SHANGHAI/FRANKFURT (dpa-AFX) – Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hat das in der Kritik stehende Anleiheprogramm OMT verteidigt. Gut eine Woche vor der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht, der Draghi nach derzeitigem Stand nicht beiwohnen wird, bekräftigte der EZB-Chef in Shanghai die Haltung der Notenbank. Das OMT, mit dem die Notenbank seit vergangenem Herbst unbegrenzte Anleihekäufe von Krisenländern in Aussicht stellt, beseitige die ‚unbegründete Erwartung eines Auseinanderbrechens des Euroraums‘, sagte Draghi am Montag in der chinesischen Großstadt. Zahlreiche Einwände gegen das Programm treffen seiner Einschätzung nach nicht zu.
Draghi erklärte, das OMT verhindere entgegen der Meinung vieler Kritiker nicht Reformen in Krisenländern. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall, weil Anleihekäufe der Notenbank nur unter Reformauflagen möglich seien. ‚Es ist deshalb ziemlich irreführend, wenn OMTs mit historischen Ereignissen verglichen werden, bei denen sich die Regierungen auf die Unterstützung durch die Zentralbank verließen, statt ihre Haushalte zu konsolidieren.‘ Damit dürfte Draghi auf Einwände auch der Bundesbank angespielt haben, wonach die Anleihekäufe als Staatsfinanzierung über die Notenpresse betrachtet werden können.
Auch das häufig geäußerte Argument, die EZB mache sich mit den Anleihekäufen zum Gefangenen der Politik, lehnte Draghi als unzutreffend ab. Das OMT sei nicht an politische Entscheidungen gebunden, weil der EZB-Rat unabhängig über die Käufe entscheide – selbst im Falle eines bestehenden Hilfsprogramms. Die Gefahr, dass eine Intervention der Notenbank die Anleiherenditen zu stark reduzieren könnte, sieht Draghi ebenfalls nicht. ‚OMTs sind so gestaltet, dass sie die Renditen von Staatsanleihen knapp unter einem zuvor definiertem ‚Panik‘-Niveau halten.‘ Ein Grund der Schuldenkrise wird in dem vor der Eskalation sehr niedrigen Zinsniveau in vielen Krisenländern gesehen.
In der kommenden Woche wird sich das Bundesverfassungsgericht unter anderem mit dem Anleiheprogramm der EZB beschäftigen. Im Rahmen einer Anhörung treffen Bundesbank-Chef Jens Weidmann als OMT-Kritiker und EZB-Direktor Jörg Asmussen aufeinander. Die Bundesbank ist der Auffassung, dass die EZB ihr Mandat mit dem Kaufprogramm zu weit gedehnt hat. Die EZB hält dagegen, ohne das Programm hätte sie ihr Ziel stabiler Preise nicht gewährleisten können. Die Verkündung des OMT im Herbst 2012 hat die Schuldenkrise seither spürbar beruhigt. Bislang hat die EZB über das neue Programm keine Staatsanleihen gekauft./bgf/jkr