Globale Erwärmung: wo der Klimawandel richtig wehtut

Samar Khanna* über die Begrenzung der globalen Erwärmung als entscheidender Faktor für die Aufrechterhaltung der Stabilität der Finanzmärkte.

Während wir ins Jahr 2024 gehen, wird immer deutlicher, dass die Klimakrise nicht nur eine drohende Gefahr ist, sondern dass sie zunehmend Realität wird. Schon lange hatten Klimawissenschaftler:innen gewarnt, dass wir die globale Erwärmung auf 1,5 Grad C begrenzen müssen, um das Überschreiten von Klimakipppunkten zu vermeiden und um die gravierendsten Auswirkungen des Klimawandels abzuwehren.

Doch die Daten aus dem Jahr 2023 zeichnen ein erschreckendes Bild: Es war das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen, und zwar mit erheblichem Abstand. Die globalen Durchschnittstemperaturen lagen 2023 um 1,48 Grad über dem vorindustriellen Niveau – und damit gefährlich nahe an der 1,5 Grad-Schwelle, über der die Menschheit nur noch sehr begrenzt fähig sein dürfte, den Klimawandel aufzuhalten. Ab dann beginnen sich die klimatischen Verhältnisse selbst zu verstärken.

2024 setzte sich die globale Erwärmung aus dem Jahr 2023 mit Rekorden fort: Die Welt erlebte den wärmsten Januar seit Beginn der Aufzeichnungen (Copernicus). Um die Klimakrise in die richtige Perspektive zu rücken und aufzuzeigen, warum sich Anleger:innen mit diesen wachsenden Risiken befassen sollten, gilt es zunächst die physischen Risiken aufzuzeigen, die sich bereits jetzt auf Anleger:innen auswirken.

Erwärmung und Dürren im Mittelmeerraum

Quelle: Europäische Kommission. Der kombinierte Dürreindikator (CDI), der auf einer Kombination von Indikatoren für Niederschlag, Bodenfeuchtigkeit und Vegetationsbedingungen beruht, wird Mitte Mai 2021, 2022, 2023 veröffentlicht.

1. Klimaschäden in Milliardenhöhe nehmen zu

2023 verzeichneten die USA nach Angaben der National Oceanic and Atmospheric Administration 28 Wetter- und Klimakatastrophen mit einem Schaden von mindestens 1 Mrd. USD. Das entspricht der höchsten Zahl von Katastrophen seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Kosten, die von diesen Ereignissen verursacht wurden, betrugen 93 Mrd. USD. 1980, als derartige Zahlen erstmals erfasst wurden, waren es gerade einmal drei Katastrophen.

2. Rückgang der Nahrungsmittelproduktion

Indien, der weltweit größte Reisexporteur, auf den 40% der gesamten Reisausfuhren entfallen, hat im Juli 2023 den Export einiger Reissorten gestoppt. Die Preise für dieses wichtige Produkt stiegen dadurch auf den höchsten Stand seit über einem Jahrzehnt. Hinter der Entscheidung Indiens stand eine schwere Dürre, die durch die globale Erwärmung und El Niño noch verschärft wurde.

Auch in Europa machen sich derartige Wetterereignisse bemerkbar: Eine schwere Dürre im westlichen Mittelmeerraum hatte zu unterdurchschnittlichen Erträgen geführt, insbesondere bei der Olivenöl- und Reiserzeugung, und in einigen Regionen Spaniens sind die Wasserreservoirs aktuell nur noch zu etwa einem Viertel gefüllt (World Economic Forum).

3. Beeinträchtigungen der Handelsrouten durch Dürreperioden

Den Einfluss von schweren Dürreperioden belegt auch ein Beispiel aus Deutschland. Hier ist die Bedeutung des Rheins für den europäischen und weltweiten Handel enorm: Der Fluss ist nicht nur für 6% des Gesamtgütertransports in Deutschland verantwortlich, darunter 30% der Kohle, des Erdöls und des Erdgases und 20% der Erzeugnisse aus Kokerei und Mineralölwirtschaft (Institut für Weltwirtschaft, Kiel), er ist auch eine wichtige regionale Verkehrsader.

Die Wasserstraße liefert wichtige Rohstoffe für die europäische Schwerindustrie – rund 20% der weltweiten Chemieindustrie haben Produktionsstätten entlang des Flusses. Die zunehmende Trockenheit und die niedrigeren Wasserstände haben zu einem spürbaren Rückgang der beförderten Güter geführt.

Dies wurde erstmals 2018 sichtbar, als die Dürre in Deutschland zu einem Rückgang der Industrieproduktion um 1,5% und des BIP um 0,4% führte (IfW). 2022 verzeichnete Europa die weitreichendste Trockenheit seit 500 Jahren, und dies verursachte einen Rückgang der beförderten Güter um 50%. Infolge dieser Erfahrungen plant die deutsche Regierung Investitionen in Höhe von 180 Mio. EUR und Transportunternehmen sehen sich genötigt, ihre Schiffe für flachere Gewässer umzubauen – zu erheblichen Mehrkosten für die Wirtschaft.

Was aber sind die Folgen für die Anleger:innen?

Quelle: Bloomberg

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Finanzmärkte eine erhöhte Volatilität erleben werden – und das früher als erwartet. So warnt der UNFCCC, dass der Umfang und das Tempo des Wandels, der erforderlich ist, um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, disruptiv, kostspielig und ungeordnet ablaufen werde. Und weil sich die Maßnahmen zum Klimawandel verzögern, braucht das globale System einen grundlegenden Wandel, um die Emissionen bis 2030 um 43% zu reduzieren (Stoddard). Auch nach Einschätzung des Weltklimarates IPCC sind die physischen Risiken bei der derzeitigen Erwärmung größer als erwartet.

Höhere Erträge durch neue Positionierung

Banken profitieren derweil von neuen Einnahmequellen, die sich aus der grünen Transformation ergeben: Die Institute haben 2,5 Mrd. USD mit Klimaschutzprojekten eingenommen, verglichen mit 2,2 Mrd. USD von Unternehmen, die fossile Brennstoffe nutzen. Dies ist eine bemerkenswerte Veränderung im Vergleich zu 2020, als die Einnahmen von Unternehmen, die fossile Brennstoffe nutzen, fast doppelt so hoch waren wie die Einnahmen aus grünen Projekten.

Samar Khanna

In der Eurozone berücksichtigen Banken das Klimarisiko in ihrer Kreditvergabe: Ein CEPR-Bericht stellt fest, dass der durchschnittliche monatliche Zinssatz für Unternehmen im obersten Quartil der Kohlenstoffemissionen den Zinssatz für Unternehmen im untersten Quartil um 15 Basispunkte übersteigt. Die Differenz zwischen den Zinssätzen, die Banken von Unternehmen verlangen, die sich zu künftigen Emissionsreduktionen verpflichten, und denen, die dies nicht tun, beträgt etwa 20 Basispunkte. Dies ist nur ein Beispiel, das zeigt, dass es beim Thema Klimawandel auch gewinnbringende Investitionen geben kann.

*) Samar Khanna ist Environmental Economist bei Schroders

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