Ekosem-Agrar: AGV gut, alles gut?

Auf der jeweils 2ten AGV kürzlich setzte sich Ekosem-Agrar zusammen mit dem designierten Anleihevertreter durch. Ruhigere Monate jetzt für die Walldorfer?

CFO Wolfgang Bläsi stand Branchenkollege Michael Hedtstück von FINANCE noch einmal Rede und Antwort zum Ausgang der beiden AGVs, jeweils die 2ten und damit entscheidenden. Es ging knapp zu, das erforderliche Quorum von 25% Repräsentanzquote bei den beiden Anleihen zu erreichen, doch es glückte.

Da das Interview nur gefunden wird, wenn man weiß, wo man suchen muss, da jemand jemanden darauf hingewiesen hat, dürfte es noch nicht allen Interessierten / Betroffenen bekannt sein – die Kollegen müssen noch etwas an ihrer SEO-Optimierung arbeiten.

Da ohnehin wohl nur Betroffene in diesen Artikel hineinlesen, muss an dieser Stelle ein wenig was vorausgesetzt werden. Den Werdegang dürften viele mindestens verfolgt, wenn nicht sogar über die AGVs und Stimmrechtsvertretungen bei Ekosem-Agrar mitgestaltet haben.

Humorlos: V. Putin teilt in alle Richtungen aus

One Square, die ja gegen Ende hin gar zum Boykott aufgerufen hatten, wirft Bläsi vor, sich von ihrem ursprünglich noch als Berater geäußerten Vorschlag zu einem StaRUG-Verfahren ziemlich entfernt zu haben: Bläsi habe dies abgelehnt, da Anleihegläubiger hierbei sehr schlecht fahren. Einige Wochen später hätte sich OSA dann auf der anderen Seite als Anleihegläubigervertreter präsentiert. ‚Dreist‘ sei diese Kehrtwende.

Das Problem, derzeit Cash aus Russland herauszubekommen, sei ein konkretes: Einerseits vereinnahmt Ekosem-Agrar in Russland diverse Subventionen. Auch weiterhin. Auf dieser Basis und in der Lage sei es schwer vermittelbar, Finanzmittel von Russland nach Deutschland zu transferieren und die Wahrscheinlichkeit, dass man das in Russland durchsetzen kann, sei gering. Notabene: Deutschland gilt seit Ausbruch des Ukraine-Überfalls als ‚unfreundliches Ausland‘ im Kreml. Der Vorwurf von One Square ging in die Richtung, ob es denn überhaupt versucht worden sei.

Die Frage, warum Ekosem-Agrar nicht gleich ihrerseits einen Zinsverzicht mit späterer Wertaufholung / Nachzahlung vorgeschlagen habe, kontert der CFO mit Verweis auf den größten Gläubiger, die russische Landwirtschaftsbank RSHB – die über umfangreiche Mitsprachemöglichkeiten verfüge. Die zunächst vorgebrachten Vorschläge repräsentierten mithin zum überwiegenden Teil solche, die den Vorstellungen der RSHB entsprechen. Erst als diese von allen Seiten torpediert worden waren, ging es in Richtung kompromissfähigem Ausgleich aller Interessen

Großer Kritikpunkt war ja der Verzicht auf ein vorzeitiges Anleger-seitiges Kündigungsrecht einer oder beider Anleihen im Falle eines Kontrollwechsels. In diesem Falle wäre die Ekosem-Holding in Deutschland aber höchstwahrscheinlich zeitnah insolvent – obwohl das operative Geschäft in Russland unverändert weiterliefe. Insofern müsse hier an die Vernunft der Anleihegläubiger appelliert werden, ein solches Szenario für beide Seiten zu vermeiden, da in Niemandes Interesse.

Die Spirale aus Sanktionen und Gegensanktionen nimmt in Russlands neuzeitlicher Diktatur unter Putin weiter ihren Lauf. Derzeit werde an einer Einstufung ausländischer Firmen als ‚ausländische Agenten‘ gearbeitet. Die Konsequenzen wären sowohl weitreichend als auch willkürlich. Für diese oder weitere Fälle müsse Ekosem vorbereitet sein, um sich selbst als auch Anleihegläubiger so gut es geht zu retten – dazu gehöre der Verzicht auf ein allzu leichtes Kündigungsrecht, die Put-Option im CoC-Fall.

Anschuldigungen, Ekosem habe hinter den Kulissen eine Art Kuhhandel mit der RSHB zustande gebracht, weist Bläsi als weitere von OSA lancierte Chimäre von sich: Sämtliche Gesellschafteranteile seien ohnehin schon an die RSHB verpfändet worden, schon 2021 seien die Verhandlungen zäh und schwierig gewesen um die Kontrolle der Ekosem.

Wolfgang Bläsi, CFO der Ekosem Agrar

Mit Verweis auf das Länderrisiko und 7,5 bzw. 8,5% Zinskupon relativiert der CFO die Risikodefinition. Die Kupons seien überdurchschnittlich, da die Ekosem-Anleihen nun mal das Länderrisiko Russland mit sich brachten, während die Holding, die AG, in Walldorf sitzt. Seit 2012 flossen die hohen jährlichen Kupons, also in der älteren Anleihe an die zehn Jahre. Die Kupons reflektierten das erhöhte Risiko gegenüber z.B. einem deutschen Maschinenbauer mit sowohl Sitz als auch Geschäft in Deutschland.

Anm. d. Red.: Dort, wo der Autor dieser Zeilen noch etwas ausformuliert hat, was im FINANCE-Interview nicht vorkam, soll dies im Rahmen der noch besseren Verständlichkeit und Plausibilisierung geschehen sein. Der Autor hat zum besseren Hintergrundverständnis einen befreundeten Russlanddeutschen konsultiert.

Falko Bozicevic