre eine gegebene Bürgschaft über besagte 40 Mio. EUR. Nur auf eine solche hätte sich die DFL eingelassen, das drohende finanzielle Desaster mit Fälligkeit der Altanleihe abzuwenden.

Gäbe es diese Bürgschaft, wohl seitens 777 Partners, wäre die AGV zur Änderung der Anleihebedingungen nicht der entscheidende Baustein, als der sie deklariert wurde – die Rückzahlung der Anleihe im Herbst wäre also eigentlich sicher – auf die eine oder eben die anderen Weise. 777 kommentiert generell weder Gerüchte noch beantwortet gern Fragen. Man kann nur mutmaßen, dass 777 höchst unwillig in die eigene Tasche greift, um 40 Mio. EUR nachzuschießen.

Man beachte, dass Anleihe Hertha 2018/23 beratungsresistent bei 95% notiert. Hat der Markt Recht? Hat er es, trifft das im vorherigen Absatz skizzierte zu.

Die gesamte Storyline kann eigentlich nur einen Namen haben: Kuhhandel. Der weniger schmeichelhafte endet auf Theater.

Für eine detailliertere Version empfehle ich gern rbb24. BondGuide hat auch Sportschau.de genutzt und beide Berichte zusammengefasst / um eigene Gedanken ergänzt.

Falko Bozicevic

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